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Jan Mücke
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Frage von Peter M. •

Frage an Jan Mücke von Peter M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Mücke,

leider bin ich mir noch unsicher, welchem Kandidaten ich zur kommenden Wahl meine Stimme gebe. Daher würde ich sie gerne fragen, wie ihre Position zum Thema Gleichberechtigung für Männer und Jungen in unserer Gesellschaft ist und welche Maßnahmen sie ergreifen würden.

* Die körperliche Unversehrtheit von Jungen der von Mädchen gleichstellen. Status Quo: Beschneidungen von Mädchen sind aus gutem Grund verboten, rituelle Beschneidungen von Jungen wurden per extra nachgereichtem Sondergesetz erlaubt

* Maßnahmen zur Angleichung der Lebenserwartung von Männern und Frauen. Status Quo: Durchschnittliche Lebenserwartung von Männer rund 76 Jahre, von Frauen rund 81,5 Jahre.
* Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Gewaltopfer bei Behinderten.

Status Quo: Nach §44 SGB IX (1) 3 erhalten ausschließlich weibliche behinderte Gewaltopfer einen Selbstbehauptungskurs als gesetzliche Sozialleistung.

* Streichung der Wehrpflicht aus dem Grundgesetz. Status Quo: Die Wehrpflicht ist zwar ausgesetzt, kann aber mit einfacher Parlamentsmehrheit wieder aktiviert werden. Wie stehen sie außerdem zum Thema verpflichtendes, freies soziales Jahr?

* Schulische Förderung von Jungen, v.a. in Hinblick auf die Leseförderung und auf eine geschlechtsneutrale Bewertung in der Schule. Status Quo: Jungen schneiden in allen Schultypen über der Grundkompetenz Lesen schlechter ab als Mädchen, sie erhalten (auch laut einer Studie des BMBF) für gleiche Kompetenzen schlechtere Noten und bei gleichen Noten seltener Gymnasialempfehlungen als Mädchen.

* Paritätische Besetzung der Gleichstellungsbeauftragten mit Mann und Frau. Gleiche Wahlmöglichkeit der GB auch durch Männer. Status Quo: Im Dienst des Bundes dürfen nur Frauen den Posten der GB ausüben und nur Frauen dürfen GB wählen. Männern wird allein auf Grund ihres Geschlechts das aktive und passive Wahlrecht für diese Position entzogen.

Vielen Dank, dass sie sich die 5 min Zeit nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Muschick,

haben Sie vielen Dank für ihre Fragen. Es freut mich zu hören, dass Sie sich vor den Wahlen mit den Themen, die dabei für Sie wichtig sind, auseinandersetzen. Im Folgenden möchte ich Ihnen gerne meine Positionen dazu darlegen.

Zuerst gehen Sie auf die Gleichstellung des Status der körperlichen Unversehrtheit bei Jungen und Mädchen, insbesondere Beschneidung, ein. Der von Ihnen angesprochene Widerspruch war eine in der Tat sehr schwierige Abwägungsentscheidung zwischen dem von Ihnen geschilderten Recht auf körperliche Unversehrtheit und der im Artikel 4 des Grundgesetzes garantierten Religionsfreiheit. In Abs. 2 wird „die ungestörte Religionsausübung“ gewährleistet.

Grundsätzlich obliegt die Entscheidung über die Erziehung des Kindes jedoch den Eltern des Kindes. Das gilt auch gerade für die religiöse Kindererziehung. Nur bei einem Missbrauch ihres Erziehungsrechts ist der Staat berechtigt und verpflichtet, in das Erziehungsrecht der Eltern einzugreifen. Dem Kindeswohl und dem Gesundheitsschutz wird durch die im Gesetz formulierten Voraussetzungen Rechnung getragen. Die Beschneidung muss fachgerecht („nach den Regeln der ärztlichen Kunst“) durchgeführt werden, insbesondere möglichst schonend und mit einer möglichst effektiven Schmerzbehandlung. Vor dem Eingriff muss besonders umfassend über alle damit verbundenen Risiken und mögliche Folgen aufgeklärt werden. Die Eltern müssen – wie bei allen Erziehungsentscheidungen – den Kindeswillen, soweit ein solcher schon gebildet werden kann, in ihre Entscheidung über die Beschneidung mit einbeziehen. Eine Ausnahmeregelung sieht vor, dass von einer Beschneidung abzusehen ist, wenn im Einzelfall das Kindeswohl gefährdet würde. Das Gesetz ist am 12. Dezember 2012 im Bundestag mit großer Mehrheit - auch unter den Abgeordneten der Opposition - beschlossen worden.

Was die Angleichung der Lebenserwartung von Männern und Frauen angeht, sind gezielte Gesundheitsförderung und Prävention in einer Gesellschaft des längeren Lebens wichtiger denn je. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass Krankheiten gar nicht erst entstehen oder in ihrem Verlauf positiv beeinflusst werden, die Menschen gesund älter werden und die Lebensqualität steigt. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich ihrer Krankheiten und gesundheitlichen Einschränkungen, den Krankheit und Gesundheit beeinflussenden Faktoren, ihres Umgangs mit gesundheitlichen Belastungen und der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Vorsorgeleistungen machen die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte bei der Entwicklung und Umsetzung präventiver Maßnahmen erforderlich.

Zudem ist Ihnen die Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Gewaltopfer mit Behinderung ein Anliegen. Die öffentliche Anerkennung von allen Männern als Opfer von Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht allein vom Staat geleistet werden kann.

Mit der Einführung des Hilfetelefons hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt getan, um Frauen und Männern eine niedrigschwellige Hilfemöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Das Hilfetelefon steht 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche kostenlos zur Verfügung. Die ersten Auswertungen des seit März bestehenden Angebotes zeigen, dass das Hilfetelefon durchaus auch von Männern genutzt wird. Sicher ist die Inanspruchnahme deutlich geringer als bei Frauen, aber selbstverständlich finden auch Männer hier Rat und Ansprechpartner, wenn sie von Gewalt bedroht sind oder bereits Gewalt erfahren haben.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat die Aufgabe, geschlechtsspezifische Diskriminierungen zu thematisieren und Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Dabei sollten natürlich nicht nur Diskriminierungen von Frauen, sondern auch von Männern in den Blick genommen werden.

Ihre nächste Frage bezieht sich auf die Aussetzung der Wehrpflicht. Sie ist Teil der angestrebten Streitkräftereform, mit der die Bundeswehr die Anzahl ihrer Soldaten verkleinert hat. Wie Sie folgerichtig schreiben, handelt es sich nur um eine Aussetzung der Wehrpflicht. Das Bedeutet, dass das Ende der Dienstpflicht ausschließlich in Friedenszeiten gilt, im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden. Deshalb bleibt Artikel 12a des Grundgesetztes, nachdem jeder männliche deutsche Staatsbürger „vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“ kann, unangetastet.

Mit der von der FDP durchgesetzten Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes haben wir gleichzeitig die Chance ergriffen, die größte engagementpolitische Reform aller Zeiten anzustoßen. Wir haben den Bundesfreiwilligendienst (BFD) in Bundeszuständigkeit geschaffen und die Jugendfreiwilligendienste FSJ und FÖJ haben den größten qualitativen und quantitativen Aufwuchs seit ihrem Bestehen erlebt. Beide Dienstformate geben über 80.000 Personen die Möglichkeit für ein freiwilliges Engagement. Auch bei einem Aussetzen der Wehrpflicht soll es keinen verpflichtenden Sozialdienst für junge Frauen und Männer geben.

Weiterhin interessieren Sie sich für die schulische Förderung von Jungen, vor allem im Hinblick auf die Leseförderung. Lassen Sie mich direkt im Allgemeinen auf die schulische Förderung von Jungen eingehen. Ich stimme Ihnen zu, dass diese in den vergangenen Jahren zu wenig in den Blick genommen wurde. Deshalb war es richtig, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit der Einrichtung eines Jungenreferates einen Akzent gesetzt hat.

Jungen starten in ihrer Bildungsbiografie meist in femininisierten Räumen, denn in Kitas und Grundschulen haben wir fast ausschließlich weibliche Erziehungspersonen und Lehrerinnen. Jungen müssen aber in ihrem spezifischen Zugang in Kita und Schule anders gefördert werden als Mädchen. Dazu wollen wir auch weitere Forschungsprojekte auf den Weg bringen. Deshalb ist es auch wichtig, mehr Männer für den Erzieherberuf und das Lehramt an Grundschulen zu gewinnen. Mit dem Programm „MEHR – Männer in Kitas“ leistet der Bund dazu einen Beitrag. Hier wären Initiativen der Bundesländer, die für Kitas und Schulen zuständig sind, wünschenswert.

Zuletzt gehen Sie auf die paritätische Besetzung der Gleichstellungsbeauftragten mit Mann und Frau ein. Herr Muschick, Gleichstellungspolitik war für die FDP nie ein „entweder – oder“, sondern immer ein „sowohl – als auch“ und ein „miteinander, nicht gegeneinander“. Gleichstellungspolitik ist ein Thema für Frauen und Männer und kann nicht funktionieren, wenn das Ziel nicht von beiden Geschlechtern getragen wird. Hauptamtliche Strukturen in Ministerien, Behörden und Kommunen sollten diesen Grundsatz beachten. In unserem Positionspapier „Gleichstellung in Bundesministerien und Bundesbehörden voranbringen“ hat die FDP-Bundestagsfraktion Vorschläge gemacht, wie Ministerien und Bundesbehörden – auch ohne Quoten – die Gleichstellung voranbringen können. Wir schlagen u.a. einen verpflichtenden Gleichstellungsindex (Glix) vor, wie ihn auch die UN oder die EU-Kommission verwenden. Wir wollen, dass die Festlegung von Gremien, die nach dem Bundesgremienbesetzungsgesetz einer Berichtspflicht unterliegen, nicht auf der Einschätzung des jeweiligen Ministeriums beruht, sondern durch eine unabhängige Institution festgelegt werden. Wir wollen mehr Transparenz und Öffentlichkeit bei Besetzungen und Ausschreibungen.

Das Ziel, einengende Geschlechterrollen zu überwinden, unterstützen wir. Es muss aber konkret, z.B. in Programme zur Gewinnung von Frauen für Technikberufe oder von Männern für erzieherische Berufe, ausgestaltet sein.

Sehr geehrter Herr Muschick, ich hoffe ich konnte Ihnen mit meinen Antworten weiterhelfen und stehe Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit meinen besten Grüßen

Jan Mücke