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Frage von Oliver S. •

Frage an Knut Fleckenstein von Oliver S. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrter Herr Fleckenstein,
ich interessiere mich für ihren Standpunkte zu den DREI für mich bei der Europawahl wichtigsten EU-innenpolitischen Themen:
1. Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit,
2. Welche Grundrechte gelten für den EU-Bürger (NSA Skandal) und Zuwanderer (Aslyrechte/Außengrenzen/Frontex mit Sicherungs- aber ohne humanitären Auftrag)
3. Ausweitung der EU-Umweltpolitik und des Umweltschutzes

Ich bin bisher sehr davon enttäuscht, dass sich viele Politiker auf Nebendiskussionen einlassen und sich nicht stärker durchsetzen können, innenpolitisch zentrale Themen in den Vordergrund der Diskussion zu stellen (die Außenpolitik in Bezug auf die Ukrainekrise oder das Freihandelsabkommen wird ja häufig debattiert).

4. als vierten Punkt interessiert mich (bitte mit ja/nein antworten), ob und wie sie sich dafür einsetzen würden, dass die EU (innerhalb der nächsten 10 Jahre) selbst Steuern erheben kann und somit zu Teilen selbst ihr Budget bestimmen kann.

Besonders freuen würde ich mich natürlich, wenn sie mir zu ihren jeweiligen Vorstellungen auch ihren Eindruck schildern könnten, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie im EU-Parlament zu realisieren sind (z.B.: momentane gibt es dafür (k)eine absehbare Mehrheit).

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Sinhart,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Gerne beatworte ich Ihre Fragen. Die Ukrainekrise oder die mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA verbundenen Ängste und Unsicherheiten der Bürgerinnen und Bürger sind sicherlich keine Nebendiskussionen. Die Geschehnisse in Ukraine zeigen heute deutlicher den je, das Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir alle uns darum bemühen müssen ihn zu wahren. Die EU steht vor vielen Herausforderungen über die ich mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort spreche und bei zahlreichen Veranstaltungen diskutiere, wie etwa über die Bewältigung der andauernden Schuldenkrise im Euroraum, Datenschutz, Jugendarbeitslosigkeit, EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik, Erstarken der Rechtspopulisten in Europa. Den Frieden in Europa können wir nur dann sichern, wenn das „Gesamtpaket Europa“ stimmt – innen- und außenpolitisch.

Alle Termine und Veranstaltungen können Sie auch in Zukunft auf meiner Webiste http://www.knut-fleckenstein.eu/aktuelles/nachrichten.html finden, ich lade Sie herzlich dazu ein mitzudiskutieren!

Im Folgenden möchte ich meine Standpunkte im Bezug auf Ihre Fragen erläutern:

*_ _*

*_Zu 1. Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit_*

Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa versperrt einer ganzen Generation die Möglichkeit einer existenzsichernden Zukunft. Die Wirtschaftskrise trifft Teile dieser Generation mit der vollen Härte. In einigen Regionen Europas haben über 50 Prozent der Jugendlichen keinen Arbeitsplatz. Diese Jugendlichen haben keine Gelegenheit ihre Fähigkeiten in der Arbeitswelt einzubringen, ein selbstständiges Leben aufzunehmen und ihre Zukunft zu planen. Gerade bei jungen Menschen führt Arbeitslosigkeit zu sozialer Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit und hat langfristige Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Die erzwungene Inaktivität vieler Jugendlicher in der EU kostet über 150 Milliarden Euro jährlich. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit muss zu einer Toppriorität für die Europäische Union werden.

Die SPD hat sich frühzeitig und vehement für europäische Maßnahmen zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit ausgesprochen.

·Auf Druck sozialdemokratischer Politiker_innen wurde ein europäischer Rahmen für Jugendgarantien eingeführt. Jugendliche müssen spätestens vier Monate nach Eintritt in Arbeitslosigkeit einen Ausbildungsplatz oder eine Weiterbildungsmaßnahme angeboten bekommen.

·Um diese Ziele zu verwirklichen ist der jetzige finanzielle Rahmen unzureichend. Die Internationale Arbeitsorganisation rechnet mit 21 Milliarden Euro, um die Jugendgarantie allein in der Eurozone umsetzten zu können. Ein Bruchteil dessen, was die erzwungene Untätigkeit kostet. Gleichwohl stehen dem nur 6 Milliarden Euro im Rahmen der Jugendbeschäftigungsinitiative gegenüber, die zurzeit tatsächlich zur Verfügung gestellt werden.

·Wir müssen in die Zukunft der Jugend investieren, auch bei Bildung und Ausbildung in Europa. Bei der Ausbildung ist das deutsche Modell der dualen Ausbildung ein anerkanntes Beispiel, wie man Theorie und Praxis erfolgreich mit praktischer Berufserfahrung verbinden kann. Duale Ausbildung und andere gute Beispiele zur Heranführung junger Menschen an den Arbeitsmarkt können die Mitgliedstaaten im Rahmen der europäischen Ausbildungsallianz austauschen und so ihre jeweiligen Systeme optimieren.

·Auch Jugendliche in Arbeit sind häufig von prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Viele hangeln sich von einem unbezahlten oder schlecht bezahlten Praktikum zum nächsten oder werden jahrelang mit befristeten Verträgen hingehalten. Daher setzen wir uns dafür ein, auf europäischer Ebene verbindliche Regeln für die Rechte Jugendlicher am Arbeitsplatz einzuführen, einschließlich verpflichtender Bezahlung.

*_Zu 2. Grundrechte der EU-Bürger und Zuwanderer_*

Die Europäische Union basiert auf gemeinsamen Werten, die ihre konkrete Ausprägung in den europäischen Grund- und Bürgerrechten finden. Aus tiefster Überzeugung wollen wir die starke, demokratisch legitimierte Stimme für den Schutz dieser Werte und Rechte sein.

_Datenschutz_

Für uns ist das Grundrecht auf Datenschutz auch kein Luxus, sondern Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. In Zeiten rasanter technischer Entwicklungen und scheinbar grenzenloser Massenüberwachung lautet unser Ziel: Europa muss zum weltweiten Vorreiter des Schutzes digitaler Bürgerrechte werden!

Die SPD in Europa ist in den letzten Jahren stets entschieden für unsere Rechte und Freiheiten eingetreten.

* Wir haben im Europäischen Parlament gegen konservative Verwässerungsversuche bei den Verhandlungen über die EU-Datenschutzreform hohe Schutzstandards durchgesetzt.
* Wir haben maßgeblich dazu beigetragen, dass das Europäische Parlament eine eigene Untersuchung des NSA-Überwachungsskandals eingeleitet hat.
* Immer weitergehenden Überwachungstendenzen haben wir eine klare Absage erteilt und so etwa gegen massiven konservativen Widerstand eine Gesetzesinitiative zur Sammlung europäischer Fluggastdaten auf Eis gelegt.

Ungeachtet dieser Erfolge ist die Arbeit für uns damit noch lange nicht getan. Für ein Europa der Freiheit mit starken Grundrechten haben wir uns noch viel vorgenommen.

* Wir sind für ein umfassendes europäisches Datenschutz-Regime auf hohem Niveau. Die derzeit noch gültige EU-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 muss dringend an das 21. Jahrhundert angepasst werden. * Zudem fordern wir, dass Bürger und Unternehmen besser vor Hackerangriffen geschützt werden – etwa durch den Ausbau europäischer Cloud-Dienste und die Förderung von Verschlüsselungstechnologien. Wenn Drittstaaten Abkommen zu Austausch von Daten missbrauchen, um unkontrolliert auf Daten von EU-Bürgern zuzugreifen, müssen wir diese Abkommen notfalls auf Eis legen.

_Flüchtlings- und Asylpolitik_

Grundrechte verteidigen, bedeutet für uns aber auch, sich für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik zu engagieren, die einen effektiven Zugang zu fairen Asylverfahren sicherstellt und nicht durch eine rein repressive Grenzschutzpolitik ausgehebelt wird.

* Dank uns wurden in den Verhandlungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem die Verfahrensgarantien für besonders schutzbedürftige Gruppen wie Minderjährige und Folteropfer verbessert und die vorrangige Beachtung des Kindeswohls mit aufgenommen. * Gegen den Widerstand vieler konservativer Regierungen haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, das Recht aller EU-Bürger auf Reisefreiheit zu schützen und die Wiedereinführung permanenter Personenkontrollen an innereuropäischen Grenzen zu verhindern.

* Die europäische Flüchtlingspolitik muss auf dem Prinzip der Solidarität basieren. Das heißt auch, dass wir eine faire Verteilung der Flüchtlinge unter den Mitgliedstaaten brauchen.

*_Zu 3. Ausweitung der EU-Umweltpolitik und des Umweltschutzes

_*

Bei der Umwelt- und Klimapolitik spielt heute mehr denn je eine nachhaltige Energiepolitik eine tragende Rolle. Wir stehen zu unserer Verantwortung gegenüber heutigen und künftigen Generationen und setzen uns für eine ambitionierte Klimapolitik, für eine europaweite Energiewende, für einen starken Umweltschutz und für die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ein.

* Unter unserer Federführung hat das Europäische Parlament verbindliche Klimaziele für das Jahr 2030 beschlossen. Diese sehen vor, dass der EU-weite CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent gesenkt werden soll. Gleichzeitig soll der Anteil der erneuerbaren Energie EU-weit auf 27 Prozent steigen.
* Wir haben uns für die Stabilisierung des europäischen Emissionshandels als zentrales Instrument der EU-Klimapolitik eingesetzt.
* Wir sehen in der Forschung an alternativen Energietechnologien großes Innovationspotenzial mit Blick auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit und haben durchgesetzt, dass drei Viertel des Energieforschungsbudgets der EU für erneuerbare Energien festgeschrieben sind.
* Wir haben uns für eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung bei Fracking und anderen Bohrverfahren ausgesprochen.
* Wir haben uns vehement gegen den Einsatz genveränderter Pflanzen und Tiere eingesetzt, da die Risiken nicht abschätzbar sind und wir darin keinen Mehrwert sehen.
* Eine Erhöhung der Sammel- sowie Recyclingziele und die Rücknahmepflicht von kleinen Elektro- und Elektronik-Altgeräten konnten wir ebenfalls durchsetzen.

Der Kampf gegen den Klimawandel und die Verschmutzung der Umwelt sowie der Zugang zu Rohstoffen sind große gesellschaftliche Herausforderung, denen wir uns stellen.

* Auf dem Klimagipfel 2015 in Paris muss die EU auf ein internationales Abkommen mit einem verbindlichen Klimaziel drängen.
* Wir fordern eine Umstellung des Energiemix weg von Kohle und Atomenergie hin zu mehr erneuerbaren Energien.
* Wir Sozialdemokraten setzen uns für die Steigerung der Energieeffizienz ein und fordern ein verbindliches Effizienzziel. Gerade im Gebäudesektor stecken große Einsparpotenziale und Beschäftigungsmöglichkeiten für zahlreiche Menschen.

Wir setzen uns dafür ein, die Verschmutzung unserer Luft, unseres Wassers und unserer Böden zu reduzieren, um die Lebensqualität zu steigern und Lebensräume für Mensch und Tier für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.

*_Zu 4. Eine Europäische Steuer_**__*

Ja
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Diese konkreten Vorhaben werden realisierbar sein, wenn die Sozialdemokraten die Mehrheit im dem neugewählten Europäischen Parlament stellen. Mit Ihrer Stimme für SPD am 25. Mai können Sie dazu beitragen.

Mit freundlichen Grüßen
Knut Flerckenstein