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Joachim Pfeiffer
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Frage von Norbert G. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Norbert G. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,

mich würde interessieren, was Sie über die Asylpolitik allgemein und die Unterbringung der Asylanten im Rems Murr Kreis im speziellen denken. Herr Wolf als neuer Spitzenkandidat in BW hat sich angenehm von den pauschalen ´Angeboten´ unserer Kanzlerin abgesetzt, alle Flüchtlinge aus Syrien hier zu behalten.Er möchte die Attraktivität der finanziellen Unterstützung durch Sachzuwendungen ersetzen. Ebenso die CSU. Bei dem 3. ´Paket´ an Griechenland haben Sie ja sehr salomonisch Frau Merkels Entscheidung unterstützt, dies trotz ´großer Bedenken´ halt doch wieder zu schnüren. Ihre Meinung über Cannabis ist mir auch hinreichend bekannt. Aber wie gesagt, Ihre Einstellung zur Asylpolitik kenne ich noch nicht (möchte ich auch nicht im Rahmen von Linsen und Spätzle erfahren). Ich wohne in Winnenden, wo man im Stadtteil Schelmenholz DIREKT neben unseren Friedhof ein Asylantenheim mit Containern aufstellen möchte; Anzahl der Flüchtlinge offen.... Sicherlich wissen Sie als besorgter Abgeordneter davon. Wir im Schelmenholz finden: pietätloser geht´s nicht. OB Holzwarth weigert sich, alternative Grundstücke zu benennen. Ihnen eine schönen, erfolgreichen Wochenbeginn.

Beste Grüße
Norbert Gruber

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Gruber,

die aktuelle Flüchtlingskrise entwickelt sich zur größten politischen Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung und der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2008. Im Vergleich zu früheren Flüchtlingsströmen Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in einer Größenordnung von etwa 100.000 Schutzbedürftigen mit einem überwiegend europäischen und christlichen Hintergrund, meist aus Staaten des damaligen Ostblocks, haben wir es heute mit einer weltweiten Krise zu tun. Die Ursachen liegen in kriegerischen Auseinandersetzungen in Afrika, im Nahen Osten und weltweit, die sich nicht in absehbarer Zeit von selbst erledigen, sondern uns vor lang andauernde Herausforderungen stellen. Aufgrund dieser globalen und langfristigen Dimension brauchen wir eine außen- und sicherheitspolitische Antwort mit dem gesamten Spektrum verfügbarer politischer, humanitärer , also ziviler und militärischer Optionen.

Das westliche Europa muss nun schnell eine gemeinsame Linie finden, denn ohne innereuropäische Solidarität und eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik der Europäischen Union werden wir weder im internationalen Kampf gegen die Fluchtursachen Erfolge erzielen noch können wir nationalstaatlich der zunehmenden Flüchtlingsströme Herr werden. Das Abkommen von Dublin (Dublin III) muss von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union konsequent eingehalten werden, trotz der Entscheidung Deutschlands und Österreichs vom 04.09.2015, der Ausreise von Flüchtlingen aus Ungarn zuzustimmen. Die Weiterreise der Flüchtlinge aufgrund der Notlage an der ungarischen Grenze war und bleibt eine Ausnahme.

Deutschland nimmt als Zielland für die Flüchtlinge eine Sonderrolle ein, denn abgesehen von unserem Wohlstand sind wir das einzige Land der Welt, welches ein subjektives Asylprüfungsrecht im Grundgesetz verankert hat. Das bedeutet, das quasi jeder Mensch weltweit in Deutschland seinen Einzelfall mit dem gesamten rechtsstaatlichen Verfahren prüfen lassen kann. Diese Regelung hat ihren Ursprung in den Erfahrungen des Dritten Reiches und Zweiten Weltkriegs, wo viele Flüchtlinge aus Deutschland anderswo keine Aufnahme fanden. Die Verfassungsväter haben 1949 im Lichte dieser Erfahrungen – es ging damals um nur wenige Tausend Menschen – dieses Recht in die Verfassung aufgenommen. Die Zeiten haben sich aber grundlegend geändert, Deutschland kann nicht quasi die ganze Welt bei sich aufnehmen. Deshalb plädiere ich persönlich für eine Grundgesetzänderung, die das subjektive Grundrecht auf Asyl durch ein Gnadenrecht des Staates ersetzt. Nur so können wir politisch entscheiden, wen wir wann, wie und in welcher Zahl aus religiös-politischen, humanitären oder sonstigen Gründen, z.B. Fachkräftegewinnung, aufnehmen. Damit wäre eine wirksame Steuerung der Zuwanderung möglich. Dafür werbe ich, aber leider scheint dies im Moment politisch noch nicht durchsetzbar zu sein.

Aktuell arbeiten Bund, Länder und Kommunen intensiv daran, miteinander kurzfristig wirksame Lösungen zu finden. Es ist aber offensichtlich, dass wir angesichts der Zahlen vor allem der letzten Wochen mehr als bisher, deutlich mehr, leisten müssen. Dies gelingt nur mit einem gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen. Gleichzeitig sind auch alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert. Mit den Beschlüssen des Koalitionsausschusses vom 6. September 2015 haben wir uns auf ein wegweisendes Maßnahmenpaket verständigt.

Drei zentrale Elemente sind hervorzuheben:

1. Wir müssen konsequent differenzieren, wer politisch verfolgt ist bzw. als Kriegsflüchtling zu uns kommt und wer offenkundig nicht schutzbedürftig ist. Schutzbedürftige sind schnell zu identifizieren, als Flüchtlinge anzuerkennen und zu integrieren.

2. Wer offenkundig nicht schutzbedürftig ist, muss unverzüglich abgelehnt und ebenso schnell in seine Heimat rückgeführt werden. Asyl kann nicht die Antwort auf Armut in der Welt sein.

3. Wir müssen die Fluchtursachen (Bürgerkriege, Destabilisation ganzer Staaten und terroristische Gefahren) bekämpfen und die Nachbarländer der Krisengebiete stabilisieren. Jeder Euro an Entwicklungshilfe spart am Ende 10 Euro an Sozialleistungen, die für Flüchtlinge in Deutschland ausgegeben werden. Ich denke hier auch an Schutzzonen, die vor Ort in den Krisengebieten eingerichtet werden, in die beispielsweise Flüchtlinge aufgenommen werden, die die europäischen Grenzen noch nicht erreicht oder überschritten haben.

Konkret müssen wir nun folgende innen- und außenpolitischen Maßnahmen schnell umsetzen:

Das Asylverfahrensrecht ist fortzuentwickeln. Wesentlich ist hierbei eine Verlängerung der zulässigen Aufenthaltshöchstdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen auf bis zu sechs Monate für alle Asylantragsteller, für Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten bis zur Aufenthaltsbeendigung (jeweils mit entsprechender Verlängerung der Residenzpflicht). Montenegro, Albanien und der Kosovo sollen auch als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Für Serbien, Bosnien und Mazedonien gilt dies bereits seit November 2014. Die europäischen Innenminister müssen sich auf eine EU-weit einheitliche Liste sicherer Herkunftsstaaten verständigen.

Fehlanreize, die unser Sozialsystem insbesondere für abgelehnte Asylsuchende setzt, werden beseitigt. So werden wir den Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen so weit wie möglich durch gleichwertige Sachleistungen ersetzen. Geldleistungen werden nur noch maximal einen Monat im Voraus gezahlt. Abschiebungen dürfen nur noch drei Monate ausgesetzt werden (bislang sechs Monate).

In den kommenden drei Jahren werden 3.000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen. Das Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll weiter zügig aufwachsen, um zusätzliche Entscheidungskapazitäten zu schaffen.

Die EU-Außenpolitik ist mit dem Ziel eines einheitlichen EU-Asylrechts grundlegend zu reformieren. Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten unter Einbeziehung der Entwicklungszusammenarbeit auf nationaler und europäischer Ebene ist deutlich zu verstärken. Es gilt vor allem mehr Mittel für die Versorgung von Flüchtlingen und Bekämpfung illegaler Migration in Jordanien, Libanon und besonders der Türkei bereitzustellen mit dem Ziel, dort angemessene Lebensbedingungen für die Flüchtlinge zu schaffen.

Ein besonderes Augenmerk richten wir auf die Integration der Flüchtlinge und ihrer Familien bei uns. Menschen, die Anspruch auf Schutz haben und dauerhaft bei uns bleiben, sollen schnell Arbeit finden und sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können. Sprache und Bildung sind der Schlüssel dafür. Eine schnelle und erfolgreiche Integration derer, die vor Krieg und Vertreibung geflohen sind, ist in unser aller Sinne. Entscheidend ist auch die Integration in den Arbeitsmarkt. Hier braucht es eine gemeinsame Antwort von Wirtschaft, Verbänden und Politik.

Die ausführlichen Vereinbarungen des Koalitionsausschusses von CDU/CSU und SPD finden Sie als Anlage beigefügt.

Wir sehen, wie groß die Herausforderungen sind und welche Anstrengungen auf uns warten. Lassen Sie uns diese pragmatisch und mit gesundem Menschenverstand angehen. Wenn wir alle miteinander mit Herz und Engagement handeln, werden wir diese nationale und europäische Bewährungsprobe bestehen.

Nun zu Ihrer Frage bezüglich des geplanten Baus der Asylbewerberunterkunft in Schelmenholz. Angesichts des gestiegenen Bedarfs an Asylbewerbereinrichtungen sind Bund, Länder und Kommunen in der Verantwortung, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Der Bund wird Ländern und Gemeinden alle verfügbaren Plätze in Bundesliegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Gleichzeitig stellt er finanzielle Mittel zur Verfügung, um provisorische Flüchtlingsunterkünfte zu errichten. Um eben eine solche Unterkunft handelt es sich auch in Schelmenholz.

Die Stadt Winnenden ist entsprechend der Aufgabenteilung hier gefordert, eine Lösung zu finden. Deshalb will ich das gar nicht weiter kommentieren. Ich gehe aber davon aus, dass der Vorschlag gründlich abgewogen wurde. Ich habe selbst jahrelang in der Nähe eines Friedhofs gewohnt. Deshalb erschließt sich mir nicht, was daran pietätlos ist?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB