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Katrin Göring-Eckardt
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Frage von Michael H. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Michael H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Fr. Göring-Eckardt,
Sie schrieben am 29.07.2008 „Homosexualität bedarf keiner Korrektur, noch ist sie durch Therapie überwindbar.“ Ich habe eine Frage zum zweiten Teil ihrer Aussage, denn Menschen wie Markus Hoffmann (1), Michael Gerlach (2) oder Michael Glatze (ehem. Gründer von „Young Gay America“) (3) haben es anders erlebt und der Psychologe und Redakteur von „Psychology Today“ Robert Epstein berichtet von einem weiteren Fall (4). Auch der Abgeordnete der UK Green Party, der homosexuelle Peter Tatchell, widerspricht in einem sehr lesenswerten Artikel der Theorie einer rigiden sexuellen Vorherbestimmtheit: „The evidence does not support the idea that sexuality is a fixed biological given“ (5). Dementsprechend sagt der frühere Präsident der APA (2004) Robert Perloff (6): "Einen Psychotherapeuten, der einen Klienten mit Konversionswunsch begleiten möchte, davon abzuhalten, ist Anti-Forschung, Anti-Wissenschaft und antagonistisch zur Suche nach Wahrheit". Studien belegen ebenfalls, dass es Konversionen gibt, wenn auch nur im unteren zweistelligen Prozentbereich (7).
Für mich passen Ihre obige Aussage und die der genannten Betroffenen, Experten, Politiker und Wissenschaftler nicht zusammen. Können Sie mir bitte helfen, diesen Widerspruch aufzulösen und zu begründen, warum ihre Meinung dir richtige ist? Quellen, die eine 0% Konversions-Chance Änderungswilliger bescheinigen, wären dabei äußerst hilfreich.
Mit freundlichen Grüßen
M. H.

Quellen:
(1) www.hv-cv.de/21.html
(2) www.ojc.de/392.html
(3) www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3937&cob=336379
(4) www.wissenschaft-online.de/artikel/853545
(5) www.petertatchell.net/gay%20gene/borngay.htm
(6) http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Perloff, Quelle [7]
(7) www.narth.com/docs/PhelanReportSummaryFact.pdf

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Horn,

danke für Ihre Nachfrage. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf die Antwort der Bundesregierung hinweisen, die sie auf die Anfrage der grünen Bundestagsfraktion gegeben hat. Sie können das Dokument aufrufen unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/16/080/1608022.pdf „Die Bundesregierung vertritt weder die Auffassung, dass Homosexualität einer Therapie bedarf, noch dass Homosexualität einer Therapie zugänglich ist. Homosexualität wird seit über 20 Jahren von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler aus Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie nicht als psychische Erkrankung angesehen. Dementsprechend wurde die Homosexualität bereits im Jahre 1974 von der amerikanischen Psychiatervereinigung (APA) aus ihrem Diagnoseklassifikationssystem „Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen“ (DSM) und im Jahre 1992 aus dem Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (Internationale Klassifikation der Krankheiten, ICD) gestrichen. In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachwelt hat sich seither die Position durchgesetzt, dass die früher weit verbreitete psychoanalytische Auffassung von Homosexualität als pathologisch zu beurteilender Störung der psychosexuellen Entwicklung durch empirische Daten nicht gestützt wird.

Die vor allem in den 60er und 70er Jahren häufig angebotenen so genannten „Konversions“- oder „Reparations“-Therapien, die auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder der homosexuellen Orientierung abzielten, werden heute in der Fachwelt weitestgehend abgelehnt. Dies gründet sich auf die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen, nach denen bei der Mehrzahl der so therapierten Personen negative und schädliche Effekte (z. B. Ängste, soziale Isolation, Depressionen bis hin zu Suizidalität) auftraten und die versprochenen Aussichten auf „Heilung“ enttäuscht wurden. Für therapeutische Hilfen aus dem Bereich der so genannten affirmativen Therapien konnte dagegen ein Nutzen im Sinne einer geringeren Anfälligkeit bezüglich psychischer Erkrankungen nachgewiesen werden. Bei diesem Ansatz geht es um die unterstützende therapeutische Begleitung der Entwicklung der sexuellen Identität, die Integration der sexuellen Orientierung in das Selbstbild und die Stärkung des Selbstwertgefühls des Klienten. Wenn so genannte Konversionstherapien durch Organisationen oder Gruppierungen angeboten und beworben werden, so können hier unterschiedliche, meist religiöse oder weltanschauliche Motive eine Rolle spielen, die sich einem empirisch-wissenschaftlichen Ansatz entziehen.“

Mit vielen Grüßen,
Katrin Göring-Eckardt

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