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Frage von Raschid El K. •

Frage an Klaus Mindrup von Raschid El K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Mindrup,

das Thema Verkehrsbelastung und ihre Folgen auf das alltägliche Miteinander scheint auch die Gemüter in diesem Forum zu bewegen. Dies ist erfreulich, zeigt es doch die Wichtigkeit und die dringende Notwendigkeit, hier etwas zu tun. Ich beobachte das Verkehrsgeschehen rund um meinen Wohnort (Pberg, Teutoburger Platz) hin zu meinem Arbeitsplatz in Mitte seit einigen Jahren und stelle fest, dass der Verkehr nicht nur mehr wird sondern trotz der gezielten Verkehrslenkungen immer schwieriger abfließt. Die Folgen sind nicht zu übersehen, neben sehr teuren Verkehrsprojekten bleiben entnervte Kfz-FührerInnen, die für sich selbst und alle anderen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstellen. Die Abgas- und Lärmbelastung sei nebenbei erwähnt. Anders als meine Vorfragesteller bin ich nicht der Auffassung, dass man mit Ampelschaltungen und neuen Ausbaustrecken Herr der Lage wird.

Daher meine konkreten Fragen an Sie:
Was werden Sie tun, um den Kfz-Verkehr in der Stadt einzudämmen?
Unterstützen Sie eine Innenstadtmaut, damit der Verkehr weniger die Belastungen und der ÖPNV mehr wird?
Wie stellen Sie sich den Ausbau eines vernünftigen und sicheren Fahrradwegnetzes vor und sollten Fahrräder Vorrang vor Autos haben?
Abschließend möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen, im Frühjahr war ich zum ersten Mal in Kopenhagen - nicht vergleichbar mit Berlin, doch auch eine europäische Großstadt mit über 600 000, mit Eingemeindungen 1,7 Mio. Einwohnern -. Abgesehen davon, dass ich einen Besuch dieser sehr schönen Stadt nur empfehlen kann, ist mir sofort aufgefallen, dass es sehr wenig Kfz-Verkehr gab und die Atmosphäre entsprechend angenehm. Die Verkehrsplaner ist es gelungen, die Verkehrsströme der Stadt gleichberechtigt auf Kfz, ÖPNV und das Fahrrad zu verteilen. Sehr löblich!
I
ch freue mich auf Ihre Antworten und verbleibe
mit freundlichen Grüssen
Raschid El Khafif
Ps: gleichlautende Schreiben gehen an ihr ernstzunehmenden MitkandidatInnen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Raschid El Khafif,

zunächst möchte ich mich herzlich für Ihre Fragen bedanken.

Meine persönliche Fahrtrichtung geht mit dem Fahrrad genau in die andere Richtung, von der Oderberger Straße über die Schönhauser Allee nach Norden zu meinem Büro an der Grenze zwischen den Altbezirken Pankow und Prenzlauer Berg. Die alltägliche Verkehrssituation in Mitte bekomme ich daher nicht persönlich mit.

Ich teile Ihre Auffassung, dass man mit Ampelschaltungen und neuen Ausbaustrecken nicht Herr der Lage wird. Damit möchte ich zur Ihrer Frage kommen, was ich tun werde, um den Kfz-Verkehr in der Stadt einzudämmen. Auch hier möchte ich mit einer persönlichen Bemerkung anfangen. Ich werde mir weiterhin kein Auto kaufen. Wenn ich einen Wagen brauche, werde ich ihn mir wie bisher leihen. Ich werde auch weiterhin Mitglied im ADFC bleiben, weil umweltfreundliche Verkehrsmittel auch außerparlamentarisch eine starke Lobby brauchen.
Politisch werde ich mich neben der weiteren Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs dafür einsetzen, dass die im November 2004 beschlossene Radverkehrsstrategie Berlins stärker als bisher umgesetzt wird. Während der Fahrradverkehr in Berlin zugenommen hat (im Modalsplit, also der Anteil der zurückgelegten Wege, von 10 auf 11,5 Prozent in zwei Jahren - während der Fußball-WM sogar um 25 Prozent - siehe auch
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_0607/nachricht2330.html nimmt übrigens der Kfz-Verkehr ab. Durch gute Angebote zum Beispiel für den Fahrradverkehr (Radspuren auf den Fahrbahnen von Hauptstraßen, Asphaltierung von ruhigen Nebenstraßen für Radfahrer, attraktive Routen durch Grünverbindungen, eindeutige Wegweisung, sichere Fahrradabstellanlagen usw.) gibt es inzwischen mehr echte Wahlmöglichkeiten als noch vor wenigen Jahren - Berlin ist inzwischen auf dem Weg zur Fahrradstadt. Allerdings haben wir erst ein Stück dieses Weges zurückgelegt, das Ziel ist noch nicht erreicht. Im Bezirk Pankow sind z.B. die Radspuren an der Greifswalder Straße in Bau. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Wahlperiode u.a. auch die Danziger Straße nach dem Vorbild der Greifswalder Straße umgestalten können. Wir brauchen z.B. auch einen guten Radweg durch den Mauerpark nach Norden. Dieser ist in der BVV an einer Mehrheit von PDS und CDU gescheitert. Ich hoffe, dass man in Zusammenhang mit der Fertigstellung des Mauerparks auf Weddinger Gebiet nach der Wahl eine Lösung im Konsens finden kann.

Zu Ihrer Frage zur Innenstadtmaut: Anders als in London besitzt Berlin kein geschlossenes Zentrum, sondern ist eine polyzentrische Stadt; mit rund 300 Pkw pro 1.000 Einwohner besitzt Berlin zudem die geringste Kfz-Dichte aller deutschen Städte; anders als in Paris oder London gibt es in Berlin durch diese Struktur praktisch kaum Staus; durch gezielte Förderung ist es dagegen gelungen sowohl den Anteil des Fahrradverkehrs zu erhöhen als auch den ÖPNV zum Beispiel mit neuen Fahrzeugen bei der U-, S- und Regionalbahn in Berlin deutlich zu erhöhen; so ist der Anteil der Fahrgäste in der Berliner S-Bahn in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen. Diesen Weg müssen wir meines Erachtens fortsetzen, dieser Kurs ist meine Erachtens zur Zeit sinnvoller als die Einführung der Innenstadtmaut. Wenn Sie sehen, mit welchen Akzeptanzproblemen zur Zeit noch die Einführung von bewirtschafteten Parkraumzonen verbunden ist, würde dies in Potenz für die Innenstadtmaut gelten. Ohnehin kenne ich noch kein Innenstadtmautmodell, dass sich im deutschen Rechtssystem bewährt hat. Ich bin kein Jurist, habe aber mehrfach schon erlebt, wie stark „Richterrecht“ in die Praxis der Politik eingreifen kann. Dies bedeutet nicht, dass ich resigniert habe, ich halte es aber für sinnvoll genau nachzudenken, wann und wie man welches Problem angeht.

Angesichts der in Zukunft zu erwartenden Ölpreissteigerungen werden sich die Rahmenbedingungen allerdings in den nächsten Jahren erheblich wandeln. Selbst die Kritiker des guten des öffentlichen Personennahverkehrs und der Förderung des Fahrradverkehrs werden sich dann freuen, dass es in Berlin Alternativen zum KfZ-Verkehr gibt. D.h. innerhalb weniger Jahre wird sich wahrscheinlich die Situation schlagartig ändern und wir haben eine wesentlich breitere gesellschaftliche Akzeptanz für eine Förderung des ÖPNV und des Fahrradverkehrs. Dann wird auch die Akzeptanz für Mautlösungen steigen, wenn sie der Finanzierung des ÖPNV dienen. Bis dahin muß man die Alternativen im Radverkehr verbessern und die Qualität des ÖPNV halten.

Sie fragen dann nach dem Ausbau eines vernünftigen und sicheren Fahrradwegnetzes vor und dem Vorrang von Fahrrädern vor Autos. Ich teile die Ansätze der Berliner Radverkehrsstrategie, die Sie unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/radverkehr/strategie/index.shtml finden können. Neue Wege für Radfahrer sollen vor allem im Sichtfeld des Kfz-Verkehrs angelegt werden - durch Radspuren auf den Fahrbahnen und durch vorgezogene Haltelinien für Radfahrer. Vorrang für Radfahrer kann es laut StVO zum Beispiel durch die Einrichtung von Fahrradstraßen geben - dies ist bereits bei uns im Bezirk in der Norweger Straße geschehen, weitere Nebenstraßen sollen folgen. Das neue und zurzeit im Ausbau befindliche 660 Kilometer umfassende Fahrradroutennetz Berlins wird auch Pankow mehr fahrradfreundliche Routen bringen, wie es in Mitte aussieht, weiß ich aber nicht. Ein genereller Vorrang des Fahrradverkehrs ist auch in fahrradfreundlichen Städten wie Kopenhagen nicht zu finden, wo in der Innenstadt 60 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden - ich finde jedoch, dass viele kleine und große Schritte zu mehr Gleichberechtigung der verschieden Verkehrsarten führen werden. Diesen Weg möchte ich fortsetzen.

Ich bin übrigens kein ideologischer Gegner des Autos. Autos haben auch ihre Vorteile als Transportmittel. Daher unterstütze ich den Ansatz des Car-Sharing und habe in der BVV einen Antrag zur festen Bereitstellung von Car-Sharing-Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum unterstützt.

In den nächsten Jahren wird es in unserer Gesellschaft auf allen Feldern darum gehen, effizient mit Energie umzugehen. Prof. Ernst Ulrich von Weizäcker hat schon vor Jahren eine "Effizienzrevolution" gefordert. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese auch im Verkehrssektor brauchen. Wir müssen die Abhängigkeit unserer Ökonomie von den fossilen Brennstoffen erheblich senken. Dies geht über die Doppelstrategie durch Effizienzverbesserungen den Verbrauch zu senken und dann bei niedrigerem Verbrauch die erneuerbaren Energien zu stärken. Im Bereich des Verkehrs ist unstrittig, dass Fuß- und Radverkehr sowie der ÖPNV und die Bahn wesentlich energieeffizienter als der KfZ-Verkehr sind, auch wenn es bei den Autos noch erhebliche Reserven zur Steigerung der Effizienz gibt. Wahrscheinlich werden in wenigen Jahren die "Energieberater" die Stellung in der Ökonomie einnehmen, die heute die "Steuerberater" haben bzw. deren Stellung ergänzen.

Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort gedient zu haben und stehe Ihnen für Nachfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Mindrup