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Kerstin Müller
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Frage von Markus W. •

Frage an Kerstin Müller von Markus W. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Müller

Die regierenden Parteien tragen hierfür die Verantwortung!
Das Kapitel Mehdorn - Tiefensee scheint einer Lösung seit Jahren überfällig. Im bürgerlichen Rechtsempfinden gibt es hierfür eine landläufige Redewendung “Mitgehangen, mitgefangen”. Seit Jahren segnet ein Minister Tiefensee jeden noch so kümmerlich, dämlichen Privatisierungsvorschlag eines Herrn Mehdorns ab, statt sich der, sich in ihren Ergebnissen gleichenden, Vorschläge zahlloser Expertenkommissionen zu bedienen. Jetzt aber scheint der Zenit überschritten. Während tausende von Fahrgästen täglich in den Genuss von Verspätungen, völlig überfüllter Züge und verpasster Anschlüsse kommen, und das wohl noch bis Weihnachten, genehmigen sich Mehdorn und Konsorten, vom Eigentümer völlig unkontrolliert?, satte Provisionen für sichtbar gute Leitungen? Das geschieht ganz im Stile der Kollegen aus der Bankenbrache, gerade so als stünde jene dreiste Selbstbedienung nicht aktuelll am Pranger ! Die Verantwortung für die jetzt sichtbar gewordenen Mängel am ICE ausschließlich auf andere zu schieben ist wohlfeil und lenkt davon ab, dass seit Jahren systematisch Einsparungen an der Wartung und eine Verlängerung der Wartungsintervalle betrieben wurde. Wann handelt die Politik oder bleibt dies dem Souverän bei der nächsten Wahl vorbehalten?

Mit freundlichem Gruss
Markus Wolf

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wolf,

vielen Dank für Ihre Email. Ihre Bedenken teilen wir.

Die Affäre um die Sonderboni und die Sicherheitsprobleme im ICE-Verkehr bauen auf einer langen Geschichte von Versagen in der Bahnpolitik der Großen Koalition auf.

Schon seit Tiefensees Amtsbeginn ist klar, dass der geplante Börsengang der Bahn nicht vom Verkehrsministerium gesteuert wird, sondern von dem zu privatisierenden Unternehmen selbst: der Deutschen Bahn AG. Die Bahnpolitik wird im Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin gemacht und nicht im Verkehrsministerium. Der Bundesverkehrsminister ist allenfalls der Heizer im Börsenzug von Lokomotivführer Hartmut Mehdorn gewesen.

Zunächst hat sich der Minister für eine Privatisierung der DB AG mit Schienennetz stark gemacht, von der er unter dem Druck der SPD-Basis wieder abrücken musste. Ein Gesetzentwurf aus seinem Haus zur Bahnprivatisierung wurde vor einem Jahr in den Deutschen Bundestag eingebracht, ohne dass er je beraten wurde. Stattdessen verkündete der Minister im Frühjahr, es bräuchte für die Teilprivatisierung keine gesetzliche Grundlage.

Minister Tiefensee ist politisch nahezu handlungsunfähig. Wichtige Entscheidungen wie die Frage des Börsengangs werden ohne ihn entschieden. Seine Autorität im Ministerium ist durch die Entlassung schon des zweiten beamteten Staatssekretärs in neun Monaten, der seinen Kopf für den Minister hinhalten musste, komplett untergraben. Er ist daher als Minister nicht länger tragbar. Daher hat die Grüne Bundestagsfraktion im November einen Antrag zur "Missbilligung der Amtsführung und Entlassung von Bundesminister Wolfgang Tiefensee" ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/109/1610918.pdf ) in den Bundestag eingebracht.

Ebenso wie Sie, haben wir den Eindruck, dass bei der Deutschen Bahn AG in den letzten Jahren zunehmend Hochgeschwindigkeit vor Sicherheit geht. Unfälle im Hochgeschwindigkeitsverkehr, Risse in den ICE-Achsen und ein mangelhaftes Katastrophenmanagement belegen, dass die DB AG zu wenig für die Sicherheit tut. Angesichts des Börsengangs hat die Deutsche Bahn AG offenbar auch auf diese Weise versucht, das Maximale herauszuholen. In der Folge sind die Kundinnen und Kunden mit dem Ausfall von Zügen, Verspätungen und überfüllten Zügen konfrontiert. Das ist für uns Grüne nicht hinnehmbar.

Wir wollen auf Dauer ein gutes, preisgünstiges und zuverlässiges Verkehrsangebot auf der Schiene – für alle Reisenden ebenso wie für Gütertransportkunden.

Nach der verkorksten Bahnprivatisierungs-Diskussion der letzten Jahre brauchen wir einen Neuanfang in der Bahnpolitik mit frischen Ideen und neuen Köpfen. Die Infrastruktur des Schienenverkehrs muss dauerhaft im öffentlichen Eigentum bleiben. Gleisnetz, Bahnhöfe, Energieversorgung und Fahrkartenvertrieb sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und dürfen auch nicht indirekt dem Einfluss privater Investoren ausgesetzt werden.

Wir wollen mehr Verkehr auf der Schiene, und wir wollen den Umweltvorsprung des Schienenverkehrs gegenüber Auto, Lkw und Flugzeug ausbauen. Dazu braucht es faire Rahmenbedingungen. Die Subventionierung des Luftverkehrs mit Steuerbefreiungen beim Kerosin und bei der Mehrwertsteuer auf Auslandsflüge wollen wir abschaffen. Die Lkw-Maut wollen wir schrittweise erhöhen und auf das gesamte Straßennetz ausdehnen sowie Kleinlaster ab 3,5 Tonnen in die Bemautung einbeziehen.

Das Problem des knapper und teurer werdenden Rohstoffs Öl zwingt uns, den Personen- und Güterverkehr auf der Schiene auszuweiten und alternative Mobilitätsformen mit einem hohen Schienenanteil und einer besseren Vernetzung von Schiene und Straße zu entwickeln. Wer langfristig Mobilität für alle Bürger erhalten will, muss jetzt die Weichen für mehr Schienenverkehr stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Müller, MdB