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Joachim Pfeiffer
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Frage von Lothar B. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Lothar B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Hallo, Herr Abgeordneter,

Können Sie mir sagen, warum Südzucker A.G. bei einem Reingewinn von ca. 160 Mio. € im Geschäftsjahr 2008/09 etwa 34 Mio. € Direktsubvention aus dem Agrartopf erhält, während z.B. in Berliner Bezirken aus Geldmangel Kinder häufig nicht mehr in Musikschulen angenommen werden?
Da ist es nicht verwunderlich, dass Frau Aigner die Veröffentlichung der Zahlen der direkten Zuwendungen mit aller Macht verhindern will.

Mit freundlichen Grüßen, Lothar Bartz

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Sehr geehrter Herr Bartz,

Ihre Frage verlangt eine Schilderung des Hintergrunds: Seit dem 11. Juni 2009 werden die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL), dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) und dem Europäischen Fischereifonds (EFF) im Internet veröffentlicht. Die Veröffentlichung geht zurück auf die EU-Transparenzinitiative, nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Informationen über die Empfänger der Gemeinschaftsmittel zu veröffentlichen. Die Bundesregierung unterstützt dieses Ziel und hat national die entsprechende gesetzlichen Grundlagen geschaffen.

Die Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der Unionsfraktion hatte allerdings in der Debatte um die EU-Transparenzinitiative mehrfach die Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet kritisiert und sieht sich durch die einseitige Berichterstattung der vergangenen Wochen in ihren Ansichten bestätigt. Letztlich hat die Veröffentlichung nicht zu einer inhaltlichen Debatte um Hintergründe der Zahlungen geführt, sondern zu einer Neid- und Umverteilungsdebatte. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sehen in der Veröffentlichung der Empfänger von EU-Zahlungen eine massive Ungleichbehandlung mit sonstigen Empfängern von nationalen oder europäischen Transferzahlungen. So werden beispielsweise nationale Beihilfen an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft nicht veröffentlicht.

Darüber hinaus gibt es noch offene rechtliche Fragen. So hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden EU-Norm in Frage gestellt. Das Gericht untersagte die Veröffentlichung der Daten der Kläger und legte im Februar 2009 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen insbesondere zur Vereinbarkeit der Veröffentlichung der Informationen mit dem Grundrecht auf Datenschutz vor. Zwei weitere Verwaltungsgerichte (Aachen und Münster) schlossen sich der Auffassung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden an. Daraufhin hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) die Veröffentlichung der Daten vorerst untersagt.

Die danach erfolgten gerichtlichen Beschlüsse gingen in unterschiedliche Richtungen. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Veröffentlichung wurde nicht angenommen. Dies war für das BMELV und die Länder Grund genug, die Veröffentlichung der Daten zu veranlassen.

Die Bayerische Staatsregierung hat keine Daten von Empfängern aus Bayern zur Verfügung gestellt. Begründet wird dies mit der rechtlichen Unsicherheit nach unterschiedlichen Entscheidungen von Verwaltungsgerichten. Zunächst müsse abgewartet werden, wie der EuGH die Frage des Datenschutzes bewerte. Belastungen des Bundeshaushaltes durch Strafzahlungen aus einem von der EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren sind derzeit nicht zu befürchten. Wir haben Verständnis für die Haltung der Bayerischen Staatsregierung und halten sie für gerechtfertigt.

Undifferenzierte Kritik, u.a. von Nichtregierungsorganisationen, an den Empfängern von EU-Zahlungen zeigt, dass die Informationen über die Hintergründe und Entwicklung der Zahlungen aus der EU nicht zur Kenntnis genommen werden. Argumente werden vermischt und so kombiniert, dass sie in die jeweilige Weltanschauung hinein passen.

Dass z.B. Ausfuhrerstattungen vornehmlich an große Unternehmen gezahlt werden, liegt in der Natur der Sache. Ein Landwirt kann kaum Handelsbeziehungen mit einem anderen Land bzw. Kontinent aufnehmen. Er profitiert aber als Rohstofflieferant von den Zahlungen an das Unternehmen. Die Erstattung wird grundsätzlich an das exportierende Unternehmen gezahlt, um einen Teil der Differenz zwischen dem Preis für die aufgrund höherer Produktionsstandards und Bewirtschaftungsauflagen meist teureren europäischen Produkte und dem Weltmarktpreis auszugleichen.

Vor der Abgabe eines Gesamturteils sollte man sich schon die Mühe machen, die Hintergründe der Zahlungen zu erkennen. Der größte Teil der Zahlungen an die Unternehmen, die derzeit im Zentrum der öffentlichen Betrachtung stehen, stammt aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Daraus werden viele Einzelmaßnahmen finanziert, wie z.B.

- Zölle und Exporterstattungen
- Interventionsmaßnahmen
- Lager- und Verarbeitungshilfen
- Nahrungsmittelhilfen
- Beihilfen für Schulmilch

Darüber hinaus werden Sektoren finanziell unterstützt, die sich aufgrund bereits eingeleiteter, massiver Veränderungen der EU-Agrarpolitik in einer Umstrukturierungsphase befinden, z.B. eben die Zuckerindustrie, auch die Kartoffelstärkehersteller und der Weinbau (Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen).

Zu den oft kritisierten Exportförderungsmaßnahmen der EU ist zu sagen, dass es klares Ziel der EU ist, marktverzerrende Agrarsubventionen deutlich abzubauen und alle handelsverzerrenden Agrarexportfördermaßnahmen im Rahmen der laufenden WTO-Verhandlungen weltweit abzuschaffen.

In der aktuellen Diskussion wird allerdings ein Aspekt völlig außen vor gelassen: Mit den seit den 90er Jahren eingeleiteten Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU hat die Bedeutung der Marktmaßnahmen und der Umfang der Preisstützung in fast allen Produktbereichen deutlich abgenommen. Mit der GAP-Reform von 2003 wurde mit der Einführung einer Betriebsprämie auf ein neues Direktzahlungssystem umgestellt, bei dem die Beihilfen nicht mehr produktionsbezogen gezahlt werden. Wir werden uns diese erfolgreiche Neuausrichtung der Agrarpolitik nicht kaputt reden lassen. Es gab und gibt auch keine Heimlichtuerei bei den Empfängern von Direktzahlungen. Jeder kann und konnte in entsprechenden Broschüren des BMELV nachlesen, wie hoch die Zahlungen je Hektar Betriebsfläche sind.

Ich möchte noch einmal betonen, dass die Gewährung von Direktzahlungen der EU kein Verteilen von Almosen oder Sozialleistungen darstellt. Sie sind vielmehr ein Ausgleich für gesellschaftlich gewollte Leistungen der Land- und Ernährungswirtschaft wie die Einhaltung strenger Auflagen im Tier- oder Naturschutz oder die Erhaltung der Kulturlandschaft. Auch in Zukunft werden daher Zahlungen in einem gewissen Umfang notwendig sein.

Die Politik der CDU/CSU-Fraktion ist daran ausgerichtet, in Deutschland eine leistungsfähige Produktion von qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu ermöglichen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu angemessenen Preisen mit Lebensmitteln in hoher Qualität zu versorgen. Deshalb setzt die CDU/CSU-Fraktion auf eine flächendeckende Land- und Forstwirtschaft und eine starke Ernährungswirtschaft in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB