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Joachim Pfeiffer
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Frage von Wolfgang H. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Wolfgang H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

bitte begründen Sie mir mit möglichst konkreten Antworten auf meine nachfolgenden Fragen, warum Sie gegen eine Offenlegung auf "Heller und Pfennig" für Abgeordnete sind.

Jeder Hartz IV-Empfänger (zu denen ich nicht gehöre) und jeder Rentner (vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze) sowie Früh-Pensionäre sind verpflichtet Nebenverdienste über 450 € anzuzeigen - und soweit sie höhere Einkünfte erzielen, werden diese mit den gezahlten Hartz IV-Bezügen, den Renten oder Pensionen verrechnet. Warum sollte dieses Prinzip nicht auch für Abgeordnete in allen Parlamenten gelten? Darüber hinaus sind Arbeitnehmer/Beamte verpflichtet, vor Aufnahme einer Nebentätigkeit diese bei ihrem Arbeitgeber/Dienstherrn detailliert anzumelden und sich diese genehmigen zu lassen. Bei Unterlassung riskieren die Betreffenden eine Kündigung. Warum werden Abgeordnete - die ihre Funktion zum Wohle des Volkes ausüben sollen - von einer gleichartigen Verpflichtung ausgenommen?
Abgeordnete sind zwar keine Arbeitnehmer des Volkes - dies ist aber auch kein Hartz IV-Empfänger. Selbst bei einer genehmigten Nebentätigkeit sind "normale" Arbeitnehmer und Beamte den Restriktionen des Arbeitszeitgesetzes unterworfen, d.h. sie dürfen eine bestimmte Wochenarbeitszeit für Haupt- und Nebentätigkeit nicht überschreiten. Warum werden Abgeordnete von der Offenlegung des Zeitaufwandes für ihre ausgeübte Nebentätigkeit ausgenommen? Warum kritisiert ihre Partei lauthals die Zuverdienste und den Zeitaufwand für die Vortragsveranstaltungen des SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück, obgleich dieser seiner Offenlegungsverpflichtung nachgekommen ist - und verweigern zusammen mit CSU und FDP mit überwiegender Mehrheit die Offenlegungspflicht für alle Abgeordneten - nicht nur in Bezug auf Zuverdienst sondern auch für den Zeitaufwand? Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie und Ihre Partei mit dieser scheinheiligen Haltung die Glaubwürdigkeit von Politikern und Parteien verbessern können??

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hartmann,

zunächst einige Fakten: Entgegen der öffentlichen Meinung üben von den derzeit 620 Abgeordneten des Bundestages etwa 70 Prozent überhaupt keine entgeltlichen Nebentätigkeiten aus. Betrachtet man die Berufsstruktur des Bundestages, so ist festzustellen, dass rund 30 Prozent Selbständige aus den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handwerk und Landwirtschaft stammen sowie freiberuflich tätig sind. Diese Kolleginnen und Kollegen können sich für die Dauer ihrer Parlamentszugehörigkeit nicht völlig aus ihrem Unternehmen, ihrem Betrieb oder ihrer Kanzlei bzw. Praxis zurückziehen. Ansonsten müssten sie erhebliche berufliche Nachteile nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag befürchten. Dies wiegt umso mehr, da Abgeordnete mit ihrem Mandat lediglich einen zeitlich begrenzten Auftrag des Wählers übernehmen. Die Verankerung des Abgeordneten in seinem Beruf stärkt zudem seine Unabhängigkeit, auch gegenüber seiner eigenen Fraktion und Partei.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass es beispielsweise der Gesundheitspolitik gut tut, wenn sich dort auch Mediziner mit Berufserfahrung tummeln, dass es der Rechtspolitik gut tut, wenn Juristen am Werk sind, und dass es ebenso der Wirtschaftspolitik gut tut, wenn Unternehmer ihr Wissen einbringen und nicht nur Lehrer und Sozialarbeiter.

Für mich ist Politik eine Berufung auf Zeit. Angesichts dessen erachte ich es für wichtig und notwendig, sich als Abgeordneter jederzeit die persönliche Unabhängigkeit und vor allem die Berufsbefähigung außerhalb der Politik zu bewahren, um später bei Bedarf ein Leben jenseits der Politik führen zu können. Das geht aber nur durch berufliches Engagement auch außerhalb des Bundestages, um den Einblick in andere Branchen und wirtschaftliche und technologische Entwicklungen zu erhalten und zu behalten. Das ist für mich geradezu eine Strategie der politischen Unabhängigkeit, denn wer auf Gedeih und Verderb dem politischen Betrieb ausgeliefert ist, kann nicht mehr eigenverantwortlich handeln. Wer dagegen auch in der freien Wirtschaft Fuß fassen könnte, muss nicht bei allem mitmachen, bloß um seine Karriere-Chancen im politischen Hamsterrad zu retten.

Nebeneinkünfte sind für mich aus dieser Warte in keiner Weise verwerflich. Vielleicht können Sie sich mir anschließen in der Meinung, dass der Deutsche Bundestag nicht eindimensional ein Parlament der Beamten - die ja bekanntlich unkündbar sind - sein, sondern eine möglichst breite Berufsvielfalt repräsentieren sollte?! Deshalb hinkt auch der Vergleich mit der Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit von Beamten. Diese sind aufgrund ihres Status lebenslang versorgt, es sei denn, sie selbst kündigen oder stehlen "goldene Löffel". Die politische Überlebenszeit eines Abgeordneten hängt hingegen von vielen Unwägbarkeiten ab, die nicht allein in der Person des Kandidaten liegen. Und entgegen der am Stammtisch verbreiteten Meinung hat ein Ex-Politiker nach seinem Mandat nicht für alle Zeit ausgesorgt.

Für mich steht in meiner Funktion als Bundestagsabgeordneter das politische Mandat ganz eindeutig im Mittelpunkt. Hieran lasse ich mich politisch gerne messen. Dass ich mit dem Mandat eine Person öffentlichen Interesses bin, die sich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu stellen hat, gehört ohne Zweifel dazu. Ich bin jedoch nicht bereit, mein freies Mandat durch eine komplette Offenlegungspflicht im Hinblick auf Verdienst und Zeitaufwand einschränken zu lassen.

Wohin soll das führen? Irgendwann gehört es dann auch noch zur vermeintlichen Transparenz, zu welchem Friseur ich gehe, wo ich Urlaub mache oder wie ich meine Kinder erziehe? Oder muss ich mir bald vorschreiben lassen, in welcher Branche ich eine Nebentätigkeit ausüben oder welchen Geschäftskunden ich haben darf?

Wäre das der Abgeordnete, den SIE sich wünschen? Ich bin sicher, ein solcher Mandatsträger wäre kein Vertreter der Bürger mehr, sondern ein Getriebener der Medien und des Zeitgeistes. Welcher qualifizierte Bürger wird sich dann noch für ein Mandat zur Verfügung stellen, wenn einem Politiker nur Misstrauen entgegenschlägt...

Das Bundesverfassungsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 4. Juli 2007 unter Randnummer 262 sehr treffend formuliert: „Wer freie Abgeordnete will, muss auch ein Mindestmaß an Vertrauen aufbringen, dass die vom Volk Gewählten ganz überwiegend mit Umsicht und verantwortlich mit ihrer Freiheit umgehen.“ Das Prinzip der Freiheit verlangt, dass nur der Missbrauch gezielt und konsequent bekämpft, aber nicht, dass aus dem abweichenden Verhalten Weniger zuerst ein Ambiente des Misstrauens geschürt und sodann eine lückenlose Kontrolle auch der redlich Arbeitenden verlangt wird. Die Bundesverfassungsrichter haben somit gerade nicht den „gläsernen“ Abgeordneten gefordert. Vielmehr kamen sie zu dem Ergebnis, dass in Stufen pauschalierte Aussagen über die Höhe der Einkünfte und die Art der Tätigkeit ein taugliches Mittel sind, auf mögliche Interessenverknüpfungen und ihren Umfang hinzuweisen. Das geltende Stufenmodell zu Offenlegung der Einkünfte wurde gerade deshalb gewählt, weil zwischen den Grundrechten der Abgeordneten und dem berechtigten öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Abgeordneten abzuwägen war. Bereits dieses Modell halte ich für grenzwertig und nicht im Sinne des freien Mandates.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB