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Jörn Wunderlich
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Frage von Hans-Joachim G. •

Frage an Jörn Wunderlich von Hans-Joachim G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Volljurist Wunderlich,

wie ich lese, sind Sie als Richter tätig gewesen. Frau Schneider zitiert Ihren Ausspruch, Richter seien die Fortbildungsresistentesten (1). Im WDR- Fernsehen ("Planet Wissen") hat nun ein wissenschaftlich ausgewiesener Richterkollege (Prof. Thomas Fischer, BGH) geäußert, dass in einer außerordentlich großen Zahl der Fälle überflüssigerweise Gutachten von Richtern in Auftrag gegeben werden (2). Demgegenüber sieht die Verbands- Funktionärim Andrea Tietz "kein manifestes Problem" (3). Der ehemalige Richter Bergmann äußerte: "Wenn der Richter meint, die Oma sei sachverständig, dann ist die Oma sachverständig."(4).

Mich würde nun Ihr juristisch-sachverständiges Urteil interessieren:

Stimmt die Einschätzung, dass Richter Ihre gesetzliche Letzt-Verantwortung gern delegieren oder gibt es"kein manifestes Problem"? Haben Gutachter die Pflicht, den Gutachtensauftrag zurückzugeben, wenn sie selber merken müssen, dass sie als Gehilfe des Gerichts nicht infrage kommen, weil sie keine spezifische -z.B. humanwissenschaftliche- Sachkunde (außer "Oma" zu sein) haben? Wie könnte man -als Richter- die konkrete Tätigkeit seines Gehilfen -der Gutacherin/ Psychiaterin/Psychologin- in einem ganz konkreten Fall besser überprüfen als durch die komplette Videografie des Untersuchungsgespräches? Ist gegen Ihre Richter-Fortbildungresistenz "ein Kraut gewachsen"? Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Fortbildungsresistenz einerseits und Neigung zur Abgabe von Verantwortung durch Bestellung z.B. von "Omas" als Forensikerinnen andererseits?

Für die vollständige und wahrheitgemäße Beantwortung meiner Fragen bedanke ich mich im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Hajo Gärtner

1) http://www.abgeordnetenwatch.de/joern_wunderlich-778-78583--f458933.html#q458933
2) ab min 16:50 hier: https://www.youtube.com/watch?v=P1E8Uyu8Owo
3) ab min 17:20 ebenda
4) ab min 17:35 ebenda

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Gärtner,

ich gehe zunächst davon aus, dass Ihre Fragen sich auf familienrechtliche Sachverhalte beziehen.

Ich habe zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen kein belastbares statistisches Zahlenmaterial. Von daher kann ich Ihnen nur meine Einschätzung aus eigener Erfahrung nennen.

Nicht umsonst möchte der Verband der Psychotherapeuten Qualitätsstandards einführen um Gutachten so zu verfassen, dass sie auch von Laien verstanden und nachvollzogen werden können. Sofern man nicht als Richter während des Studiums begleitend Forensik und Psychologie belegt hat, dürfte es mitunter schwer fallen, einigen Ausführungen von Sachverständigen zu folgen um diese selbst kritisch zu prüfen.

Aus meiner beruflichen Praxis kenne ich Fälle, in denen Sachverständige Gutachtensaufträge des Gerichts zurückgegeben haben, weil sie – beispielsweise in der Begutachtung von Jugendlichen oder Kindern – nicht das erforderliche Fachwissen hatten.
Eine Videoaufzeichnung von Kindesanhörung mit anschließender rechtlicher Verwertung auch im weiteren Verfahren halte ich für sinnvoll, wenn die Anhörung durch speziell ausgebildete Professionelle durchgeführt wird. Etwa wie in Schweden. Ein solches Verfahren käme meiner Überzeugung auch der UN-Kinderechtskonvention am nächsten, auch wenn dort nicht das wie geregelt ist. Dort heißt es, dass Kinder, die in der Lage sind, eigene Ansichten zu artikulieren, das Recht haben, ihre Sichtweise einzubringen.

Vertragsstaaten der UN‐Kinderrechtskonvention (KRK) sind verpflichtet, Kindern in jedem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Gelegenheit zu geben, gehört zu werden. „In allen Angelegenheiten, die das Kind betreffen“ sollen die Ansichten des Kindes entsprechend seinem Alter und seiner Reife angemessenes Gewicht erhalten (Art. 12 KRK).

Hinsichtlich der beruflichen Qualifikation ist über die Zugangsvoraussetzungen für familienrichterliche Stellen nachzudenken und diese gegebenenfalls mit entsprechenden Kriterien versehen.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich, MdB