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Katja Dörner
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Frage von Jan L. •

Frage an Katja Dörner von Jan L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dörner,

vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage vom 29.6.2017.

Leider gehen Sie auf meine Fragen nicht direkt ein - Ihre persönliche Position, sowie radikal-islamische Tendenzen gehen aus dem verlinkten Entschließungsantrag nicht direkt hervor – auch wird kaum Bilanz aus 18 Jahren KFOR-Einsatz gezogen.

Für die Wahlentscheidung bei der anstehenden Bundestagswahl ist es für mich wichtig zu wissen, wie sie als Direktkandidatin in meinem Wahlkreis und aussichtsreiche Listenkandidatin in NRW die Diskussion und Entscheidungsfindung auch Ihrer Fraktion im Bundestag gestalten.
Da Sie am 22.6. für den KFOR-Einsatz gestimmt haben, vermute ich, dass Sie sich auch künftig im Bundestag bei ähnlichen Themen vergleichbar einbringen. Was ist daher Ihre Meinung zu den folgenden Punkten?

1) Der Einmarsch der KFOR-Truppen erfolgte vor 18 Jahren - die Situation im Kosovo nach der NYTimes desolat. Wie bewerten Sie den Erfolg der deutschen Kriegsbeteiligung?

2) Die NYTimes schreibt "The Balkans, Europe’s historical fault line, have yet to heal from the ethnic wars of the 1990s. But they are now infected with a new intolerance, moderate imams and officials in the region warn."

Stimmen Sie die Bewertung "fault line" in Bezug auf das Kosovo zu? Falls ja, welche Fehler sehen sie in der deutschen Außenpolitik - welche in der Ihrer Partei (insb. auch 1999)?

3) In welchen Konflikten und Ländern soll sich Deutschland in der kommenden Legislaturperiode militärisch engagieren?

Ich möchte ich Sie damit nochmals bitten, zu folgenden Fragen persönlich und direkt Stellung zu beziehen.

Vielen Dank im Voraus,
mit freundlichen Grüßen
Jan Lühr

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lühr,

die KFOR-Truppe ist eine von der NATO geleitete internationale Sicherheitspräsenz, die unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen erst nach dem Ende der Luftschläge gegen Serbien in Kosovo aufgebaut wurde. Das Mandat der KFOR-Truppe beruht auf der Resolution des UN-Sicherheitsrats 1244 vom 10. Juni 1999, die u.a. Einrichtung einer von der VN geleiteten Übergangsverwaltung (UNMIK) und eine internationale Sicherheitspräsenz für das Kosovo vorsieht, der auch das damalige Jugoslawien zustimmte. Die Aufgaben der KFOR-Mission sind laut Resolution: Entwaffnung der Kosovo-Befreiungsarmee, Abschreckung von neuer Gewalt, Schaffung eine sicheren Umfeldes, Minenräumung, Grenzsicherung usw. Die KFOR-Truppe hat diese Aufgaben weitgehend erfolgreich erfüllt. Größere Gewaltausbrüche konnten seit 1999 verhindert oder in ihrer Entstehung früh und schnell eingedämmt werden.

Angesichts wiederholter Provokationen, vereinzelter Gewaltakte und Übergriffe in der jüngeren Vergangenheit bleibt das Eskalationspotential jedoch hoch. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass serbische Extremisten und Angehörige der organisierten Kriminalität erneut Gewalt anwenden, um die Umsetzung des ersten Abkommens zwischen Kosovo und Serbien vom 19. April 2013 zu behindern. Wiederholt kam es seit Unterzeichnung des Abkommens zu Provokationen und Gewalt, die sich gegen eine Annäherung zwischen Kosovo und Serbien richteten. Wir sehen die Provokationen auch von serbischen Regierungsstellen und Gewalt, die sich gegen eine Annäherung der albanisch- und serbischstämmigen Bevölkerungsgruppen richten, mit größter Sorge. Deshalb bleibt nach unserer Ansicht die Präsenz der KFOR-Truppe weiterhin notwendig.
Eine Sicherheitspräsenz wie KFOR ersetzt nicht die Politik, die in Kosovo und der gesamten Region dringend notwendig wäre. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ruhe auf dem Westbalkan trügerisch ist, weil die vielfältigen Konflikte und Spannung in der Region weiter ungelöst bleiben. Konflikte und Proteste könnten in diesem Umfeld auch angesichts der massiven sozialen Missstände unvermittelt in Gewalt umschlagen und unberechenbare Kettenreaktionen über Ländergrenzen hinaus nach sich ziehen. Unsere Fraktion weist deshalb seit geraumer Zeit und zuletzt auch in der KFOR-Debatte vom 22. Juni 2017 auf die bestehende Gefahrensituation auf dem Westbalkan hin. Eine erneute Krise in dieser Region hätte direkte und weitreichende Folgen auch für ganz Europa. Deshalb fordern wir ein deutlich stärkeres Engagement der deutschen Außenpolitik, die sich gemeinsam mit den Partnern in der EU mit Nachdruck für die Beilegung der Spannung und Konflikte in der Region einsetzen muss.

Die aktuelle Situation in Kosovo und der gesamten Region ist nicht befriedigend. Zum einen mussten wir lernen, dass Tranformationsprozesse und Aufbau demokratischer Institutionen wesentlich länger dauern, als wir erhofft haben. Zum anderen hat die internationale Gemeinschaft die weitgehende Ruhe als Stabilität missverstanden und auch angesichts anderer drängender Krisen in der Welt dem Westbalkan nicht mehr die politische Aufmerksamkeit geschenkt, die nötig gewesen wäre. Die Instrumente der EU-Erweiterungspolitik sind wichtige Anreize für Rechtsstaatsreformen die in Slowenien und Kroatien zu Erfolgen geführt haben. Sie sind aber nicht dazu gedacht, schwere Spannungen und Konflikte zu lösen und können deshalb aktives außenpolitisches Engagement nicht ersetzen. Die Westbalkanpolitik von Bundesregierung und EU braucht deshalb einen entschlossenen Neuanfang. Dazu gehört auch, das Versprechen für eine Beitrittsperspektive zur EU zu erneuern und wieder greifbar zu machen. Dies alles sind nicht die Aufgaben von KFOR. Das Ausbleiben entschiedener Politik dürfen wir den Soldatinnen und Soldaten, die im Kosovo einen wichtigen Dienst leisten, nicht anlasten.

Der wachsende Einfluss des Wahabismus und politischen Islam auch – aber nicht nur – auf dem Westbalkan eine beunruhigende Entwicklung. Tatsächlich versucht der Wahabismus weltweit seinen Einfluss unter Musliminnen und Muslimen zu vergrößern. Das geschieht auf dem Westbalkan ebenso wie anderenorts vorwiegend über den Bau großzügig finanzierter Moscheen, die über kostenlosen Sozialarbeit versucht, sich Zugang zur und Gehör in der muslimischen Bevölkerung zu verschaffen. Diese Versuche sind umso erfolgreicher, je weniger sich staatliche Institutionen der sozialen Not der Bevölkerung annehmen.

Aber auch andere externe Akteure wie Russland und die Türkei sind in der Region zunehmend mit neuen Ansprüchen auf Einflussnahme wirtschaftlich, politisch und medial aktiv. Sie befördern teilweise polarisierende und extremistische Kräfte und stellen damit einen Risikofaktor für eine weitere Destabilisierung dar. Die unklarer werdende Beitrittsperspektive zur EU eröffnen Resonanzräume für radikale und destruktive Kräfte.

So beunruhigend die religiöse Radikalisierung einer Minderheit von Muslimen auf dem Westbalkan auch ist, dürfen wir nicht gesamte muslimische Bevölkerung in Kosovo und den Nachbarländern dafür in Haftung nehmen. Die übergroße Mehrheit von ihnen steht für einen sehr moderaten Islam, für ein Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat und westliche Werte. Wir müssen die Radikalisierungstendenz einer glücklicherweise immer noch sehr kleinen Gruppe von Muslimen in Kosovo wie auch in Deutschland aufmerksam beobachten und Gegenmaßnahme ergreifen. Dazu gehört auch, der dramatische soziale Lage der Menschen aber auch dem Gefühl entgegen zu wirken, von der europäische Integration abgeschnitten und im christliche Europa nicht gewollt zu sein.

Bündnis 90/Die Grünen haben seit 1999 viele Diskussionen über die internationale Schutzverantwortung und die Grenzen der Anwendung von Gewalt geführt. Ihre Frage bezüglich zukünftiger Konflikte kann ich naturgemäß nicht beantworten. Deutschland sollte sich nur dort militärisch engagieren, wo es gilt, Gewalt an ZivilistInnen unmittelbar abzuwehren. Das setzt voraus, dass andere Maßnahmen und Instrumente bereits versagt haben. Wir wollen aber gerade diese stärken. Für uns steht die Vermeidung von Krisen im Vordergrund. Dazu brauchen wir viele Polizist*innen, Mediator*innen, Friedensfachkräfte und andere zivile Helfer*innen, die frühzeitig bei drohenden Konflikten vermitteln können. Daran mangelt es bis heute, weil keine Bundesregierung seit rot-grün in den Ausbau dieser zivilen Infrastruktur investiert hat. Alles was in Deutschland existiert, der zivile Friedensdienst, das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, das Deutsche Institut für Menschenrechte u.a. wurde unter rot-grün gegründet. Diese Einrichtungen wollen wir weiter stärken. Die jetzige Bundesregierung tut es nicht. Das haben wir gerade an der Verabschiedung der „Leitlinien“, dem neuen Grundlagendokument der Bundesregierung zu ihrem Krisenengagement gesehen, das in keiner Weise den Vorrang von Zivil betont.

Was Ihre Anspielung auf die Rolle meiner Partei bei den Nato-Luftschlägen gegen Serbien angeht, möchte ich Sie gern auf den Bericht der Friedens- und Sicherheitspolitischen Kommission von Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Thema hinweisen, den ich Ihnen gern unten im Auszug zur Kenntnis gebe.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Dörner

Grüne Kosovo-Politik begann nicht erst 1999. Die BÜNDNISGRÜNEN gehörten zu den viel zu wenigen Kräften in Europa, die sich in der frühen Konfliktphase für die Menschenrechte im Kosovo einsetzten, den gewaltfreien Widerstand der Kosovo-AlbanerInnen unterstützten und Vorschläge zu einer friedlichen Konfliktlösung machten. Mit dieser Politik der zivilen Krisenprävention blieben die GRÜNEN bis Ende der Legislaturperiode 1998 bei der Kohl-Kinkel-Regierung ohne Gehör.
Als mit der Bundestagswahl erstmalig eine rot-grüne Koalition möglich wurde, hatte sich die politische und humanitäre Situation im Kosovo schon blutig zugespitzt. Zugleich war die bündnisgrüne Partei wenig auf die ganz anderen Handlungsmöglichkeiten und –zwänge einer Außenpolitik in Regierungsverantwortung vorbereitet.
Die Entscheidung der neuen Koalitionsparteien SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zur Abwehr der von VN-Generalsekretär Kofi Annan befürchteten „humanitären Katastrophe“ im
Oktober 1998 die NATO-Androhung von Luftangriffen gegen Serbien mitzutragen, war nicht durch ein Mandat des VN-Sicherheitsrates legitimiert – allerdings scheiterte auch ein Versuch Russlands, die spätere Militäraktion im Sicherheitsrat zu verurteilen.
Die Kosovopolitik der jungen rot-grünen Bundesregierung war geprägt von dem doppelten Willen, unbedingt ein erneutes europäisches Versagen wie beim Bosnien-Krieg zu vermeiden und zugleich alles für eine friedliche Lösung zu tun. Dass es dann nach vielen Monaten eines „kleinen Krieges“ im Kosovo schließlich mit den NATO-Luftangriffen doch zum großen Krieg kam, hatte mehrere Ursachen:

An erster Stelle die kriegstreiberische Politik des Milosevic-Regimes; aber auch die Provokationen der mit Terror agierenden UCK; die langjährige Ignoranz der Staatengemeinschaft gegenüber dem Kosovo-Konflikt; die russische Rückendeckung für Milosevic und die Blockadehaltung Chinas und Russlands im VN-Sicherheitsrat; die vorschnelle Fixierung des Westens auf die NATO und die Vernachlässigung von Lösungen mit Hilfe der VN; die personelle Schwäche der großen OSZE-Beobachtermission KVM 1998/1999.
Die von einem grünen Minister geführte deutsche Außenpolitik und die ihn stützende Bundestagsfraktion standen in einem Dilemma zwischen Schutz vor schwersten Menschenrechtsverletzungen auf der einen Seite und Achtung des VN-Mandatsgebots für Militäreinsätze auf der anderen Seite. Es war legitim, dass dabei auch der Erhalt der Regierungskoalition und damit die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der GRÜNEN sowie der Zusammenhalt des westlichen Bündnisses eine Rolle spielten.
So richtig der Wille war, nach den Erfahrungen mit der mörderischen Politik des Milosevic- Regimes ein zweites Bosnien nicht zuzulassen, so schädlich war es für die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Kosovopolitik, dabei teilweise moralisch zu überziehen. Manipulationsvorwürfe gegen den damaligen Verteidigungsminister Scharping blieben im Raum stehen.
Die deutsche Beteiligung am NATO-Luftkrieg gegen Serbien basierte auf einem „Vorratsbeschluss“ des Bundestages vom Oktober 1998. Vor und während des Luftkrieges war die parlamentarische Kontrolle massiv eingeschränkt.
Außenminister Fischer konnte den Krieg nicht verhindern. Allerdings trug er mit dem sogenannten „Fischer-Plan“ wesentlich dazu bei, eine Eskalation in einen Bodenkrieg zu vermeiden und den Weg für den Waffenstillstand zu ebnen. Diese herausragende diplomatische Rolle war wohl auch für die Delegierten des Sonderparteitages von Bielefeld im Mai 1999 ausschlaggebend, bei deutlicher Kritik an der Art der NATO-Kriegführung mehrheitlich die deutsche Kosovo-Politik zu billigen. Viele Mitglieder konnten den abrupten Kurswechsel der NATO- und militärkritischen GRÜNEN in der Regierungsverantwortung jedoch nicht nachvollziehen und verließen die Partei.
Das Ergebnis der NATO-Luftangriffe war ernüchternd und zwiespältig: Das erwartete schnelle Einlenken Milosevics blieb aus, die drohende humanitäre Katastrophe konnte unmittelbar nicht verhindert werden, im Gegenteil. Die serbische Seite beschleunigte zunächst ihre schon länger geplante Vertreibungspolitik. Letztendlich konnte die Vertreibung der Kosovo-AlbanerInnen aber wieder rückgängig gemacht und eine befürchtete schleichende Totalvertreibung der Kosovo-AlbanerInnen verhindert werden. Als nach der Niederlage Serbiens neben der Flucht von serbischen Gewalttätern auch Vertreibungen von Kosovo-SerbInnen einsetzten, konnte die VNmandatierte KFOR-Truppe der NATO diese erst mit der Zeit stoppen. Die inzwischen erheblich reduzierte KFOR war seitdem unverzichtbar, um ein Wiederaufleben von Gewalt zu verhindern und Zeit zu schaffen für politische Lösungen.
Der Kosovo-Krieg zwischen dem 24. März und 19. Juni 1999 kostete im Kosovo insgesamt ca. 10.000 Menschen das Leben, der weitaus größte Teil davon waren Kosovo-AlbanerInnen, die serbischen Kräften zum Opfer fielen. Laut Human Rights Watch wurden durch die NATO Luftangriffe ca. 500 ZivilistInnen getötet. Die Jugoslawische Armee zählte 600 Tote, davon die Hälfte durch Kämpfe mit der UCK. In den drei Monaten gab es 590.000 interne und 860.000 externe Flüchtlinge bzw. Vertriebene. Hinzu kamen erhebliche materielle Zerstörungen im Kosovo und in Serbien.
Der Kosovo-Krieg taugt nicht als Präzedenzfall. Aus ihm mussten vor allem Lehren gezogen werden. Initiativen der Bundestagsfraktion zu einer öffentlichen und selbstkritischen Aufarbeitung des Kosovokrieges fanden bei der Bundesregierung kein Gehör. Damit wurde einer nachträglichen Delegitimierung der deutschen Kosovopolitik Vorschub geleistet. Nichtsdestoweniger wurden in der politischen Praxis mehr Lehren gezogen, als gemeinhin bekannt ist: Mit dem wesentlich von Deutschland aus angestoßenen Stabilitätspakt entwickelte die EU erstmalig ein Programm grenzüberschreitender wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Friedenskonsolidierung.
In den Fällen Montenegros, des Presevotals und Mazedoniens wurden in den Jahren 2000/ 2001 jeweils erfolgreich kriegerische Eskalationen verhindert – durch kohärentes Krisenmanagement von EU, NATO und OSZE, durch den strikten Vorrang politischer Lösungen und die Betonung der Primärverantwortung der Konfliktparteien. Die zunächst mit dem Entwaffnungseinsatz in Mazedonien verbundenen Befürchtungen bestätigten sich nicht. Hier wurde nicht weniger als ein dritter Balkankrieg verhindert!
Angesichts der Strittigkeit des Kosovo-Einsatzes legte Rot-Grün in den Folgejahren besonderen Wert auf die klare völkerrechtliche Legalität, also VN-Mandatierung von Auslandseinsätzen.
Rot-Grün forcierte den Aufbau einer Infrastruktur für zivile Konfliktbearbeitung, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Koalitionsvertrag verankert worden war.
Die EU baute im Rahmen der ESVP neue Fähigkeiten eines zivilen und militärischen Krisenmanagements auf, um wenigstens bei Krisen vor der eigenen Haustür selbst handlungsfähig und nicht weiter von einer wenig beeinflussbaren US-Politik abhängig zu sein. Wenn die EU seit einigen Jahren mit eigenen militärischen und vor allem polizeilichen und zivilen Missionen maßgeblich und erfolgreich zur Friedenssicherung in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und anderen Krisenregionen wie Aceh beiträgt, dann sind das wesentliche Lehren aus dem Kosovo-Krieg.
Kritisch ist zugleich festzustellen, dass es der Außen- und Sicherheitspolitik der EU immer wieder an gemeinsamem Willen, an Kohärenz, Ausdauer und Fähigkeiten mangelt: Im Schatten anderer Weltkonflikte wurde der Kosovo zu einem „eingefrorenen Konflikt“, der im März 2004 explodierte und auch mit der Unabhängigkeitserklärung noch keineswegs gelöst ist.
Die Erfahrungen mit der Regierungsverantwortung führten zu einem anderen Verständnis des Grundwertes Gewaltfreiheit: Wo grüne Mitverantwortung für das staatliche Gewaltmonopol und den Schutz der Bevölkerung vor illegaler Gewalt tragen, ist prinzipielle Gewaltfreiheit nicht durchhaltbar. Gewaltfreiheit bleibt aber ein Grundwert auch für staatliche Politik: als Gewaltprävention, als Schutz vor illegaler Gewalt, als Minimierung rechtsstaatlicher Gewalt und als Politik gegen Gewaltursachen. Uns ist bewusst, dass Gewalt nur zu leicht Gegengewalt hervorruft und dazu neigt, sich zu verselbstständigen.