Portrait von Karin Jöns
Karin Jöns
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Karin Jöns zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gerd F. •

Frage an Karin Jöns von Gerd F. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr verehrte Frau Jöns,
auf Ihrem Wahlplakat steht: "für ein soziales Europa".

Aus Süditalien wurde mir letzte Woche ein Zuckertütchen aus einem Bistro mitgebracht, auf dem Mussolini mit Geburts- und Sterbedatum abgebildet ist. Dort scheinen Faschisten wieder gesellschaftsfähig zu werden.
In der "Zeit" (Nr.20, 7.5.2009) war ein Artikel über das Unwesen der Neofaschisten in Ungarn, die über milizartige Schlägertrupps verfügen und erbarmungslos Jagd auf Sinti, Roma, Juden und "Fremdherzige" machen und nicht zurückschrecken, Menschen zu töten.
Die Situation in Deutschland wird Ihnen aus den Medien bekannt sein.

Ich frage Sie:"Was gedenken Sie im Europa-Parlament gegen den zunehmenden Extremismus in einigen EU-Ländern zu tun?" Solche Entwicklungen stören das soziale Gleichgewicht.

Als jemand, der die NS-Zeit und den 2. Weltkrieg miterlebt hat, wünsche ich mir, dass die EU rechtzeitig und energisch gegen Länder vorgeht, die dem faschistischen Treiben nur zusehen, statt nachhaltig einzugreifen, um ihre demokratische Grundordnung zu sichern.
Mit besten Wünschen für Ihre Arbeit und freundlichen Grüßen
Gerd Feller

Portrait von Karin Jöns
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Feller,

gerne antworte ich auf Ihre Anfrage in Bezug auf die Besorgnis erregende Zunahme neofaschistischer Aktivitäten in Europa und versichere Ihnen, dass ich Sie gut verstehe und Ihre Sorge voll teile, wonach ein ungehindertes Ausbreiten faschistischen und rechtsradikalen Gedankenguts in der Tat zu einer Bedrohung unserer demokratischen Ordnung in Europa führen kann.

Sie haben selbst die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges erlebt und wissen aus eigener trauriger Erfahrung, zu welch verhängnisvollem Ende damals ein allzu unbekümmerter Umgang vieler Menschen mit dem faschistischen Gedankengut oder gar das passive Zusehen hinsichtlich der menschenverachtenden Untaten der Nazis und ihrer Unterstützer geführt hat.

Als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands fühle ich mich der antifaschistischen Tradition meiner Partei fest verbunden. In dieser Tradition steht auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas im Europäischen Parlament , der ich als deutsche Sozialdemokratin ebenfalls angehöre, und die selbstverständlich rechtradikalen Umtrieben gegenüber besonders empfindsam ist. Für uns gilt stets das Gebot, auch auf europäischer Ebene alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Gefahr von Rechts zu bekämpfen.

Auch im Europäischen Parlament gibt es leider seit vielen Jahren einzelne rechtsradikale Abgeordnete und in der laufenden Legislaturperiode haben wir sogar zeitweise erste Erfahrungen mit einer faschistischen Fraktion machen müssen, bis jene an ihrer eigenen rassistischen Politik zerbrochen ist. Doch kann ich Ihnen versichern, dass diese rechtsradikalen und neofaschistischen Kräfte nicht nur von uns Sozialdemokraten sehr sorgfältig beobachtet werden. Es hat sich vielmehr eine überwältigende Mehrheit des Europäischen Parlaments immer wieder deutlich von deren Treiben distanziert und alle parlamentarischen und rechtlichen Möglichkeiten genutzt, um ihnen ihr propagandistisches Handwerk zu legen.

So wurde zum Beispiel auf Antrag meiner Fraktion noch in der letzten Plenarsitzung dieser Legislaturperiode vom Plenum mit überwältigender Mehrheit eine Änderung der Geschäftsordnung des Parlaments beschlossen. Damit wird Vorsorge getroffen, um zu verhindern, dass etwa dem berüchtigten rechtsradikalen französischen Politiker Jean-Marie Le Pen im Falle seiner Wiederwahl die besondere Ehre zukommen könnte, als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des neu gewählten Parlaments im Juli zu eröffnen. Beschlossen wurde daher, die Eröffnung der neuen Legislaturperiode in die Hände des letzten Parlamentspräsidenten zu legen und dies damit meinem christdemokratischen Kollegen Hans-Gerd Pöttering vorzubehalten. Dies ist ein kleines aber doch symbolisch sehr bedeutendes Zeichen für den Umgang mit rechtsradikalen und neofaschistischen Kräften im Parlament selbst.

Das Europäische Parlament hat übrigens gerade in jüngster Vergangenheit immer wieder in zahlreichen Entschließungen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geächtet. Auch hat es 2007 entscheidend dazu beigetragen, dass sich die EU-Mitgliedstaaten auf einen Codex für Sanktionsmaßnahmen bei der Verbreitung von rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen verständigt haben. Auch dies war ein deutliches Signal gegen den in manchen Mitgliedstaaten zunehmenden Extremismus.

Darüber hinaus aber, lieber Herr Feller, liegt mir sehr daran zu betonen, dass wir als Parlament allein die unseligen Rechtstendenzen nicht erfolgreich bekämpfen können, wenn wir als Abgeordnete nicht auch die Wähler und Wählerinnen hinter uns wissen. Das bedeutet auch, dass es auf jede und jeden von uns ankommt, in seinem alltäglichen Umfeld bereits durch entschiedenes Auftreten dafür zu sorgen, dass fremdenfeindliche, antisemitische und menschenverachtende Äußerungen sich nicht in unserem Alltagsleben festsetzen und wieder Allgemeingut werden.

Ich schließe im Übrigen auch die Kritik am Verhalten von Politikern und Politikerinnen ein, die aus populistischen Motiven heraus auf Kosten der Schwachen , wie z.B. auf Kosten von Migranten und Migrantinnen oder politischen Flüchtlingen, hieraus politisches Kapital zu schlagen versuchen. Das Beispiel von Ministerpräsident Berlusconi ist für mich besonders abschreckend. Und Äußerungen wie die der Abgeordneten Mussolini verurteile ich aufs Schärfste.

Auch was sich zurzeit in Ungarn abspielt, erfüllt meine Fraktion mit großer Sorge. Und ebenso bei uns in Deutschland haben wir mehr als genug zu tun, wenn es darum geht, die Machenschaften der Neonazis zu bekämpfen. Trotz vieler Erfolge heißt es dennoch auch bei uns: "Seid wachsam und wehret den Anfängen!"
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass das Europäischen Parlament jährlich erhebliche Beträge zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zur Verfügung stellt, über die auch in Deutschland Maßnahmen im Kampf gegen Rechtradikalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gefördert werden.
Noch einmal: Sie können sicher sein, dass wir Sozialdemokraten in Deutschland und im Europäischen Parlament auch in Zukunft äußerst sensibel und entschieden auf alle Angriffe von neofaschistischer Seite reagieren werden. Die Europäische Union als erfolgreichstes Friedens- und Fortschrittsprojekt der Welt verpflichtet uns dazu, die Schatten der Vergangenheit nicht wieder aufkommen zu lassen und das friedliche Miteinander in Europa weiter gegen alle Angriffe zu verteidigen und zu festigen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Karin Jöns MdEP