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Klaus Mindrup
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Frage von André J. •

Frage an Klaus Mindrup von André J. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Mindrup.

Ich möchte sie gerne bitten, mir ihren persönlichen und den Standpunkt ihrer Partei zur Änderung des §20 EStG und die damit geplanten Änderungen für private Anleger mitzuteilen. Ist ihnen bewusst, das mit dieser Änderung nicht nur die Übertragbarkeit von Verlusten auf Folgejahre eingeschränkt wird, sondern auch die unterjährige Verlustverrechnung auf diesen Betrag von EUR 10.000 begrenzt wird. Es kann (und wird) damit zu der Situation kommen, das man mehr Steuern zahlen muss, als man Gewinn erzielt hat!

https://boerse.ard.de/anlagestrategie/steuern/verlustverrechnung-fuer-te...

https://www.meetingpoint-brandenburg.de/neuigkeiten/artikel/60661-Brande...

Auch bitte ich um eine kurze Stellungnahme zu der Problematik der Progressivität unserer starren Einkommenssteuertarifes. Sie setzen sich ja immer für eine gerechtere Steuerpolitik ein. Allerdings möchten sie dabei die 'Spitzenverdiener' mehr besteuern. Aber wie kann es sein, das heute selbst ganz normale Arbeitnehmer (z.B. bei den Autobauern) häufig den Spitzensteuersatz zahlen. Gehört man in diesem Land zu den wohlhabenden Millionären, wenn man gerade mal das 1,5 fache des Durchschnittsverdienstes erhält?

Vielen Dank für ihre geschätzte Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jessen,

herzlichen Dank, dass Sie sich, zum Thema steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Termingeschäften, an mich gewandt haben.

Im Dezember 2019 wurden mit dem „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ auch die Möglichkeiten der steuerlichen Berücksichtigung von Verlusten aus bestimmten privaten Kapitalanlagen, z.B. aus Termingeschäften, neu geregelt. Verluste aus Termingeschäften können nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nun mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Dies kann z.B. beim Verfall von Optionen relevant werden.

Die Verlustverrechnung kann aber nicht unbegrenzt erfolgen. Die Grenze liegt bei 10.000 Euro pro Jahr. Wenn Verluste größer als 10.000 Euro vorliegen, bleiben diese aber auch nicht unberücksichtigt. Die Verluste können auf Folgejahre vorgetragen und dann jedes Jahr jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Das bedeutet zusammengefasst: Die Verlustverrechnung aus den beschriebenen Kapitalanlagen ist möglich, sie wird aber unterjährig begrenzt, verbunden mit der Möglichkeit des Vortrags nicht verrechneter Verluste auf Folgejahre.

Bisher wurden Verluste von Privatanlegern aus dem Verfall von Optionen und Forderungen von der Finanzverwaltung gar nicht anerkannt. Im hierfür relevanten BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer vom 18. Januar 2016 wurde die Berücksichtigung der Verluste aus dem Optionsverfall versagt. Auch in der vorherigen Regelung in § 23 EStG fanden die Verluste aus dem Verfall von Optionen keine Berücksichtigung. Die neue Regelung ermöglicht hingegen eine steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus jeder Art von Termingeschäften. Deswegen kann ich nicht nachvollziehen, wieso die Rahmenbedingungen für Privatanleger nun ungünstiger geworden sein sollten. Kleinanleger können ihre Verluste aus Termingeschäften sogar sofort in vollem Umfang verrechnen. Denn Kleinanlagern entstehen üblicherweise keine Verluste größer 10.000 Euro pro Jahr.

Termingeschäfte können grundsätzlich zum Zwecke der Absicherung eingegangen werden (sogenanntes Hedging), z.B. von Kursrisiken aus anderen Wertpapieranlagen oder auch von Preisrisiken von Rohstoffen. Gerade Privatanleger gehen Termingeschäfte jedoch meistens zum Zwecke der Spekulation ein.

Wenn ein Privatanleger ein Termingeschäft eingeht, geschieht das also in der Regel in der Hoffnung auf einen hohen Gewinn, ermöglicht durch die Hebelwirkung des Produkts.

Das Gegenereignis hierzu ist ein hoher Verlust, der dem Anleger ebenso entstehen kann. Dieses Risiko geht der Privatanleger bewusst ein.

Termingeschäfte werden von privaten Anlegern also nicht zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken, Marktrisiken oder zur Absicherung von Zins-, Preis- oder Kursniveaus getätigt, wie es bei Unternehmen aus realwirtschaftlichen Motiven die Regel ist, sondern lediglich zum „Zocken“. Die Abgrenzung von Termingeschäften, die reinen Absicherungszwecken dienen, gegenüber Termingeschäften, die in spekulativer Absicht abgeschlossen wurden, ist in der Praxis jedoch ohne genaue Kenntnis der Berechnung von Derivatepreisen nicht möglich. Deshalb ist eine unterjährige Begrenzung der steuerlichen Verlustberücksichtigung auf 10.000 Euro sinnvoll. Denn die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten schmälert die Bemessungsgrundlage der Steuer und somit die Steuerzahlung an die Gemeinschaft.

Wieso sollte die Gemeinschaft eine weitgehendere Verlustverrechnung von risikoreichen privaten „Zockereien“ mitfinanzieren?

Für mich ist es wichtig, dass die Anlegerbranche nicht die Zockermentalität fördert, sondern sich auf seriöse, wirtschaftsdienliche Absicherungs-, Kurssicherungs- oder Hedgegeschäfte konzentriert. Wir sehen immer wieder, dass in guten Zeiten Gewinne mitgenommen werden, in schlechten Zeiten doch überraschend schnell nach der Gemeinschaft, dem Staat, den Steuerzahlern gerufen wird.

Außerdem bitten Sie mich zu einer Stellungnahme zur Problematik des Spitzensteuersatzes.

Hierzu möchte ich auf einen Umstand hinweisen, die wichtig ist: Der höchste Grenzsteuersatz im Einkommensteuertarif liegt bei 45% ab 270.500 Euro zu versteuerndem Einkommen. Wir nennen diesen Steuersatz den „Reichensteuersatz“. Das ist also der eigentliche Spitzensteuersatz. In der öffentlichen Debatte um Steuerpolitik werden jedoch meist die 42% als Spitzensteuersatz bezeichnet. Exakter wäre es vielleicht, hier von Spitzensteuersatz I und II zu sprechen.

Die SPD ist jedenfalls auch der Meinung, dass der Spitzensteuersatz zu früh einsetzt. Wir möchten ihn schon lange „nach rechts“ verschieben, also bei einem höheren Einkommen (etwa bei über 100.000 Euro Brutto-Einkommen) wirken lassen. Gleichzeitig soll der höchste Grenzsteuersatz auf bis zu 49 % ansteigen.

Geschieht diese Erhöhung nicht, werden Spitzeneinkommen am stärksten entlastet. Wenn man die Entlastungswirkung stärker in die „Mitte“ lenken möchte, muss der Steuertarif also unbedingt „oben“ erhöht werden.

Das hat die SPD auch in ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 beschlossen und in den Koalitionsverhandlungen mit der Union gefordert. Allerdings blockiert die Union hier, da sie sich dem Dogma „keine Steuererhöhungen“ unterwirft.

Ich hoffe, ich habe Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Mindrup