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Joachim Pfeiffer
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Frage von Karl H. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Karl H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr.Pfeiffer,

ich gehöre zu jenen 3 Millionen Menschen, die Sie im Deutschen Bundestag als emotionsgesteuert bezeichnet haben (geistig minderbemittelt wollten Sie ja wahrscheinlich nicht sagen) und einer Empörungsindustrie hörig.
Nun - ich bin 62 Jahre jung, habe eine Ausbildung zum Hotelkaufmann, ein BWL Studium an der FH München für Hotel- und Restaurantmanagement absolviert und bin zur Zeit mit einem eigenen Kleinbetrieb selbstständig. Ich lege bei meinen Entscheidungen großen Wert auf Fakten ohne mein Bauchgefühl dabei zu vernachlässigen. Was mir in den letzten Jahren dabei speziell durch den Kopf geht, ist die Tatsache, dass immer wieder die gleichen Menschen aus Politik, Wirtschaft, Bankwesen, Justiz, Journalisten etc zusammensitzen und immer wieder die gleichen Probleme mit den gleichen Lösungsansätzen aus der Welt schaffen wollen. Ein Problem dabei schein es zu sein, dass wir Kleinbetriebe stören - Großkonzerne diktieren Ihnen die Gesetzentwürfe inklusive der Lücken, die dann von diesen redlich ausgenutzt werden (Bankskandale, VW, Werkverträge in Schlachthöfen oder bei Mercedes etc.)

Warum also glauben Sie, dass die vorgeschlagenen Schiedsgerichte nicht den ihnen zugewiesenen Spielraum (sprich Entschädigungen bei investitionshemmenden Entscheidungen) nutzen werden?

Wie kann man als Politiker diesen gesetzgeberischen Spielraum freiwillig an Konzerne abtreten - frühestens nach 20 Jahren korrigierbar?

Wie wollen Sie verhindern, das die staatliche Justizgewalt nicht von privaten Anwaltskanzleien übernommen wird (siehe Artikel in der Zeit vom heutigen Tag 09.10.15)?

Ich frage mich also, wer wem mehr hörig ist: Sie den Großkonzernen oder wir der von Ihnen sog. "Empörungsindustrie".

Das alles spricht nicht gegen ein öffentlich verhandeltes, faires Freihandelsabkommen mit den USA -
aber nicht in der vorliegenden Form.

Mit herzlichem Gruß von der demokratisch gesinnten Bevölkerung

Karl Hutter

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hutter,

die gesetzgeberischen Spielräume der nationalen Parlamente werden durch das geplante TTIP-Abkommen nicht eingeschränkt, auch nicht durch Schiedsgerichte.

Zum Thema Investitionsschutz und Schiedsverfahren hat die EU-Kommission im Jahr 2014 öffentliche Konsultationen durchgeführt, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Die EU-Kommission wird auf dieser Basis gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ihre Verhandlungsposition festlegen.

Diese Vorgehensweise der Kommission ist aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion zu begrüßen. Es ist unsere Position, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz können kein Klagerecht von Unternehmen begründen. Wir sind davon überzeugt, dass dies auch möglich ist.

Leider ist festzustellen, dass zum Teil gezielte Desinformationskampagnen gegen Investitionsschutzbestimmungen geführt werden. Dies ist aus meiner Sicht unangemessen. Gern erläutere ich Ihnen dazu die Hintergründe: Investitionsschutz ist nicht grundsätzlich negativ, denn er garantiert Unternehmen, die im Ausland investieren wollen (z.B. eine Fabrik errichten wollen und damit Arbeitsplätze schaffen), dass ihre Investitionen dort gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Dies schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung in einem fremden Land leisten können. Investitionsschutzabkommen garantieren, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine Klage war bisher erfolgreich. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits rund 1.400 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon allein 198 EU-interne Abkommen. Die demokratischen Entscheidungsbefugnisse des Bundestages oder anderer europäischer Parlamente wurden in keiner Weise durch diese Abkommen tangiert.

Die weltweit aktivsten Kläger auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind im Übrigen die Europäer und nicht – wie häufig unterstellt wird – die Amerikaner. So laufen derzeit z.B. vor dem Schiedsgericht in Washington mehrere Klagen von europäischen Ökostrom-Unternehmen gegen Spanien und Tschechien wegen Kürzung der dortigen Ökostromförderung. Und sicher wird niemand in diesem Zusammenhang behaupten wollen, dass etwa die Stadtwerke München (die zu den Klägern in Washington) gehören, die Demokratie in Spanien abschaffen wollen.

Ich plädiere daher vor allem für mehr Sachlichkeit in der Diskussion. Dies heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind. TTIP bietet die Chance zur Modernisierung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. Die Kommission hat hierzu am 16. September Vorschläge vorgelegt, u.a. zur Einrichtung eines öffentlichen, bilateralen Gerichts für Investitionsstreitfälle, einschließlich einer Berufungsinstanz, Vorgaben für die Qualifikation sowie Vorschläge zur Sicherung der Unabhängigkeit der Richter (siehe unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1368&serie=991&langId=de). Über diese Vorschläge werden wir mit unseren transatlantischen Partnern sprechen.

Zur ausführlichen Information zu den verschiedenen immer wieder kritisierten Aspekten von TTIP verweise ich darüber hinaus auf meine Antwort auf die Frage von Herrn Gottstein vom 02.10.2015.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB