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Frage von Dieter G. •

Frage an Jörn Wunderlich von Dieter G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Genosse Wunderlich !

Als Mitglied in der Partei Die LINKE möchte ich mich für Ihre gute Rede mit sachlichen Vortrag im Bundestag zur Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen die Einführung von Internetsperren und der damit verbundenen Zensur bedanken. Ihren Ausführungen stimme ich in den wesentlichen Punkten voll zu. Für Interessierte hier der Redebeitrag als Video-Clip bei YouTube:

http://www.youtube.com/watch?v=mayBhrS2Yes

In der Kürze der Zeit konnten Sie natürlich nicht auf alle Kritikpunkte gegen einen solchen Gesetzentwurf eingehen. Deshalb hier meine Fragen an Sie:

1. Der Gesetzentwurf wird jetzt im Ausschuss für Wirtschaft und Thechnologie weiter beraten. Nach meiner Ansicht ist dieser Ausschuss dafür nicht zuständig. Wie begründet die CDU/CSU & SPD die Zuständigkeit dieses Ausschusses und welche Meinung vertreten Sie dazu ?

2. Die Sperrlisten sollen bekanntlich vom BKA geführt werden. Das BKA ist nach meinem Wissen nur für die Verfolgung von Straftaten zuständig, aber nicht für Prävention, um die es bei den Sperrlisten lediglich geht. Könnte man an diesem oder einem anderen Punkt nicht auch ansetzen, um ein solches Gesetz zu verhindern ?

3. Am 27. Mai findet nun eine Anhörung von Experten im Ausschuss statt. Der Petitionsausschuss wird sich voraussichtlich nicht mehr vor einer möglichen Verabschiedung dieses Gesetzes mit der bis zum 16. Juni noch laufenden Petition

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860

damit befassen können. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der inzwischen über 80.000 Mitzeichner auf die Regierungsparteien bzw. das Gesetzgebungsverfahren ein ?

Im Interesse eines legalen und freien Internets hoffe ich mit allen Sperrgegnern, Experten und vielen Medien sowie Politikern, das dieses fast wirkungslose Instrument in keinem Gesetz eine parlamentarische Mehrheit finden wird.

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Gieseking

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Gieseking,
vielen Dank für Ihr Email und Ihr Interesse.

1. Der Gesetzentwurf wird jetzt im Ausschuss für Wirtschaft und Thechnologie weiter beraten. Nach meiner Ansicht ist dieser Ausschuss dafür nicht zuständig. Wie begründet die CDU/CSU & SPD die Zuständigkeit dieses Ausschusses und welche Meinung vertreten Sie dazu ?

Die Aufgabenbereiche der Ausschüsse orientieren sich an den Arbeitsbereichen der jeweiligen Ministerien. Da „Internet“ ein interministerielles Thema ist, sind neben verschiedenen Ministerien auch unterschiedliche Ausschüsse damit befasst; gegenwärtig das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Zu dessen Themenbereichen gehören neben anderen wirtschaftspolitische Fragen auch Energiepolitik, Post, Telekommunikation, neue Technologien und Innovation .

Insofern fällt aus meiner Sicht auch der Bereich des Internets in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Wie CDU/CSU und SPD im einzelnen die Zuständigkeit des Wirtschaftsausschusses begründen, erfragen Sie bitte dort.

2. Die Sperrlisten sollen bekanntlich vom BKA geführt werden. Das BKA ist nach meinem Wissen nur für die Verfolgung von Straftaten zuständig, aber nicht für Prävention, um die es bei den Sperrlisten lediglich geht. Könnte man an diesem oder einem anderen Punkt nicht auch ansetzen, um ein solches Gesetz zu verhindern?

Bereits nach aktueller Rechtslage darf die Telekommunikation (dazu zählt auch das Internet) gemäß § 100a Abs. 1 STPO auch ohne Wissen der Betroffenen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn .. bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat…..
Nach § 100a Absatz 2 STPO ist u.a. eine schwere Straftat im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 g) die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 1 bis 3, § 184c Abs. 3 STGB.
Insofern ist das in Rede stehende Gesetz tatsächlich nicht notwendig.

3. Am 27. Mai findet nun eine Anhörung von Experten im Ausschuss statt. Der Petitionsausschuss wird sich voraussichtlich nicht mehr vor einer möglichen Verabschiedung dieses Gesetzes mit der bis zum 16. Juni noch laufenden Petition

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860

damit befassen können. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der inzwischen über 80.000 Mitzeichner auf die Regierungsparteien bzw. das Gesetzgebungsverfahren ein?

Entsprechend der Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden werden Massenpetitionen als eine Petition (Leitpetition) für die Bearbeitung geführt. Die einzelnen Petitionen werden gesammelt und lediglich zahlenmäßig erfasst.

Darüber hinaus gilt u.a. wenn eine Sammel- oder Massenpetition das Quorum von 50.000 Unterstützern erreicht hat, so werden ein Petent oder mehrere Petenten in öffentlicher Ausschusssitzung angehört. Der Ausschuss kann allerdings mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder beschließen, dass davon abgesehen wird bzw. ob eine öffentliche Beratung oder eine Anhörung von Petenten durchgeführt werden soll.

Unabhängig davon, ob das Gesetz beschlossen wird oder nicht, bleiben Petitionsverfahren auch über die Wahlperiode hinaus bestehen, da Petitionen anders als parlamentarische Initiativen nicht der Diskontinuität unterliegen.
Aber auch wenn der Petitionsausschuss noch in dieser Wahlperiode mehrheitlich die Forderung der Petenten, eine Änderung des Telemediengesetzes abzulehnen, unterstützt und das Plenum des Bundestages diesem Votum zustimmt, ist die Regierung an diesen Beschluss nicht gebunden.
Natürlich sind außerparlamentarische Initiativen insbesondere in dieser Größenordnung nicht von der Hand zu weisen. Welche konkreten Auswirkungen das Petitionsverfahren auf die Regierungsparteien haben wird, vermag ich - auch unter Berücksichtigung der anstehenden Bundestagswahlen - jedoch nicht abzusehen.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich