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Josephine Ortleb
SPD
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Frage von Andre K. •

Frage an Josephine Ortleb von Andre K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Josephine,

in der Diskussion ums Wahlrecht forderst du für die Bundestagswahlen eine Frauenquote, weil die Frauenquote im Bundestag nicht deiner Vorstellung entspricht. Die Forderung nach Änderungen des Wahlrechts, weil das Ergebnis nicht stimmt, ist grundgesetzwidrig und so etwas kannte man bislang nur von undemokratischen Systemen.

Aus diesem Grunde habe ich mehrere Fragen an dich:

1) Welche Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren, wie z. B. massenhaft in Parteien einzutreten, um weibliche Delegierte oder weibliche Bundestagskandidaten zu wählen oder eine eigene Partei zu gründen etc. gibt es für Frauen in Deutschland nicht? Oder anders gefragt, gibt es im politischen Leben in Deutschland aus rechtlicher Sicht Dinge, die nur Männern offenstehen und Frauen nicht?

2) Bedeutet Gleichheit für dich die Gleichheit der Chancen oder die Gleichheit im Ergebnis?

3) Wenn Gleichheit für dich Gleichheit im Ergebnis bedeutet, wieso forderst du nicht auch eine Quote für das vom Bundesverfassungsgericht festgestellte "Dritte Geschlecht"?

4) Wenn Gleichheit für dich Gleichheit im Ergebnis bedeutet, wieso forderst du nicht auch eine Quote für weitere Gruppierungen, z. B. für Schwerbehinderte, wie es sie in Unternehmen gibt? Sind Schwerbehinderte aus deiner Sicht weniger schützenswert als Frauen?

Ich möchte dich um eine konkrete Beantwortung der vier Fragen bitten.

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Antwort von
SPD

Lieber Andre,

vielen Dank für deine Anfrage. Das Thema einer Frauenquote für den Bundestag liegt mir als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und als Bundestagsabgeordnete der SPD sehr am Herzen, weswegen ich deine Fragen gerne beantworte.

Zuallererst: juristische Meinungen zu der Frage, inwiefern ein Paritätsgesetz gegen das Grundgesetz verstoßen würde, gehen stark auseinander. Grundsätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz von der konkreten Ausformulierung eines Gesetzes abhängen wird, welche noch abzuwarten ist. Persönlich bin ich der Meinung, dass Demokratie ohne die gleiche politische Teilhabe von Frauen nicht möglich ist. Artikel 20 des Grundgesetzes verpflichtet zur Volkssouveränität, also der demokratischen Teilhabe des ganzen Volkes. Dies wird von Parteien untergraben, die mehrheitlich Männer aufstellen.

Zu deiner ersten Frage: zahlreiche Studien belegen, dass eindeutig strukturelle Benachteiligungen in den Nominierungsprozessen, insbesondere um Direktmandate, bestehen, die auf Alt-Männer-Netzwerken und Seilschaften beruhen. Nach Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes sind Männer und Frauen gleichberechtigt, und der Staat hat einen aktiven Handlungsauftrag, diese Gleichberechtigung auch durchzusetzen. Diesem Auftrag möchte ich mit einem Paritätsgesetz nachkommen.

In Bezug auf deine zweite Frage: derzeit sind in unserem System weder Chancen – noch Ergebnisgleichheit gegeben. Allerdings bin ich davon überzeugt, und darauf zielt deine Frage wohl ab, dass Sexismus die Erfahrung einer strukturellen Ungleichheit bedeutet, die nur Frauen machen. Insbesondere in Fragen weiblicher Selbstbestimmung kann es nicht sein, dass ein mehrheitlich männlich dominierter Bundestag Entscheidungen über die Körper von Frauen trifft.

Natürlich liegen mir auch die Belange intergeschlechtlicher Menschen und Menschen mit Behinderung am Herzen. Leider wird das von dir angeführte Argument häufig benannt, um ein Paritätsgesetz zu verhindern. Tatsächlich ist niemandem geholfen, wenn man anfängt, strukturell benachteiligte Gruppen gegeneinander auszuspielen. Wir halten eine pragmatische Lösung im Sinne der jeweiligen Personen für sinnvoll, in dem sich diese selbst und nur in dieser Situation entscheiden können, auf welchem Ticket ("Frau"/"Mann") sie antreten. Darin liegt auch ein strategischer Vorteil. Im Bundesland Brandenburg wird auf Landesebene bereits vorangeschritten, jetzt brauchen wir auch eine nationale Reglung. Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung und sollten auch als solches im Parlament vertreten sein.

Viele Grüße, Josephine Ortleb

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