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Klaas Hübner
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Frage von Arne Z. •

Frage an Klaas Hübner von Arne Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hübner,

ich gebe zu dass es mich nicht überrascht hat dass Sie trotz gegenteiliger Faktenlage kurz vor dem Wahlkampf für das Zugangserschwerungsgesetzt gestimmt haben. Was mich jedoch sehr schockiert ist die Abgebrühtheit mit der, auch von der SPD, vorgegangen wurde.
Erst 2 Tage zuvor endete die, durchaus sehr erfolgreiche, Petition gegen dieses Gesetz mit mehr als 134.000 Mitzeichnern. Offensichtlich hat sie jedoch rein gar nichts bewirkt, die Parteien hinter dem Gesetz haben sich nicht darum gekümmert, weder SPD noch CDU. Nun frage ich mich wie sie mit solch einem Verhalten den Glauben in die Wirksamkeit solcher Protestwege und vor allem den Glauben in die Demokratie erhalten wollen? Warum wurde die Abstimmung nicht verschoben und zuerst einmal die kritisierten Punkte hinterfragt? Vor allem interessiert mich jedoch was sie ganz persönlich davon überzeugt hat das richtige zu tun indem sie diesem Gesetz zustimmen? Wie haben sie sich außerhalb ihrer Partei informiert, und haben sie sich überhaupt differenziert informiert?

Mit freundlichen Grüßen,

Arne Zachlod

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zachlod,

die Petition „keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ hat durchaus etwas bewirkt. SPD-Vertreter haben sich vor der Gesetzesfassung mit Vertretern der Petenten getroffen und deren Kritikpunkte aufgenommen. Des Weiteren hat die Anhörung im Bundestag Kritik aus Expertenkreisen gezeitigt und auch viele Politiker der SPD haben von vorn herein Änderungsbedarf am ursprünglichen Gesetzesentwurf von Bundesfamilienministerin von der Leyen angemeldet. Diese Kritik aufnehmend hat die SPD in den parlamentarischen Beratungen erhebliche Änderungen am Gesetzesentwurf durchgesetzt:

1. *Löschen vor Sperren*: So hat die SPD den Grundsatz „Löschen vor Sperren“ durchgesetzt, wonach eine Sperrung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornographischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verursacher nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend sind.
2. *Kontrolle der BKA-Liste*: Die Neuregelung nimmt ferner den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dessen Mitglieder die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen.
3. *Datenschutz*: Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
4. *Spezialgesetzliche Regelung*: Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.
5. *Befristung*: Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.

Ich halte diesen Vorgang für ein gutes Beispiel dafür, wie Politik auf Kritik aus der Gesellschaft reagiert, diese aufnimmt und umsetzt. Beim Lesen der zahlreichen Zuschriften, die mich derzeit zu diesem Thema erreichen, entstand bei mir der Eindruck, dass die durchgesetzten Änderungen nicht wahrgenommen werden, sondern dass die bloße Existenz einer Sperr-Infrastruktur in staatlicher Hand als Türöffner für eine umfassende Zensur des Internets gewertet wird. Das Ausmaß dieses Misstrauens überrascht mich, gerade angesichts der Tatsache, dass Anwender im Internet kommerziellen Anbietern eine Fülle von Informationen zur Verfügung stellen. Ich finde dies ist Ausdruck einer gewissen Unverhältnismäßigkeit.

Persönlich halte ich es für richtig, dass Seiten mit kinderpornographischen Inhalten gelöscht, oder wenn dies nicht möglich ist, gesperrt werden. Die Befürchtung, dass die Systeme zur Sperrung der betroffenen Seiten für anti-demokratische oder die freie Meinungsäußerung einschränkenden Zwecke missbraucht werden könnten, teile ich nicht.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Es ist eine diffizile Aufgabe, die notwendige Strafverfolgung und Ächtung krimineller Handlungen im Internet zu organisieren, ohne das Internet zu beschneiden. Wir brauchen deshalb weiterhin eine Debatte darüber, wie wir dies staatlich organisieren wollen. Ich würde mich freuen, wenn die Internet-Community konstruktiv daran mitwirken würde.

Mit freundlichen Grüßen

Klaas Hübner, MdB