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Jürgen Trittin
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Frage von Stephan M. •

Frage an Jürgen Trittin von Stephan M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Trittin,

wieso sprechen die Grünen mit solcher Verachtung über Menschen, die fremdenfeindliches Verhalten zum Ausdruck bringen? Auf Ihrem Wahlplakat zur Europawahl ist zu lesen „FCK Nazis“. In meiner Stadt lese ich an Hauswänden „Nazis auf‘s Maul“, „Nazis jagen“ und nehme den selben Duktus wahr, der auf dem Wahlplakat der Grünen zum Ausdruck kommt.
Doch kennen Sie die wahren Beweggründe dieser Menschen, die hier „gefucked, gejagt und verprügelt“ werden sollen? Sind diese am Ende nicht genauso Opfer eines Systems, das auf Konkurrenz statt auf Kooperation setzt? Ist die Antihaltung, die hier zum Ausdruck kommt, am Ende einem verkürzten, zu einfachem Menschenbild geschuldet? Woher nehmen die Grünen Ihre Überlegenheit? Bei den Grünen beruft man sich oft auf die christliche Nächstenliebe, doch ist damit nicht auch unser scheinbarer Feind eingeschlossen, der vielleicht einfach Zuwendung braucht, dessen Geschichte wir nicht kennen und in dem wir uns auf Grund unserer Hybris nicht erkennen können?
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich Suche wie Sie Auswege aus der gegenwärtigen Krise und möchte in einer Welt Leben, in der wir alle friedlich auf diesem wundervollen Planenten zusammenleben, aber ich fürchte mich vor Ausgrenzung, weil diese immer auf einem selbst zurückfallen könnte, selbst wenn diese im Glauben daran geschieht, das Richtige zu tun. Es bleibt am Ende Ausgrenzung.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Maier

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage. Sie sprechen etwas sehr Wichtiges an: Wie schaffen wir es, dem Rechtsruck wirksam etwas entgegenzusetzen, was ist die richtige Strategie im Umgang mit Nazis und Rechtspopulist*innen? Dafür müssen wir uns damit auseinandersetzen, welche Motivation diejenigen antreibt, die von einer Ideologie der Ungleichheit ausgehend andere Menschen diskriminieren oder gar angreifen.

Welche Normen und Werte eine Gesellschaft bestimmen, unterliegt einem ständigen Diskurs. Die Meinungsfreiheit ist das wichtigste Gut in einer Demokratie, aus guten Gründen geht sie sehr weit. Sie beinhaltet auch die Freiheit, die Gegenseite für ihre Positionen zu kritisieren. Menschenfeindlichkeit als solche zu markieren und zu ächten ist eine wichtige Verantwortung demokratischer Politik. Dazu sind wir Parteien nach dem Grundgesetz sogar beauftragt. Sich in einem diskursiven Sinne gegen Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie zur Wehr zu setzen, ist auch deshalb wichtig, um Opfer menschenfeindlicher Gewalt Unterstützung zu signalisieren, ihnen Mut zu geben und zu zeigen: Ihr seid nicht allein. In diesem Kontext ist auch unser Plakat zur Europawahl zu verstehen. Aufrufe zu Gewalt werden Sie aber niemals von uns hören, wir würden uns diesen auch jederzeit entgegen stellen. Der Schutz der von Hass betroffenen Menschen ist unsere erste Priorität. Dafür brauchen wir gut ausgebildete Polizist*innen, die in der Lage sind, Recht und Gesetz im vollen Umfang und mit allen notwendigen Mitteln zur Geltung zu verhelfen.

Der Schutz der Opfer kann aber nur eine kurzfristige Strategie sein. Um Diskriminierung und rechte Gewalt langfristig zu bekämpfen, gibt es einige Instrumente, die wir nutzen können und sollten. Für uns steht die Bekämpfung rechter Radikalisierung im Vordergrund. Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung sind elementare Errungenschaften, die wir auch als solche kommunizieren müssen. In unserem Bundestagswahlprogramm von 2017 haben wir eine Bildungsoffensive in Kindertagesstätten und Schulen, Menschenrechtsbildung sowie die Förderung von Demokratie- und Medienkompetenz junger Menschen und eine Stärkung von Beratungsstellen, Jugendverbänden und aufsuchender Jugendarbeit gefordert. Es braucht zudem eine Reform der Justizvollzugsanstalten, die bisher Stationen der Radikalisierung waren. Wir betrachten Prävention als eine Querschnittsaufgabe. Gerade an sozialen Brennpunkten müssen wir auch mit städtebaulichen und wirtschaftlichen Maßnahmen für Perspektiven sorgen, um Gewalt und No-go-Areas schon im Ansatz entgegenzuwirken.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage zufriedenstellend beantworten konnte.

Beste Grüße

Jürgen Trittin