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Jens Kerstan
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Frage von Andreas K. •

Frage an Jens Kerstan von Andreas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kerstan,

mit Interesse las ich Ihr Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeit über eine Verkleinerung der Hamburgischen Bürgerschaft, einhergehend mit der Forderung, die Bürgerschaft müsse professioneller werden. Ich stimme Ihnen in Ihren Aussagen zu, sehe aber die Gefahr, dass dieses Thema ein typisches politisches Evergreen-Thema wird, also ein Thema, das immer wieder angesprochen wird, aber faktisch nicht bearbeitet wird. Mit einer gewissen Enttäuschung las ich, dass Sie selber im Interview keine Aussagen darüber machen wollten, wie die Professionalisierung der Bürgerschaftsabgeordneten gestaltet werden soll.

Daher stelle ich Ihnen folgende Frage: Wie stellen Sie sich konkret vor, dass die Bürgerschaftsabgeordneten in Ihrer Tätigkeit professioneller werden? Inwiefern soll die Bürgerschaft verkleinert werden? Wie sollen die Diäten gestaltet werden? Welche weiteren Probleme müssten Ihrer Meinung nach angegangen werden und welche konkreten Lösungsvorschläge haben Sie hierzu?

Mir ist sehr bewusst, dass die Beantwortung der Fragen zu einer Kontroverse führen. Jedoch glaube ich, dass erst mit Mut ein solches Thema endlich wirklich bearbeitet werden kann.

Ich danke Ihnen und freue mich auf Ihre Antwort,
mit freundlichen Grüßen,
Andreas Kegel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kegel,

vielen Dank für Ihre Fragen, die gerne beantworte.

Im ZEIT-Interview vom 30.4.2014 habe ich darauf hingewiesen, dass unser Teilzeitparlament gegenüber dem Senat bei komplexen Themen seine Kontrollfunktion nur noch schwer wahrnehmen kann. Beispiele wären die Aufstockung der Hapag-Lloyd-Anteile, die Elbphilharmonie, der Netze-Rückkauf. Ich habe angeregt, in Hamburg jetzt über eine Professionalisierung des Parlaments eine Debatte zu führen.

Ein Schritt hin zur Professionalisierung wäre es, für die Bürgerschaft einen vernünftig ausgestatteten parlamentarischen Dienst einzurichten - so wie ihn die Mehrzahl der anderen Landesparlamente hat. Dieser könnte als Grundlage für Parlaments- und Ausschussentscheidungen im Auftrag der Fraktionen Expertisen oder Vermerke erstellen. Auch bei der Unterstützung durch wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre eine bessere Ausstattung als die derzeitigen 26 Wochenstunden pro Parlamentarier sehr wünschenswert.

Die Frage, ob Hamburg ein Vollzeitparlament bekommen sollte, müsste in der kommenden Wahlperiode in aller Ruhe und Gründlichkeit abgewogen werden. Darüber sollte dann mit einer sehr breiten parlamentarischen Mehrheit entschieden werden.
Wenn Hamburg diesen Weg geht, hätte eine Bürgerschaft aus Vollzeit-Parlamentariern sicherlich weniger Abgeordnete als heute. Es ist aber zu früh, schon jetzt über eine konkrete Zahl an Sitzen zu spekulieren. Nach ersten Berechnungen der Bürgerschaftskanzlei könnte ein Vollzeitparlament kostenneutral aus ungefähr 80 Abgeordneten bestehen.

Bei der Vergütung sollte man sich an den Diäten in vergleichbaren Vollzeit-Landesparlamenten orientieren. Eine solche Reform sollte möglichst ohne hohe zusätzliche Kosten umgesetzt werden. Ein Vorschlag zur Gegenfinanzierung wäre die Abschaffung der Deputationen. Auch bin ich überzeugt, dass sich bei der Betreuung von Untersuchungsausschüssen Geld einsparen ließe. Derzeit muss das Parlament für jeden parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) eine Arbeitsstab einrichten. Ein Vollzeitparlament könnten diese Aufgabe zum größten Teil durch den wissenschaftlichen Dienst abdecken.

Ich werde das Thema weiter auf meiner Agenda behalten - auch wenn ich damit in den anderen Parteien und auch in meiner eigenen nicht nur Zustimmung ernte.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Antwort fürs erste weiterhilft.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Kerstan (MdHB)