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Katrin Göring-Eckardt
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Frage von markus s. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von markus s. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Katrin Göring-Eckhardt,ein Pfarrer missbraucht eine Konfirmandin, als Oberkirchenrat missbraucht er später mehrere Mitarbeiterinnen im Landeskirchenamt. Eine der Frauen bittet den Bischof um Hilfe, aber es passiert nichts. Jahrzehnte später erst kommt es zu einem Disziplinarverfahren, der Ruhestands-Oberkirchenrat wird aus dem Dienst der bayerischen Landeskirche entfernt. Doch dieses Urteil hat nun ein Berufungsgericht der EKD kassiert - und damit eventuell einen Präzedenzfall geschaffen.(Aktenzeichen 0125/1-11). Wie wollen sie das der Öffentlichkeit erklären und was gedenken sie zu unternehmen?

Mit freundlichen Grüßen M.Sareika

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Sreika,

danke für Ihre Mail. Sie nehmen darin Bezug auf das Disziplinarverfahren, das durch die Ev.-Luth. Kirche in Bayern eingeleitet und durch die Disziplinarkammer der Ev.-Luth. Kirche in Bayern als Disziplinargericht in erster Instanz dahingehend beendet wurde, dass der beschuldigte Oberkirchenrat aus dem Dienst entfernt werden soll. Gegen dieses Urteil hat der Beschuldigte Berufung beim Disziplinarhof der EKD als zweit- und damit letztinstanzliches Disziplinargericht eingelegt, der abschließend entschieden hat. Der Disziplinarhof bemerkt in der Urteilsbegründung: "Disziplinarrecht und Strafrecht von unterschiedlichen Zwecken geprägt. Die Kriminalstrafe dient - neben der Abschreckung und Besserung - der Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden. Im Strafrecht wird damit - anders als im Disziplinarrecht - in erster Linie ein gesellschaftliches Unwerturteil ausgesprochen. Es unterscheidet sich daher sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme, welche - im staatlichen Disziplinarrecht - an einen Vertrauensverlust anknüpft und darauf ausgerichtet ist, einen geordneten und integeren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995, BVerwGE 103, 233). Erforderlich ist daher stets eine Prüfung, ob der hinter dem Disziplinarrecht stehende Zweck die Verhängung einer entsprechenden Disziplinarmaßnahme gebietet. (...) Die auszusprechende Disziplinarmaßnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Amtspflichtverletzung stehen und zur Realisierung der mit dem Disziplinarrecht verfolgten Zwecke geeignet und erforderlich sein." ( http://www.kirchenrecht-ekd.de/showdocument/id/27195 ) Im Rahmen dieser Abwägung hielt der Disziplinarhof die Entfernung des Beschuldigten aus dem Dienst nicht für verhältnismäßig. Auch wenn dieses Urteil nicht mit einem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden in Einklang zu bringen sein mag, so ist es doch als letztinstanzliche Entscheidung zu respektieren.

Unabhängig von dieser Entscheidung, die keinen Präzedenzfall darstellt, hält die EKD an ihrem mit den Gliedkirchen erarbeiteten Konzept fest. Sollte es trotz klarer Regeln und Standards zu sexualisierter Gewalt durch kirchliche Mitarbeitende kommen, wird dagegen konsequent vorgegangen und sofern die Schwere der Tat dies angezeigt sein lässt, wird auch bei lange zurückliegenden Missbrauchstaten ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Dies ist erklärtes Ziel aller evangelischer Landeskirchen und ihrer Zusammenschlüsse.

Die EKD setzt sich dafür ein, die Empfehlungen des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch innerkirchlich voranzutreiben. Sie unterstützt die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, um das Thema nachhaltig im Bewusstsein zu verankern und den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt in kirchlichen Zusammenhängen zu sichern. Weiterführende Hinweise finden Sie unter: http://www.ekd.de/missbrauch

Mit freundlichen Grüßen,
Büro Katrin Göring-Eckardt

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