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Lothar Binding
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Frage von Herbert S. •

Frage an Lothar Binding von Herbert S. bezüglich Umwelt

Hallo Herr Binding,

meine Frage an Sie: Warum agiert die SPD beim Thema Umweltschutz immer als Bremsklotz in der aktuellen Regierung? Als Beispiel möchte ich mal das Thema Dieselfilter anführen, wo ja per "Kanzlerdekret" auf Druck von VW eine frühzeritige Lösung verhindert wurde und auch später bei Thema Förderung durch SPD-Minister eine schnelle und gute Lösung verhindert wurde. Und das Beispiel Dieselfilter ist nur ein Beispiel von vielen.

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Sehr geehrter Herr Schmitz,

in welchem Maß die SPD und SPD Bundestagsfraktion aktiv für Umwelt und Natur eintreten und arbeiten, gesetzgeberisch und aufklärend wirken und international verhandeln, lässt sich einerseits leicht daran erkennen was wir bisher geleistet haben - messbar, belegbar.

Für die Vergangenheit, über die Sie sich bequem im web einen umfassenden Überblick über die tat(!)sächlichen Maßnahmen verschaffen können, möchte ich nur zwei Beispiele nennen, die sich viele vor sechs bis sieben Jahren noch nicht haben vorstellen können:

1. Der systematische Einstieg in eine ökologische Energieversorgung bei gleichzeitigem Ausstieg aus der gattungsgefährdenden Energieversorgung, speziell wegen ungelöster Endlagerprobleme, aus Atomenergie.

2. Die systematische Reduktion von CO2 Emissionen.

Andererseits lässt sich das Engagement der SPD-Fraktion auch daran ermessen, was wir uns für die Zukunft noch vorgenommen haben:

Ich zitiere aus einer aktuellen Erklärung des SPD Fraktionsvorstandes: "Im Wahlmanifest "Vertrauen in Deutschland" bekennt sich die SPD stärker als je zuvor zur ökologischen Modernisierung. Sie sieht hierin eine wichtige Voraussetzung für einen neuen Fortschritt, wenn die sich vor uns aufbauende Wissensgesellschaft und die drei ökologischen Säulen - Material- und Energieeinsparen, Effizienzsteigerung und erneuerbare Energien - miteinander verbunden werden. Hier eröffnen sich große Chancen für neuen Wohlstand und mehr Beschäftigung. Wir stellen unsere Politik unter das programmatische Dach der Nachhaltigkeit und lehnen die postliberale Ideologie entfesselter Märkte, einer entsolidarisierten Gesellschaft und eines schwachen Staates ab.

Das Manifest nennt ökologische Schwerpunkte für die nächste Legislaturperiode: Eine nachhaltige Mobilität, eine Strategie "weg vom Öl", die Fortsetzung der Neuordnung der Energieversorgung, mehr Klimaschutz, eine Effizienzrevolution bei der Nutzung der knapper werdenden Rohstoffe, Ausbau der Bioenergie, Reduktion des Flächenverbrauchs und die Schaffung eines nationalen Naturerbes, ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz, ein Programm Umwelt und Gesundheit und ein Umweltgesetzbuch. Dies ist ein ehrgeiziges Programm, um Ökonomie, Soziales und Ökologie zusammenzuführen. Das bieten die anderen Parteien nicht.

Die SPD lehnt die unsinnige These der Konservativen, Wirtschaftsliberalen und Wirtschaftsverbände ab, es gäbe einen Widerspruch zwischen Wachstum und Umwelt- und Naturschutz. Wir wollen eine sozial-ökologische und innovative Marktwirtschaft. Das ist eine moderne Wirtschaftspolitik, das ist - richtig verstanden - Vorfahrt für Arbeit und Wohlstand und nicht die einfallslose Anpassung an die angeblichen Zwänge der Globalisierung. Es gibt keinen Grund, die Bedeutung der Ökologie zu relativieren. Umweltschutz ermöglicht vielmehr eine Win-Win-Konstellation. Deutschland ist mit Rot-Grün Vorreiter für einen ambitionierten Umweltschutz. Das ist gut für unsere Wirtschaft, denn hierin liegt die Voraussetzung für eine neue lange Welle von Wachstum.

Ökologie ist kein Monopol des Koalitionspartners. Die Erfolge der letzten sieben Jahre sind gemeinsame Erfolge. Das soll mit Rot-Grün so bleiben, denn Natur- und Umweltschutz erhält unsere Lebensgrundlagen und sichert eine lebenswerte Zukunft. Gleichzeitig ist er ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der Innovationen fördert und rund 1,5 Millionen Menschen Arbeit gibt. Maßnahmen für und im Umweltschutz finden vor allem dezentral statt. Damit werden Wertschöpfung und Beschäftigung vor Ort gesichert. Allein bei den erneuerbaren Energien sind in den letzten fünf Jahren insgesamt rund 28 Milliarden Euro investiert worden und rund 150.000 Arbeitsplätze entstanden. In den nächsten Jahren können wir weiterhin mit Investitionen von weit mehr als 20 Milliarden Euro rechnen. In der Erzeugung nachwachsender Rohstoffe für die Industrie sind es derzeit etwa 130.000 Arbeitsplätze. Die Arbeitsplätze in der nachgelagerten Erstverarbeitung und der Biomasselogistik belaufen sich nach groben Schätzungen auf mehr als 260.000 Beschäftigte.

Umweltschutz ist zugleich Motor für neue Technologien: Von der Entwicklung der Solar- und Windkrafttechnologie profitiert die Umwelt genauso wie die Exportnation Deutschland. Der wartungsfreie Rußpartikelfilter ist ein deutsches Produkt, bei dem leider deutsche Firmen zu spät auf die Umweltpolitiker gehört und sich selbst geschadet haben. Wir sind Vorreiter bei schwefelfreien Kraftstoffen und schaffen wichtige Voraussetzungen für die Motorentechnik der nächsten Generation. Wir müssen weitere Impulse setzen. Dazu haben sich die Umweltpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion folgende Schwerpunkte für die nächsten Jahre gesetzt:

* Material- und Ressourceneffizienz werden wir durch die Stärkung der Kreislaufwirtschaft und eine integrierte Produktstrategie, durch ein Produkt- beziehungsweise Stoffgesetz, den Ausbau der Beratungsinfrastruktur, verbesserte Qualitätsstandards und Garantieleistungen steigern.

* Effiziente Energieerzeugung: Neben der Stärkung der erneuerbaren Energien wollen wir die Kraft-Wärme-Kopplung ausbauen und bei der Fortführung des Emissionshandels mit schärferen Vorgaben über 2012 hinausweisen. Forschung und Förderung von Innovationen im Kraftwerkssektor müssen intensiviert werden.

* Energieeffizienz: Ein Energieeffizienzfonds soll die vorhandene Förder- und Beratungskulisse zusammenfassen. In diesem Rahmen wird das Programm zur CO2-Gebäudemodernisierung ausgebaut sowie der Vollzug der Energieeinsparverordnung verbessert und verschärft. Nur ein aussagekräftiger Gebäudeenergiepass kann Investitionsanreize setzen. Industriepolitisch wollen wir die Energieeffizienz durch Umsetzung eines Top-Runner-Programms beschleunigen.

* Bei den Emissionen im Verkehrssektor wollen wir beim Flugverkehr, den CO2-Obergrenzen für PKW, der PKW-Verbrauchskennzeichnung sowie der LKW-Maut zu Verbesserungen kommen.

* Umweltschutz ist aber auch auf bessere institutionelle Rahmenbedingungen angewiesen. Dazu zählen bessere Mitentscheidungsrechte der Umweltgremien, Qualifizierung und Sanktionierung beim Einsatz von Selbstverpflichtungen als umweltpolitisches Instrument, eine Vereinheitlichung des zersplitterten Rechts in einem Umweltgesetzbuch sowie verbindliche und sanktionierte sektorale langfristige Ziele beim Klimaschutz.

Für notwendige Fortschritte im Umweltschutz haben wir in den letzten Jahren wichtige Grundsteine gelegt. Die Bilanz unserer Arbeit seit 1998 kann sich sehen lassen:

* Auf Initiative von SPD und Grünen hat die Bundesregierung vor drei Jahren eine Nationale Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet und gestern bereits einen zweiten Zwischenbericht dazu vorgelegt: Leitbild und Handlungsfelder rücken das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung in die Mitte der Gesellschaft. Eindeutige Ziele und Indikatoren wie zum Beispiel die Verdoppelung der Energie- und Rohstoffintensität bis 2020, die Senkung des Flächenverbrauchs auf 30 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2020, die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent und die Senkung des Stickstoffeintrags auf landwirtschaftlichen Flächen bis 2010 auf 80 Kilogramm pro Hektar machen die Entwicklung überprüfbar und fassbar.

* Unsere Strategie für den Klimaschutz dient neben der Bewältigung des Klimawandels dazu, "weg vom Öl" zu kommen: Die Ratifikation des Kyoto-Protokolls, die Umsetzung des CO2-Emissionshandels, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, die ökologische Steuerreform und die Fortschreibung des Nationalen Klimaschutzprogramms sind Schlaglichter auf dem Weg zu einer modernen, umweltgerechten Energieversorgung ohne Atomkraft.

* Unser neues Bundesnaturschutzgesetz zeugt von einem veränderten Naturverständnis, das die Natur aufgrund ihres eigenen Wertes schützt. Es legt erstmals verbindliche naturschutzfachliche Regeln für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft fest. Darüber hinaus wurden über 30.000 Hektar schützenswerte Flächen vom Bund kostenlos an die Länder, Stiftungen oder Naturschutzverbände abgegeben.

* Mit dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes sollen Schäden verhütet, natürliche Gewässer und Rückhalteflächen erhalten sowie Auen als natürliche Überschwemmungsgebiete wiederhergestellt werden.

* Wir haben die Luftqualität durch zahlreiche Änderungen im Immissionsschutzrecht, die Novelle der TA Luft, das Sofortprogramm zur Verminderung der Ozonbelastung und durch den Entwurf zur Steuerbegünstigung von PKW mit Russpartikelfilter verbessert.

* Mit dem Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit haben wir insbesondere für die Problembereiche Innenraumluft, Lärm, Ruß und Chemikalien Qualitätsziele festgelegt.

* Im Kampf gegen den Umgebungslärm haben wir neues Recht geschaffen: An großen Straßen, Eisenbahnstrecken und Flughäfen sollen Lärmbelastungen integriert kontrolliert und vermieden werden. Der Entwurf für eine Novelle des Fluglärmschutzgesetzes liegt vor.

* In der Abfallpolitik haben wir mit Verpackungsverordnung ("Dosenpfand"), Altfahrzeug- und Elektroschrottgesetz die Kreislaufwirtschaft weiter konkretisiert und die Scheinverwertung bei hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen eingeschränkt. Unbehandelte Abfälle dürfen seit Juli dieses Jahres nicht mehr abgelagert werden.

Von CDU und CSU sind dagegen nur Rückschritte zu erwarten: Im umweltpolitischen Teil ihres Wahlprogramms wird deutlich, dass die Union Umweltschutz nicht als Vorsorge begreift, sondern ihrem kurzsichtigen Ökonomismus unterordnet. Soweit sie umweltpolitische Ziele benennt, hat sie diese in den letzten Jahren durch ihre politische Praxis hintertrieben oder verweist auf die ferne Zukunft. Sie schiebt die Verantwortung auf Andere. Umweltschutz ist für Union und FDP kein eigenständiges Ziel, sondern soll sich den Erneuerungszyklen in Wirtschaft und Infrastruktur anpassen. Umweltschutz findet damit nur als laufender Strukturwandel statt. Das ist ein Rückschritt in längst überwunden geglaubte Zeiten. Die ehemalige Umweltministerin Angela Merkel hat selbst die geringen Bestände ihres ökologischen Bewusstseins über Bord geworfen. Von ihr ist nichts zu erwarten, denn sie hat sich von der Umweltpolitik längst verabschiedet.

Im energiepolitischen Teil fordert sie die Rückkehr zur Atomoption, die unser Land lange gespalten hat, bis das Ausstiegsgesetz von SPD und Grüne diesen Streit beendet und die Weichen für eine Neuordnung der Energieversorgung gestellt haben. Mit verkürzten oder falschen Tatsachen hintertreibt die Union den Ausbau der erneuerbaren Energien. Irreal ist die Behauptung, dass durch Vereinbarungen mit den Betreibern die Gewinne aus längeren AKW-Laufzeiten preismindernd an den Verbraucher weitergegeben werden sollen. Die Energiewirtschaft hat dieser Absicht schon eine klare Absage erteilt. Und es bleibt das Geheimnis von CDU/CSU, worin der Vorteil liegen soll, wenn man überhöhte Preise für Atomstrom teilweise für den Ausbau der erneuerbaren Energien benutzt, gleichzeitig aber die von uns eingeführte direkte Förderung der erneuerbaren Energien über den Strompreis kritisiert." Soweit das Zitat.

Nun zu dem von Ihnen angesprochenen speziellen Einzel-Beispiel: Russfilter.

Ich habe es sehr begrüßt dass sich das Bundeskabinett bei der Förderung von Russfiltern engagiert. Die Verringerung der Feinstaubbelastung ist ökonomisch wie ökologisch sinnvoll, außerdem wird der Absatz von Dieselfahrzeugen in Deutschland gestärkt. Nun sind natürlich die Bundesländer, die für die Kraftfahrzeug-Steuer verantwortlich sind, am Zug, eine entsprechende Umsetzung konstruktiv zu begleiten. Sie müssen einen Vorschlag machen, wie entweder ein Bonus- oder ein Bonus-Malus-System zur Förderung der Russfilter aussehen kann. Die Länder sind ja im Regelfall sehr empfindlich hinsichtlich ihrer Kompetenzbereiche. Daraus erwächst auch die Pflicht in solchen Bereichen die notwendige Verantwortung zu übernehmen.

Bayern hat z.B. einen Vorschlag einer Förderung gemacht, der aufgegriffen werden könnte. Völlig unverständlich sind dagegen die wirren Aussagen des hessischen Finanzministers Karlheinz Weimar, der jede Förderung ablehnt und sich damit auch gegen Forderungen aus der Union stellt.

Ich denke, darüber hinaus sollte es eigentlich für die Industrie in Eigenverantwortung selbstverständlich sein die Fahrzeuge künftig entsprechend auszurüsten. Alle sind sich einig steuerliche Sondertatbestände anzuschaffen, auch Subventionen... Was mich wundert ist, wie gut bei manchen der Ruf nach "mehr Eigenverantwortung" mit der Forderung nach "mehr politischer Regelung" zusammenpasst.

Sie erkennen schnell, warum ich der Meinung bin, Politik ist nicht daran zu messen, was gesagt wird, sondern daran was getan wird. Mit diesem Grundsatz sind Sie bei uns gut aufgehoben.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding (Heidelberg)