Portrait von Ismail Ertug
Ismail Ertug
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ismail Ertug zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Manfred K. •

Frage an Ismail Ertug von Manfred K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ertug,

die EU beabsichtigt das Urheberrecht zu ändern. Ich bin Hobbyfotograf und Blogger.
Sollte das Urheberrecht gemäß der Vorlage geändert werden, darf ich keine Fotos meiner Heimatstadt oder Urlaubsfotos mehr im Internet veröffentlichen. Ich sehe darin eine enorme Einschränkung meiner persönlichen Freiheit. Wie werden Sie abstimmen? Wie ist Ihre Einstellung hierzu? Wie entscheidet Ihre Fraktion. Ihre Antwort wird in meinem Blog zitiert.

Mit freundlichen Grüßen

M. K.

Portrait von Ismail Ertug
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Frage zur so genannten Panoramafreiheit. Dieses Thema hat in den letzten Wochen hohe Wellen geschlagen –auch auf Grund einer Internetkampagne, die teilweise an den Tatsachen vorbei geführt wurde.

Vorab eine kurze Klarstellung, was überhaupt in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments abgestimmt wurde:
Der so genannte "Reda-Bericht" mit dem Titel " Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandter Rechte in der Informationsgesellschaft" (zu finden hier: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A8-2015-0209&language=DE) ist kein legislativer Bericht sondern "nur" ein Initiativbericht. Die Gesetzgebungsinitiative liegt grundsätzlich bei der Europäischen Kommission. Durch den Vertrag von Maastricht und dessen Änderung durch den Vertrag von Lissabon wurde dem Europäischen Parlament im Artikel 225 AEUV ein Initiativrecht für den Legislativbereich übertragen, das ihm die Möglichkeit gibt, die Kommission aufzufordern, ihm einen Vorschlag zu unterbreiten.

Was bedeutet das? Das Parlament kann die Kommission lediglich auffordern, gesetzgeberisch aktiv zu werden. Ob und wie sie das allerdings tut ist eine ganz andere Frage. Genau das ist die rechtliche Grundlage des nun viel diskutierten Reda-Berichts. Auch wenn dieser Bericht am 9. Juli vom Plenum in der umstrittenen Fassung angenommen worden wäre, hätte das keinerlei Konsequenz für die rechtliche Situation in der EU und ihren Mitgliedsstaaten gehabt.
Genau diese Klarstellung hatten dankenswerterweise der Deutsche Journalistenverband (http://www.djv.de/en/startseite/service/news-kalender/detail/article/faires-urheberrecht-aber-einschraenkung-der-panoramafreiheit.html) sowie auch Heise online (http://www.heise.de/foto/meldung/EU-Parlament-Sorge-um-die-Panoramafreiheit-2729013.html) bereits vorgenommen.

Da ich selbst nicht Mitglied in den beteiligten Ausschüssen JURI und CULT bin, bin ich mit der Thematik nicht weiter befasst. Anbei finden Sie den Link zur Pressemitteilung meines Kollegen Dietmar Köster, der im JURI-Ausschuss für uns SPD-Abgeordnete das Thema federführend begleitet. Sollten Sie noch weitere inhaltliche Nachfragen haben, steht er Ihnen gerne zur Verfügung. Seine weiteren Ausführungen habe ich Ihnen unter meine Antwort kopiert.

Ich hoffe, mit meiner Antwort einige Dinge geklärt zu haben und die Sorgen und Verwirrungen um die Panoramafreiheit aufgelöst zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Ismail Ertug

Aktuelle Pressemitteilung von Dietmar Köster: "Votum für Freiheit und Fairness" vom 09.07.2015 (https://www.spd-europa.de/pressemitteilungen/votum-fuer-freiheit-und-fairness-2215)

Ausführungen von Dietmar Köster zur Panoramafreiheit:

Als Mitglied des Rechtsausschusses, der sich federführend mit der Harmonisierung des Urheberrechts befasst, hat Dietmar Köster die Entstehung des Reports von Julia Reda in enger Zusammenarbeit mit der sozialdemokratischen Schattenberichterstatterin Mary Honeyball von Beginn an intensiv begleitet. Gemeinsam mit den anderen S&D-Rechtsausschussmitgliedern war es möglich, wichtige sozialdemokratische Forderungen im Bericht zu verankern, z.B. Ausnahmeregelungen für Bildungszwecke und die faire Bezahlung der Kulturschaffenden. In der Abstimmung am 16. Juni befürworteten bis auf die beiden Ausschussmitglieder des faschistoiden Front National sämtliche Fraktionen den Bericht.

Eines der umstrittenen Themen des Berichtes ist die von Ihnen erwähnte Panoramafreiheit, die momentan in den EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich gehandhabt wird. Deutschland gehört zu den Ländern, die eine weitreichende Panoramafreiheit in den nationalen Urheberrechtsgesetzen verankert haben und eine umfassende Nutzung von im öffentlichen Raum befindlichen Gebäuden und Kunstwerken erlauben.

Entgegen anderslautender Medienberichte hat das Europäische Parlament am Donnerstag, dem 9. Juli keinesfalls über eine neues Gesetz zum Urheberrecht abgestimmt. Die Parlamentarier geben in dem Initiativbericht lediglich Empfehlungen an die EU-Kommission zur Reform des Urheberrechts. Dabei geht es darum, welche Themen die Abgeordneten dabei als entscheidend einstufen. Die Positionierung der Abgeordneten ist in diesem Fall, anders als viele Bürgerinnen und Bürger befürchten, jedoch rechtlich nicht bindend.

Die Berichterstattung über die Panoramafreiheit war zuletzt leider irreführend und fußte auf teils falschen Behauptungen. Damit werden anti-europäische Ressentiments geschürt und mit den Ängsten der Bürgerinnen und Bürgern gespielt.

Die europäischen Sozialdemokraten sind in engem Austausch mit Kulturschaffenden, darunter Künstlerinnen, Fotografen und Dokumentarfilmern, die sich im Falle einer Beschränkung der Panoramafreiheit in ihrer Arbeit behindert sehen. Ebenso ist Dietmar Köster mit Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch, die besorgt sind, mit einer möglichen Einschränkung der Panoramafreiheit ihre selbst aufgenommen Bilder nicht mehr auf sozialen Plattformen teilen zu können, ohne eine mögliche Urheberrechtsverletzung zu begehen. Das Posten von Privatfotos auf Facebook ist für die User allerdings keine kommerzielle Nutzung. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformbetreiber sozialer Netzwerke, die die Abtretung von Bildrechten des Nutzers zu kommerziellen Zwecken an die Netzwerkbetreiber vorsieht, wäre in solchen Fällen ohnehin unwirksam. Niemand kann ein Recht abtreten, dass er gar nicht besitzt.

Die Kampagne hat zu einer Verunsicherung der Internetnutzerinnen und -nutzer geführt. Um diese zu beseitigen, hat Dietmar Köster gemeinsam mit den anderen S&D-Abgeordneten so abgestimmt, dass die deutsche Regelung zur Panoramafreiheit gültig bleibt.
Für Dietmar Köster bleibt sein Engagement für die Verbesserung der prekären Lebenslage vieler Kulturschaffender weiterhin auf der europäischen Tagesordnung.