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Jan Korte
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Frage von Miriam S. •

Frage an Jan Korte von Miriam S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Korte

Würden Sie mir dahingehend zustimmen, das nur weil man Flüchtlinge nicht in unser Land, beziehungsweise nicht nach Europa lässt, dieses nicht gleichbedeutend damit ist das diese Flüchtlinge sterben müssen, da man beispielsweise Flüchtlingslager nahe ihrer Heimat finanzieren kann (also inklusive Nahrung, Wasser, Medikamente, Anziehsachen, Bildung etc) die gegebenenfalls vom Militär geschützt werden oder da man angrenzende Länder nahe der Krisenregion finanziell unterstützen kann die diese Flüchtlinge aufnehmen?

Das ganze ist auch deutlich günstiger. So könnte man beispiesweise für jeden syrischen Flüchtling der hier nach Deutschland kommt, für die gleiche Menge an Geld, 10 syrischen Flüchtlingen in Jordaninen helfen.

Quelle:
http://www.independent.co.uk/voices/syrian-refugees-will-cost-ten-times-more-to-care-for-in-europe-than-in-neighboring-countries-a6928676.html

https://twitter.com/data_debunk?lang=de

Mit freundlichen Grüßen
M. S.

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Sehr geehrte Frau S.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Ich denke, mit solchen abstrakten Kostenberechnungen kommen wir nicht weiter.
Es ist ja jetzt schon so, dass die allermeisten Flüchtlinge in ihrem eigenen Ländern oder in den unmittelbaren Anrainerstaaten um Schutz nachsuchen. Nur sehr wenige erreichen im Vergleich dazu Deutschland oder Europa. Oft sind das diejenigen, die bereits familiäre Anknüpfungspunkte hier haben.

Die Zufluchtsorte in der unmittelbaren Region sind oft nicht sicher und / oder bieten keine menschenwürdige Überlebensmöglichkeit. Viele Menschen in Syrien mussten bereits zwei- oder mehrfach vor sich verändernden Bedrohungssituationen im Land fliehen. Vielfach haben sie nichts zu essen, kein sauberes Trinkwasser oder werden Opfer der Gewalt.
Die direkten Anrainer-Länder, etwa die Türkei oder der Libanon, haben ihre Grenzen für Flüchtlinge längst verschlossen. Diese Länder haben, auch gemessen an der Gesamtbevölkerung, unvergleichlich viel mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als Deutschland oder andere Länder der EU. Die Lebensbedingungen dort sind für Flüchtlinge oft schrecklich: Es gibt kaum Wohnraum, kaum Arbeit, die Lebensmittelhilfen in den Flüchtlingslagern wurden wegen unzureichender internationaler Unterstützung zeitweilig auf ein Niveau unterhalb des Existenzminimums gesenkt. Kinderarbeit ist unter Flüchtlingen in der Türkei ein weit verbreitetes Problem, Frauen und Männer müssen sich prostituieren, um ein Überleben zu sichern. Das ist schwer erträglich, und es ist nur allzu verständlich, dass Menschen aus diesen Verhältnissen fliehen.

Nichts spricht dagegen - DIE LINKE. fordert dies ausdrücklich! -, vor Ort Schutzmöglichkeiten und menschenwürdige Aufnahmestrukturen für Flüchtlinge zu schaffen und dafür ausreichend Geld zur Verfügung zu stellen - was leider immer noch nicht in ausreichendem Maße geschieht. Aber wenn Flüchtlinge in Europa oder in Deutschland um Schutz nachsuchen, dann müssen wir sie aufnehmen und ihnen effektiven Schutz gewähren. Dazu sind wir zum einen rechtlich verpflichtet, aufgrund internationaler Abkommen und infolge unserer Verfassung. Die industrialisierten Länder sind aber auch in vielfältiger Weise an der Schaffung von Fluchtursachen beteiligt und hierfür verantwortlich (Stichworte: kriegerische Interventionen, Waffenexporte, ausbeuterische Weltwirtschafts- und Handelsbeziehungen, Folgen der Umweltverschmutzung, Zerstörung heimischer Märte und Produktionen durch EU-subventionierte Exporte usw.). Da kann es nicht
sein, dass man sich vor den Folgen der eigenen Politik abschotten und die Aufgabe des Flüchtlingsschutzes anderen, ärmeren Ländern aufbürden will. Die Flüchtlinge sind so gesehen die Überbringer der schlechten Botschaft, dass es im globalisierten Kapitalismus nicht zum Besten bestellt ist. Dies zu ändern muss Ziel unseres politischen Handelns sein. Das ist der Sinn der Botschaft, nicht die Flüchtlinge, sondern die Fluchtursachen müssen bekämpft werden.

Die Gewährleistung von Menschenrechten, wozu das Asylrecht gehört, kann auch ganz grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht werden, was das womöglich kostet. Die Menschenwürde ist unantastbar, und das gilt für jeden Menschen. Darüber hinaus gibt es aber auch keinen Grund zur Beunruhigung: Deutschland ist im Weltmaßstab gesehen ein reiches Land. Es gibt fundierte volkswirtschaftliche Berechnungen dazu, dass die Aufnahme der Flüchtlingen mittelfristig für die Bundesrepublik sogar ein "Gewinn" sein wird, wenn nämlich die Integration der zu uns gekommenen Menschen gut begleitet und unterstützt wird.
DIE LINKE. steht dafür, dass wir soziale Verbesserungen für alle im Land lebenden Menschen solidarisch erkämpfen wollen, ohne ausgegrenzte oder benachteiligte Menschen gegeneinander auszuspielen. Wir wollen einen starken Sozialstaat, gerechte Löhne und bezahlbaren Wohnraum für alle. Wir wollen den Reichtum und die Teilhabemöglichkeiten in diesem Land gerecht verteilen. Bei einer wirksamen Besteuerung der sehr Wohlhabenden und der profitablen Unternehmen im Land wird genug für alle da sein! Eine sozial gerechte Gesellschaft und Humanität und Solidarität im Umgang mit Schutzsuchenden schließen sich nicht aus, im Gegenteil.
Setzen Sie sich doch mit uns dafür ein!

Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte

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