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Frage von Steffen K. •

Frage an Jella Teuchner von Steffen K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Werte Frau Teuchner!

Warum gibt es in Deutschland eine Art der modernen Sklavenhaltergesellschaft, (Zeitarbeit)? Andere Staaten kennen den Begriff, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. In Deutschland ist er unbekannt. Wann wird dieser Teil der Diskiminierung abgeschafft?

Brüssel hat diesbezüglich bereits etwas ausgesagt und Deutschland schiebt es vor sich her. Wann wird es ein Gesetz, welches man nicht umgehen, oder durch einen Winkeladvokaten aushebeln kann, geben, welches die Zeitarbeit befristet und das Unternehmen, in welches man ausgeliehen wurde, zwingt, entweder den selben Lohn wie ein regulärer Angestellter zu zahlen, (einschlieslich aller Sonderzahlungen + Urlaub), oder den Leiharbeiter fest, (mit gleichen Konditionen), zu übernehmen?

Es wäre doch zumindestens empfehlenswert, sich in den Nachbarstaaten, (Schweiz, Dänemark, Frankreich, Österreich), diesbezüglich zu erkundigen. Und es wäre auch mal nachdenkenswert, etwas über den Tellerrand hinauszuschauen, (Finnland, Island, Kanada). Warum will man nichts lernen, was andere möglicherweise anders und vielleicht auch besser machen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Knobloch,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Arbeit, speziell Zeitarbeit.

Zeitarbeit ist ein wichtiger Beschäftigungsmotor am Standort Deutschland. Zeitarbeit als Erwerbsform hierzulande ist jedoch nach wie vor die Ausnahme: Bezogen auf 40 Millionen Erwerbstätige liegt der Anteil der Zeitarbeit nur bei 1,7 Prozent, gegenüber 1,3 Prozent im Jahr 2005. Zum Vergleich: In Frankreich (2,5 Prozent), Großbritannien (2,9 Prozent) und den Niederlanden (4,4 Prozent) sind die diesbezüglichen Anteile deutlich höher.

Zeitarbeit soll eine Brücke in reguläre Beschäftigung sein. Zeitarbeit darf nicht für Lohndumping und Tarifflucht missbraucht werden, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Es darf nicht sein, dass Kollegen, die im gleichen Betrieb dieselbe Arbeit machen, unterschiedlich bezahlt werden. So hat es auch der Gesetzgeber vorgegeben: im ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde der Grundsatz der Entgeltgleichheit eingeführt, §§ 3 I Nr. 3, 9 Nr. 2, 10 IV Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Der Verleihbetrieb ist zu gleicher Bezahlung von Leiharbeitnehmern und Festangestellten verpflichtet.

Allerdings – und das ist das Problem – kann von diesem Grundsatz durch Tarifvertrag abgewichen werden. Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist eine Öffnungsklausel enthalten, wonach die Tarifparteien vom Gleichstellungsgrundsatz auch nach unten abweichen können. Davon haben die Tarifparteien großflächig Gebrauch gemacht. Die Tarifbedingungen in der Zeitarbeit weichen zum Teil erheblich vom gesetzlichen Leitbild „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ab.

Die SPD bemüht sich schon lange, Armutslöhne zu bekämpfen. Wir wollen branchenspezifische Mindestlöhne auf Basis von Tarifverträgen und einen gesetzlichen Mindestlohn. Der Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat aktuell zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes und das Mindestarbeitsbedingungengesetz, um für weitere Branchen existenzsichernde Löhne einzuführen.

Nach zähem Ringen mit der CDU/CSU, die beide Gesetzentwürfe lange blockiert hat, ist es der SPD gelungen, im Koalitionsausschuss am 12. Juni 2008 ein Verfahren für die Mindestlohngesetze zu beschließen. Damit ist eine gute Grundlage geschaffen, um die Gesetze noch vor der Sommerpause auf den parlamentarischen Weg zu bringen. Gerade für die interessierten Branchen an der Aufnahme im Arbeitnehmerentsendegesetz brauchen wir baldmöglichst eine klare Rechtsgrundlage.

Auch die Zeitarbeitsbranche sieht die Notwendigkeit für einen branchenspezifischen Mindestlohn, es liegt ein entsprechender Antrag vor, ihre Branche in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufzunehmen.

Meine Fraktion und ich wollen mit den Mindestlohngesetzen ehrliche Unternehmen vor unfairer Billigkonkurrenz schützen. Der Wettbewerb soll über bessere Produkte und Dienstleistungen und besseres und effizienteres Management erfolgen und nicht über die Höhe der Löhne der Beschäftigten.

Zudem ist am 9. Juni 2008 im EU-Beschäftigungsministerrat in Luxemburg eine politische Einigung über die Richtlinien zur Arbeitszeit und zur Leiharbeit erzielt worden. Die Leiharbeitsrichtlinie macht den in Deutschland bereits seit 2004 geltenden Gleichstellungsgrundsatz («equal pay - equal treatment») auch europaweit zum Maßstab. Die Mitgliedstaaten können aber - wie bereits heute in Deutschland - zulassen, dass in Tarifverträgen andere Regelungen getroffen werden.

Wir brauchen deshalb branchenspezifische Mindestlöhne auf Basis von Tarifverträgen und einen gesetzlichen Mindestlohn.

Mit freundlichen Grüßen
Jella Teuchner