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Karin Rogalski-Beeck
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Frage von Gottfried B. •

Frage an Karin Rogalski-Beeck von Gottfried B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

G o t t f r i e d B r a n d s t ä t e r

An die Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft

Frau Karin Rogalski-Beeck

Sehr geehrte Frau Rogalski-Beeck!

Wie wir kürzlich in der Presse gelesen haben, werden die Schulleiter zur Namensnennung von Kindern verpflichtet, die nicht bei den deutschen Behörden gemeldet sind, aber dennoch die Schule besuchen. Das sind Kinder von Eltern, die sich illegal in der Stadt aufhalten, deren Zahl auf mehrere Tausend allein in Hamburg geschätzt wird. Es betrifft auch Kinder, die in Deutschland geboren sind, deren Geburt jedoch aus Angst vor möglicher Abschiebung standesamtlich nicht registriert worden ist.

Die geforderte Meldepflicht wird, wie zu befürchten ist, zur Folge haben, daß diese Kinder nicht mehr zum Schulunterricht erscheinen werden.
Nach dem Sozialpakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Art. 13, hat jedes Kind ein Recht auf Bildung. Da die Bundesrepublik sich zur Umsetzung dieser Rechte verpflichtet hat, sind die Länder als Träger der Kulturhoheit hier in der Pflicht.
Das gleiche Recht auf Bildung schreibt die Kinderechtskonvention in Art 28 vor.

Die neuerliche Meldepflicht stürzt viele Schulleiter in Gewissenskonflikte mit ihrem Berufsethos und wird dazu führen, daß diese Kinder in die Isolation abgedrängt werden.

Das bedeutet,
1)daß der Senat hier die allgemeinen Menschenrechte verletzt,

2) daß der Senat dazu Anlaß gibt, daß viele ungebildete Kinder und Familien herangezogen werden, die später zu einer Gefahr für sich selbst und für den Staat werden, weil sie nicht mehr integriert werden können.

Wir, die Unterzeichner, befürchten, daß mit der Nichtbeschulung illegaler Kinder der Grund zu Verzweiflungstaten oder kriminellen Handlungen gelegt werde. Beispiele aus Paris zeigen, was aus inkriminierten und nicht integrierten Familien werden kann.

Wir fragen daher, was Sie zu tun gedenken, daß die gefährdeten Kinder einen Status erhalten, der ihnen ermöglicht, angstfrei Kindergärten und Schulen zu besuchen, und menschenwürdig zu leben.

Wir hoffen, daß Sie sich bei Ihrer Antwort nicht darauf zurückziehen, daß der Senat sehr wohl die Meldung aller Kinder verlangen dürfe. Das steht außer Frage. Es geht uns um die politische Wirkung der o. g. Maßnahme.

Als eine weitere Frage schließen wir an, was Sie in Ihrer Tätigkeit im Ausschuß Familie Kinder und Jugend zu tun gedenklen, um weitere Fälle wie Jessika zu verhindern. Wir meinen, daß die Erhöhung der Zahl der Mitarbeiter in der Kinder und Jugendbildung unbedingt notwendig ist, damit eine intensive Betreuung der Kinder bereits im Kleinstkinderalter gewährleistet ist. So wird erreicht werden, daß Verweiflungstaten verhindert werden.

Auch hier erwarten wir, daß Sie sich mit Ihrer Antwort nicht auf fehlende Finanzen zurückziehen, solange noch Geld für Prestigeprojekte vorhanden ist.

Mit freundlichem Gruß Gottfried Brandstäter

Barbara Garde, Ingrid Schneider, Georg Behrmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Garde,
sehr geehrte Frau Schneider,
sehr geehrte Herren Behrmann und Brandstäter,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich empfinde es immer wieder als erfreulich, dass sich Menschen in Hamburg politisch engagieren, sich kümmern und sich besonders für die Belange der Kinder einsetzen.

Nun zu Ihren Fragen.

Die Einrichtung des Zentralen Schülerregisters ist eine der Folgerungen, die
das Parlament aus dem Fall ´Jessica ´ gezogen hat. Sie steht also
in engem Zusammenhang mit dem Problem Kindesvernachlässigung, zu dem Sie
mich in Ihrer Mail auch befragen (Näheres dazu weiter unten). Ich halte die
Einrichtung dieses Registers für richtig. Denn nur wenn die Verantwortlichen
in einer Schule wissen, welche Kinder in ihrem Einzugsbereich leben und die
Daten auch mit anderen Behörden abgeglichen werden können, ist überhaupt
feststellbar, wenn Eltern ihren Kindern den Schulbesuch vorenthalten.

Das Recht auf Bildung wird durch das Schülerregister nicht berührt. Denn alle Kinder sind - unabhängig von ihrem und ihrer Eltern aufenthaltsrechtlichem Status - schulpflichtig. Aber natürlich kann ich Ihre Befürchtungen nachvollziehen, dass illegal hier lebende Eltern ihre Kinder nach der Einrichtung des Zentralen Schülerregisters und dessen Abgleich mit dem Ausländerregister wohlmöglich nicht mehr zu Schule schicken. Und ich stimme ganz und gar mit Ihnen überein, dass das nicht geschehen darf. Die Lösung dieses Problems kann jedoch meiner Überzeugung nach nicht darin liegen, das Schülerregister nicht einzurichten oder den illegalen Aufenthalt der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu "übersehen".Denn damit wäre niemandem geholfen. Diejenigen, die die Betroffenen nicht melden würden, gerieten mit dem Gesetz in Konflikt und die Kinder selbst würde man in der Illegalität zu belassen.

Die SPD hat sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass Kinder und Jugendliche, deren Aufenthaltsgenehmigungen endeten, bis zum nächst höheren Schulabschluss hier bleiben bzw. eine begonnene Ausbildung zu Ende führen können. Ich würde es befürworten, wenn man dies im Zuge von Einzelfallentscheidungen auch für die Gruppe von sich hier illegal aufhaltenden Kindern und Jugendlichen ermöglicht, die durch die Einführung des Schülerregisters bekannt geworden sind bzw. werden.

Solche Einzelfallentscheidungen sind ein richtiger Weg beim Übergang zu einer wirklichen Lösung. Die jedoch kann meiner Überzeugung nach letztlich nur darin liegen, den rechtlichen Status vieler, illegal in Deutschland lebender Menschen zu ändern. Hier müssen dringend politische Initiativen gestartet werden.

Was den entsetzlichen Tod der kleinen Jessica und generell das große Problem von Kindesvernachlässigungen angeht, so wissen Sie sicherlich, dass es dazu einen Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft gegeben hat. Dieser Ausschuss hat sich sehr ausführlich und engagiert mit den Versäumnissen, den sozialen Hintergründen und den strukturellen Unzulänglichkeiten in Hamburg befasst, die letztlich zu dem furchtbaren Ereignis geführt haben.

Die intensive Arbeit mündete in einem fraktionsübergreifenden Antrag, der eine Vielzahl von Empfehlungen an den Senat beinhaltet, deren Umsetzung Gefahren von Kindesvernachlässigungen in Hamburg begegnen soll. Zu Ihrer Information füge ich die entsprechende Bürgerschaftliche Drucksache 18/3592 als Anhang bei.

Ich möchte jedoch betonen, dass weder für mich noch für meine Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Fraktion das Problem Kindesvernachlässigung damit abgeschlossen ist. Wir haken immer wieder beim Senat nach, ob und wie er die vom Ausschuss gegebenen und von der Bürgerschaft so verabschiedeten Empfehlungen tatsächlich umsetzt.

Und wir bemühen uns im Rahmen der Möglichkeiten, die uns als Opposition gegeben sind, Gelder aus dem Haushalt für diese Maßnahmen einzuwerben bzw. umzuwidmen. Ich rede mich also keinesfalls - wie Sie befürchteten - mit dem Argument "Geldknappheit" heraus. Denn Politik heißt für mich immer: Prioritäten setzen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ausdrücklich auf die Haushaltsberatungen am 11.12. und 13.Dezember aufmerksam machen, bei denen Sie sich von der diesbezüglichen - und anderen - Prioritätensetzung der SPD überzeugen können.

Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung zu dem bedrückenden Thema Kindesvernachlässigung. Ich bin der festen Überzeugung, dass die beste Prävention in guter Bildung, verbesserten Lebensbedingungen für Familien und für Alleinerziehende und eine gesellschaftlichen Klima liegt, in dem Kinder als Bereicherung und nicht als Belästigung empfunden werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Karin Rogalski-Beeck

Anhang
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18_3592.pdf