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Klaus Ernst
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Frage von Constanze F. •

Frage an Klaus Ernst von Constanze F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Ernst,

im Frühjahr diesen Jahres habe ich Abitur gemacht. In den Monaten danach war ich damit beschäftigt, meine Zukunft zu planen und die Weichen für mein Berufsleben zu stellen.
Meinen Studienplatz habe ich sicher, meine Ziele vor Augen – aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr sorge ich mich um meine berufliche Zukunft.
Ich fange jetzt an, Kulturwissenschaften zu studieren. Ich hoffe, mich in den drei Bachelorjahren weiter mit meinen Interessengebieten zu beschäftigen. Ich habe mich schon während der Schulzeit in verschiedenen Kulturprojekten engagiert, bin Ehrenamtlerin aus Leidenschaft, in der Zeit zwischen Abitur und Studium habe ich meine ersten Praktika absolviert.
Aber ich befürchte, all dieses Engagement wird mir nach dem Studium wenig helfen, eine Stelle zu finden. Mein Lebenslauf ist typisch für die vielbeschworene „Generation Praktikum“, die reich ist an Erfahrungen, aber meist nur befristet beschäftigt und dabei schlecht bezahlt wird. So werde ich wohl von Arbeit zu Arbeit vagabundieren, bis ich 35 bin, trotz Bafög einen Berg Schulden im Rücken und ohne wirkliche Perspektive auf ein planbares Leben und Familiengründung.
Was sagen Sie zu diesen Sorgen, mit denen eine ganze kommende Generation konfrontiert ist? Welche Forderungen und Initiativen gibt es in Ihrer Partei, solchen Problemen Abhilfe zu schaffen?

Mit freundlichen Grüßen

Constanze Fertig

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Antwort von
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Sehr geehrte Constanze Fertig,

Klaus Ernst hat mich gebeten Ihnen zu antworten.

Die Sorgen um Ihre berufliche Zukunft sind absolut berechtigt. In ganz Europa steigt insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit seit Jahren an. Deutschland präsentiert sich zwar als Staat mit der vergleichsweise geringsten Jungendarbeitslosigkeit, aber die Statistiken sind geschönt.

Denn die vergleichsweise lange Schulpflicht, vor allem jedoch die staatlich finanzierten Qualifizierungsmaßnahmen zwischen Schule und Berufsausbildung, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht in der offiziellen Arbeitslosenstatistik auftauchen, lassen die Situation für Jugendliche auf dem deutschen Arbeitsmarkt glanzvoller erscheinen, als sie eigentlich ist:

"Fast 300.000 Jugendliche geraten jährlich in eine solche Warteschleife. Sie reichen von sogenannten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen über Einstiegsqualifizierungen bis zu Ein-Euro-Jobs. Das ist eine beachtliche Zahl im Vergleich mit den rund 540.000 jungen Erwachsenen, die im vergangenen Jahr eine betriebliche Ausbildung gestartet haben", meldete Spiegel Online Ende Mai diesen Jahres.

Die von Ihnen angesprochenen Endlos-Praktika haben noch einen weiteren Effekt: In den letzten Jahren wurden zunehmend reguläre Arbeitsplätze durch Praktikantinnen und Praktikanten ersetzt. Sie sind fest in die Betriebsabläufe eingeplant und arbeiten kaum weniger als Normalbeschäftigte.

Trotzdem müssen sich diese jungen, gut ausgebildeten Menschen anstelle eines gesicherten Berufseinstiegs mit befristeten, unsicheren und schlecht bezahlten Jobs, Honorar- oder Werkverträgen abfinden. Nicht wenige rutschen nach Schule oder Studium in eine Praktikaschleife und sind damit über Jahre in einer Situation finanzieller Unsicherheit und beruflicher Perspektivlosigkeit gefangen.

Der Großteil der Praktikantinnen und Praktikanten arbeitet für umsonst - und das häufig über viele Monate hinweg. Selbst von denjenigen Praktikantinnen und Praktikanten, die bereits eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, erhält weniger als die Hälfte überhaupt eine Vergütung. Und wer Geld bekommt, kann davon häufig nicht einmal die nötigsten Lebenshaltungskosten decken. Nur jede achte Praktikantin oder Praktikant wird danach vom Unternehmen übernommen.

Die Fraktion DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die Rahmenbedingungen für Praktika neu geregelt werden. Praktika sind keine Arbeits-, sondern Lernverhältnisse. Der Berufseinstieg muss hingegen über reguläre Arbeitsverträge laufen. Unverbindliches, unbezahltes Probearbeiten unter dem Deckmantel eines Praktikumsverhältnisses widerspricht allen Grundsätzen des Arbeitnehmerschutzes und darf nicht akzeptiert werden.

Die Fraktion DIE LINKE fordert eine klare gesetzliche Abgrenzung von Arbeits- und Lernverhältnissen. Praktika sollten ebenso wie andere Ausbildungsverhältnisse vertraglich eindeutig geregelt sein - mit verbindlichen Lernzielen und verlässlicher Betreuung. Jede Praktikantin und jeder Praktikant muss sich darüber hinaus auf arbeitsrechtliche Mindestschutzbestimmungen berufen können, wie sie unter anderem auch für Auszubildende gelten - auch diejenigen, die ihr Praktikum im Rahmen eines Studiums oder einer Ausbildung absolvieren. Hierfür sollten alle Praktika in den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes aufgenommen werden. Betriebs- und Personalräte müssen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und in Konfliktsituationen gehört werden.

Und nicht zuletzt: Praktika müssen angemessen vergütet werden. Die Fraktion DIE LINKE fordert für Praktika während Ausbildung oder Studium mindestens 300 Euro im Monat, nach abgeschlossener Ausbildung oder Studium den branchenüblichen Lohn.

Im Gegensatz zur Bundesregierung haben Klaus Ernst und die Fraktion DIE LINKE in der aktuellen Legislaturperiode eine parlamentarische Initiative gestartet, um den Missbrauch von Praktika zu stoppen. Der Antrag kann hier eingesehen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/041/1704186.pdf

Ich hoffe Ihnen mit meiner Antwort weiter geholfen zu haben.

Mit freundlichem Gruß
Björn Resener

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