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Jutta Steinruck
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Frage von Christian S. •

Frage an Jutta Steinruck von Christian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Steinruck,

vielleicht haben Sie schon von den Enthüllungen der Plattform lobbyplag.eu gelesen (Hier ein Hintergrundartikel auf Deutsch: http://gutjahr.biz/2013/02/lobbyplag/ ). Die neuen Datenschutzrichtlinien, über die das EU-Parlament abzustimmen hat, sind in großen Teilen von amerikanischen Lobbyverbänden diktiert und kopiert. Wichtige Passagen, die uns, den Bürgern, zugute gekommen wären, wurden gestrichen. Mit etwas Glück könnte sich der Gesetzgebungsrozess aber noch bis zur nächsten EU-Wahl hinziehen, so dass meine Frage an sie lautet: Von CDU/FDP erwarte ich in dieser Hinsicht nichts. Wie steht die SPD, und sie als meine Wahlkreiskandidatin persönlich, zu diesem Entwurf? Ist eine Stimme für Sie bei der nächsten Wahl eine Stimme gegen diesen Gesetzesentwurf? Ich und einige meiner Bekannten können uns sehr gut vorstellen, unsere Wahlentscheidung von Ihrer Position in dieser Frage abhängig zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Simon,

Vielen Dank für Ihre E-Mail zur europäischen Datenschutzreform.

Die von EU-Justizkommissarin Viviane Reding Anfang letzten Jahres vorgelegte Gesetzesinitiative zur Reform des europäischen Datenschutzes ist dringend notwendig, um einen einheitlichen und modernen Rahmen für den Datenschutz in der EU zu schaffen. Die derzeit gültige EU-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 muss den Anforderungen des digitalen Zeitalters angepasst werden. In sozialen Netzwerken, bei Bankgeschäften oder beim Einkauf im Internet geben heute immer mehr Menschen persönliche Daten an. Diese Daten werden nicht nur in Deutschland, sondern vielfach in anderen europäischen Ländern oder im außereuropäischen Ausland gespeichert. Ein einheitlicher Rechtsrahmen, der die Grundrechte der europäischen Bürger sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU wirksam schützt, ist dringend geboten. Wir brauchen Vorschriften, die ein hohes Datenschutzniveau garantieren, gleichzeitig aber nicht das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit einschränken oder unnötigerweise die tägliche, oftmals harmlose Verarbeitung von personenbezogenen Daten verhindern.

Bei der Vorbereitung der Datenschutzreform hat die Kommission die verschiedenen Interessengruppen angehört und die Auswirkungen einer Reform analysiert. Seitdem der Kommissionsvorschlag veröffentlicht ist und im Parlament diskutiert wird, habe auch ich - genauso wie viele meiner Kollegen - zahlreiche Gespräche mit Interessenvertretern über die Datenschutzreform geführt. Neben Unternehmen haben mich viele Verbraucherschützer und Nichtregierungsorganisationen kontaktiert. Oftmals waren die Informationen und die Darstellung der unterschiedlichen Positionen nützlich, um ein umfassendes Bild über mögliche Verbesserungen am Kommissionsvorschlag zu bekommen. Insofern ist es grundsätzlich in Ordnung, wenn Abgeordnete auch die Positionen von Interessenvertretern bei ihrer Gesetzesarbeit berücksichtigen. Allerdings dürfen Lobbyisten natürlich niemals direkten Einfluss auf Gesetzesänderungen nehmen. Jeder Abgeordnete muss nach allen Gesprächen selbst die Verantwortung dafür tragen, welche Änderungsanträge er einbringt und wie er abstimmt.

Keinesfalls dürfen bei der Datenschutzreform einseitig die reinen Profit-Interessen großer Unternehmen berücksichtigt werden. Wir Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass Unternehmen nicht auf Kosten der Privatsphäre Geschäftsmodelle entwickeln. Datenschutz ist schon heute unverzichtbar. Das gilt für den Schutz von Bankdaten und Betriebsgeheimnissen - und muss ganz selbstverständlich auch für den Schutz persönlicher Daten gelten. Wir alle können davon profitieren, wenn Bürgerinnen und Bürger aufgrund von strengen Datenschutzbestimmungen darauf vertrauen können, dass Unternehmen verantwortungsvoll mit ihren Daten umgehen.

Wir befürworten daher insbesondere, dass persönliche Daten nur mit ausdrücklicher Einwilligung und zu einem konkret benannten Zweck verarbeitet werden dürfen. Zudem muss das "Recht auf Vergessen" gewährleistet sein, sodass Daten von EU-Bürgern gelöscht werden, wenn der Grund für die Speicherung erlischt. Auch die gezielte Analyse und Bewertung von personenbezogenen Daten - das sogenannte Profiling - muss eingeschränkt werden. Ganz besonders gilt das im Fall von Kindern, für die ich ein vollständiges Verbot des Profilings fordere. All diese Regeln müssen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der EU gelten, solange EU-Bürger betroffen sind. Denn viele Anbieter von Online-Diensten haben ihren Firmensitz nicht in der EU. Damit die Reform auch wirkungsvoll ist, setzt sich unsere Fraktion dafür ein, dass Unternehmen, die gegen das Datenschutzrecht verstoßen, künftig mit hohen Bußgeldern belegt werden können.

Darüber hinaus ist es mir als Mitglied des Beschäftigungsausschusses besonders wichtig, dass Datenschutz auch als Arbeitnehmerrecht verstanden wird. Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre persönlichen Daten wie Nachweise über Fehlzeiten oder ärztliche Atteste bei ihrem Arbeitgeber sicher aufgehoben sind. Die Forderung, EU-weit für alle Unternehmen und Behörden verbindlich Datenschutzbeauftragte einzuführen, ist deshalb zu unterstützen. Ebenso wichtig ist es, dass staatliche Institutionen - und auch die Institutionen der EU - von der Datenschutzreform erfasst sind. Auch der Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf personenbezogene Daten sollte streng geregelt werden. Zur Unschuldsvermutung und dem Prinzip der Resozialisierung gehört, dass die Daten von Beschuldigten während strafrechtlicher Ermittlungen, in Gerichtsverfahren sowie im notwendigen Umfang auch danach geschützt werden.

Nur wenn persönliche Daten in all diesen Bereichen - privat, beruflich und im Umgang mit Behörden - umfassend geschützt sind, haben wir für die europaweite Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz viel erreicht.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Jutta Steinruck