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Julia Verlinden
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael L. •

Frage an Julia Verlinden von Michael L. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Dr Verlinden,

der Elbe-Jetzel-Zeitung vom 9.2.17 entnahm ich einen Bericht über "Neue Bauernregeln" des Bundesumweltministeriums auch dort einen Bezug auf ein "... Bürgerbeteiligungsverfahren zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft ..."

Obwohl ich eine Tageszeitung abonniert habe, täglich Nachrichten sehe oder höre und zusätzlich ziemlich regelmäßig Informationen über das Internet beziehe habe ich noch nie etwas über die genannte Bürgerbeteiligung gehört.

Meine Frage: könnten Sie mir erläutern, worum es dabei eigentlich geht, ob die GRÜNEN inhaltlich dazu bereits eine Position ausgearbeitet haben (veröffentlicht ?) und ob Einzelheiten zur Bürgerbeteiligung bereits bekannt sind?

Vielen Dank für Ihre Antwort und
mit freundlichem Gruß
M.H.Langer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Langer,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Bürgerbeteiligungsverfahren zur Zukunft der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP).
Das Bürgerbeteiligungsverfahren der Europäischen Kommission zur GAP ist in der Tat wenig medial präsent. Das Konsultationsverfahren ist Bestandteil der Weiterentwicklung der GAP. Die Europäische Kommission verfolgt das Ziel, die Agrarpolitik zu vereinfachen und zu modernisieren. Orientierung dafür bieten die "zehn Prioritäten der Europäischen Kommission" sowie die globalen Nachhaltigkeitsziele.

Die GAP stand in der Vergangenheit schon häufig in der Kritik. Nach ihrem Beschluss 1957 wurde sie mehrmals reformiert. Vor allem die Reformen von 2013 lösten Kritik aus, die auch in der Öffentlichkeit für viel Aufmerksamkeit sorgten. Es ist fraglich, ob die GAP landwirtschaftliche und ländliche Gebiete ausgewogen fördert. Weiterhin wird kritisiert, inwieweit die GAP nachhaltigkeitsorientierte Nahrungsmittelerzeugung unterstützt und neue Produktionsmuster wie die Bio- oder Kreislaufwirtschaft berücksichtigt werden. Um auf die Reform-Kritik von 2013 einzugehen und gesellschaftlich tragfähige Ergebnisse zu erzielen, setzt die Europäische Kommission nun auf ein Konsultationsverfahren mit anschließender Folgenabschätzung.

Das Konsultationsverfahren starte bereits 2016. Inner- und außerhalb der Europäischen Institutionen kamen MinisterInnen und Fachleute zusammen und sprachen über die Neugestaltung der GAP. Eine gemeinsame Konferenz mit einer Vielzahl von Beteiligten half beim Aufbau einer gemeinsamen Vision zur Zukunft der GAP. Weitere Konferenzen und Dialogforen beschäftigten sich mit aktuellen Problemfeldern des Agrarsektors sowie politischen und sozial-ökonomischen Verbesserungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft.
Ergänzend dazu startete am 2. Februar das öffentliche Konsultationsverfahren, zu dem alle Interessierte, Landwirte und Landwirtinnen, Verbraucherinnen und Verbraucher aufgerufen sind, sich zu beteiligen und die GAP mitzugestalten.
Die gesammelten Daten des Konsultationsverfahrens sollen abschließend mit in eine umfassende Folgenabschätzung einfließen, um der Kommission schlussendlich als neuer Entscheidungsgrundlage zu dienen.

Wir Grünen begrüßen den Willen des EU-Kommissars Phil Hogan zur Umgestaltung der GAP. Es ist ein gutes Zeichen, nach den bisherigen gescheiterten Reformen nun auch den Reformprozess neuzugestalten. Die neuen Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen die Chance, sich mit in den Gestaltungsprozess einzubringen - vorzeitig und innovativ.
Unsere Einschätzung über das Bürgerbeteiligungsverfahren dämpft die Euphorie jedoch. Die Fragen sind geschlossen formuliert, bieten nur wenige Auswahlmöglichkeiten und geben teilweise eine klare Richtung vor, wodurch die Teilnehmenden beeinflusst und in ihre Meinungsäußerungen eingeschränkt werden. Es scheint als würde auch hier der Agrarindustrie der Rücken gestärkt werden.

Wir fordern eine ehrliche grüne und gerechte GAP, mit Langzeitlösungen, die sowohl den landwirtschaftlich Tätigen, Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie den Tieren und der Umwelt weiterhelfen. Damit einhergehend brauchen wir gerechte Preise, Qualitätsgarantien und eine Stärkung lokaler und kleinbäuerlicher Strukturen. Über das Bürgerbeteiligungsverfahren hinaus, hoffen wir, dass seitens der Regierung ebenfalls für Verbesserungen der GAP geworben wird, auch wenn das unter Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt wohl nicht mehr zu erwarten ist.

Wenn auch Sie am Bürgerbeteiligungsverfahren zur Zukunft der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik teilnehmen möchten, finden Sie den Fragebogen online unter https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/FutureCAP?surveylanguage=DE

Noch eine kurze Anmerkung zu Ihrem Leserbrief in der EJZ vom 15.2.: Meine Fraktion und Abgeordnetenkollegen betreiben intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Agrarpolitik (und allen anderen Politikfeldern). Der agrarpolitische Sprecher meiner Fraktion Friedrich Ostendorff hatte am 3.2.17 mit einer Pressemitteilung über den Beginn des Konsultationsverfahrens informiert. Leider werden viele solcher Informationen oder Kommentierungen aus unserer Sicht zu wenig von der Tagespresse aufgegriffen. Vieles finden Sie aktuell auf der Internetseite meiner Fraktion www.gruene-bundestag.de oder auf den Homepages der jeweiligen Fach-Abgeordneten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Julia Verlinden

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