Josip Juratovic MdB
Josip Juratovic
SPD
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Frage von Werner R. •

Frage an Josip Juratovic von Werner R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Juratovic,

am 22.5.2015 soll der Regierungsentwurf des „Tarifeinheitsgesetzes“ in 2. und 3. Lesung im Bundestag behandelt werden. Zahlreiche Verfassungs- und Arbeitsrechtler und auch der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages halten diesen Gesetzentwurf für verfassungswidrig.
Tarifeinheit bei mehreren im Unternehmen agierenden Gewerkschaften ist gesetzlich nur dadurch realisierbar, dass einer von mehreren Tarifverträgen als der einzig gültige ausgewählt und die Mitglieder der anderen Gewerkschaften der aus dem auserwählten Tarifvertrag sich ergebenden Friedenspflicht unterworfen werden. Dadurch haben während der Laufzeit dieses Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft weder die durch Mitgliedschaft in der Mehrheitsgewerkschaft an die Friedenspflicht gebundenen Beschäftigten noch die Mitglieder der Minderheitsgewerkschaft noch die Unorganisierten ein Streikrecht. Dies nützt vor allem den Arbeitgebern. Das Streikrecht würde bei Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes faktisch massiv eingeschränkt. Hinzu kommt noch, dass aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland bekanntlich nur für tarifvertraglich regelbare Forderungen gestreikt werden darf. Da aus den o.g. Gründen nur die Forderungen der jeweiligen Mehrheitsgewerkschaft überhaupt zu konkreten Tarifabschlüssen führen könnten, wären Streiks der Minderheitsgewerkschaften „unverhältnismäßig“ und auch deshalb von Arbeitsgerichten aufgrund arbeitgeber- oder auch mehrheitsgewerkschaftsseitiger Anträge bei Arbeitsgerichten relativ leicht verbietbar.
Gewerkschaften, die aufgrund der o.a. Bestimmungen zukünftig keine Tarifverträge mehr durchsetzen können, sind mangels Attraktivität mittelfristig dem Untergang geweiht. Wollen Sie dies wirklich?
Bitte teilen Sie mit, ob Sie zu dieser faktischen Einschränkung des Streikrechts zustimmen oder ob Sie dies ablehnen wollen.

Mit freundlichen Grüßen

Werner Rupp

Josip Juratovic MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rupp,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Tarifeinheit. Als ehemaliger Betriebsrat kann ich Ihre Sorgen um die gewerkschaftlichen Grundrechte verstehen. Ich möchte Ihnen entgegnen: Wir verfolgen nicht das Ziel, das Streikrecht kleiner Gewerkschaften grundsätzlich einzuschränken. Unser Vorschlag soll einer Spaltung der Belegschaft innerhalb eines Betriebs vorbeugen. Selbstorganisation und Streik sind unanfechtbare Grundrechte der Arbeitnehmer. Was nicht geht ist, mit diesen Rechten die Arbeitnehmerschaft zu spalten. Es geht uns in dem Gesetzesentwurf nicht um eine Behinderung gewerkschaftlicher Arbeit, ganz im Gegenteil, es sollen klare Zuständigkeiten geschaffen werden. Es geht darum, dass gleiche Arbeit im Betrieb gleich bezahlt wird und unter gleichen Bedingungen geleistet wird und dass nicht eine Gruppe auf Kosten der anderen ihre Vorteile zieht.

Aus meiner Sicht müssen daher die Vor- und Nachteile einer gesetzlichen Regelung zur Tarifeinheit ausführlich diskutiert werden. Ihre Bedenken habe ich sorgfältig aufgenommen und werde sie in meine weitere parlamentarische Arbeit mit einbeziehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Josip Juratovic

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