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Joachim Herrmann
CSU
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Frage von Ulrich O. •

Frage an Joachim Herrmann von Ulrich O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Herrmann,

in Kürze dürfte das überarbeitete Polizeigesetz in Bayern in Kraft treten. Nun soll die Polizei bereits bei "drohender Gefahr" agieren können, wenn ein "bedeutendes Rechtsgut" in Gefahr ist. Unterstützer des Gesetzes führen an, dass umfangreiche Maßnahmen im Sinne des Gesetzes erst durch richterliche Erlaubnis möglich seien, doch in der Praxis wird diese oftmals erst im Nachgang an Überwachungsmaßnahmen erteilt.

- Wie stellt dieses Gesetz sicher, dass die persönlichen Rechte der freiheitlichen Selbstbestimmung weiterhin den Schutz genießen, den das Grundgesetz vorsieht?
- Wie ist der Begriff des "bedeutenden Rechtsguts" definiert und was ist unter "drohender Gefahr" zu verstehen?
- Wie beeinflussen etwaige Vorstrafen z.B. das Recht auf Teilnahme an Demonstrationen?
- Rechtfertigt die - objektiv betrachtet - relativ geringe Bedrohung durch den Terror derartige Eingriffe in die Freiheit der bayerischen Bürger?

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen
U. O.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Oberender,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 19. April 2018, in der Sie zum am 15. Mai 2018 vom Bayerischen Landtag beschlossenen und am 25. Mai 2018 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts Bezug nehmen.

Um kriminelle Taten zu verhindern, ist es wichtig, den Kriminellen frühzeitig auf die Spur zu kommen. Die größte Herausforderung ist dabei, mit dem technischen Fortschritt mithalten zu können. Es darf nicht sein, dass der Staat bislang nicht befugt war, Drohbriefe eines Stalkers oder sonstige Hinweise auf eine angekündigte schwere Straftat sicherzustellen und auszuwerten, nur weil sie nicht auf dem privaten Laptop oder Smartphone, sondern in der Cloud gespeichert sind. Ängste und Sorgen, dass unbescholtene Bürger staatliche Eingriffe hinnehmen müssen, sind dabei unbegründet. Die Anwendung der polizeilichen Eingriffsmittel unterliegt stets einer strikten Kontrolle durch die unabhängigen Gerichte, durch den Landesdatenschutzbeauftragten und durch den Bayerischen Landtag.

Auch die nationale wie internationale Gefährdung durch verschiedene Formen des Terrorismus und Extremismus ist anhaltend hoch. Denken Sie hierbei an die Anschläge in Bayern im Juli 2016 sowie insbesondere an das Attentat am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016.

Sehr geehrter Herr Oberender,

mit der Neuordnung des bayerischen Polizeirechts verfolgt die Bayerische Staatsregierung neben der Umsetzung von Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und von europäischen Datenschutzvorschriften das Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern einen bestmöglichen Schutz vor den genannten Bedrohungslagen zu bieten. Die Staatsregierung zielt nicht darauf ab, die Polizei mit einer besonderen Machtfülle auszustatten und einen sogenannten "Überwachungsstaat" gesetzlich zu legitimieren. Uns geht es ausschließlich um die Sicherheit der Menschen in unserem Land.

Aufgrund der aktuell verbreiteten Gerüchte und Fehlinformationen möchte ich klarstellend nur einige Punkte herausgreifen:

* Falsch ist die Behauptung, die Polizei könne bereits früher und verdachtsunabhängig gegenüber Jedermann tätig werden. Richtig ist vielmehr, dass die Polizei auch weiterhin Tatsachen nachweisen muss, dass erhebliche Angriffe auf Leib, Leben, Gesundheit oder die persönliche Freiheit zu erwarten sind oder solche Angriffe erhebliche Auswirkungen auf bedeutende Rechtsgüter haben können. Es muss also tatsächlich etwas Schlimmes drohen, ohne dass jedoch Zeit und Ort schon konkret feststehen.

* Falsch ist, dass Bürger einen Überwachungsstaat befürchten müssten. Richtig ist vielmehr, dass die Polizei auf der Höhe der Zeit arbeiten muss und wir unseren Polizeibeamten das nötige Rüstzeug an die Hand geben müssen, um die Bürgerinnen und Bürger noch effektiver schützen zu können. Selbstverständlich muss sich die Polizei dabei an die rechtsstaatlichen Vorgaben halten, die uns unsere Gesetze und Gerichte vorgeben.

* Falsch ist, dass Bürger den Einsatz von Handgranaten durch Streifenbeamte befürchten müssten. Richtig ist vielmehr, dass der Einsatz von Handgranaten auch nach bisherigem Recht möglich und allein den Spezialeinsatzkräften vorbehalten war. Neu ist lediglich, dass Spezialeinheiten künftig auch andere Explosivmittel einsetzen dürfen, etwa um bei besonderen terroristischen Bedrohungslagen eine Türe öffnen zu können, hinter der sich Terroristen verschanzt haben. Auch in Zukunft hat kein Streifenbeamter Handgranaten mit dabei. Handgranaten wurden auch noch nie eingesetzt von der Bayerischen Polizei.

* Falsch ist die Darstellung, dass die Polizei unbescholtene Bürger vorsorglich für unbegrenzte Zeit in Gewahrsam nehmen könne. Richtig ist vielmehr, dass die Polizei den Betroffenen unverzüglich einem Gericht vorführen muss. Allein das unabhängige Gericht entscheidet über die Fortdauer des Gewahrsams, nicht die Polizei! Das Gericht muss spätestens alle drei Monate erneut prüfen, ob von dem Betroffenen weiter eine Gefahr ausgeht.

* Falsch ist, dass die Polizei zukünftig bei Demonstrationen mehr Videoaufnahmen anfertigen könne. Richtig ist vielmehr, dass bei Demonstrationen das Versammlungsgesetz und gerade nicht das Polizeiaufgabengesetz gilt. Neu im PAG ist dagegen die Möglichkeit von Übersichtsaufnahmen bei Veranstaltungen, wenn etwa ein Volksfest groß und unübersichtlich ist.

Im Anhang finden Sie im Übrigen nähere Ausführungen sowie Antworten zu einer Fülle von Fragen, die im Zusammenhang mit den PAG-Änderungen immer wieder gestellt werden. Weitergehende Informationen können zudem auf der Homepage www.pag.bayern.de abgerufen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Herrmann, MdL

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