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Ingrid Hönlinger
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Frage von Manfred L. •

Frage an Ingrid Hönlinger von Manfred L. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Hönlinger,

in Ihrer persönlichen Erklärung zur Beschneidung, die Sie im Juli abgegeben haben, waren Sie unentschlossen, wie eine Regelung am besten aussehen sollte. Welchem Gesetzentwurf werden Sie im Bundestag Zustimmung geben?

Wie stehen Sie zu dem Problem, dass nach dem Entwurf der Regierung kein religiöser oder medizinscher Grund für die Beschneidung vorliegen muss? Somit können Eltern ihre Kinder auch beschneiden lassen, um Masturbation zu erschweren, so wie etwa diese Eltern:
http://groups.yahoo.com/group/Mein_Kind_beschneiden/message/292

Wie bewerten Sie Fälle wie den des Jungen, der seit dem Tag seiner religiösen Beschneidung im Jahr 2011 in einer Münchner Praxis nicht mehr das Bewusstsein erlangt hat:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87482746.html

Denken Sie, dass Terre des Femmes unrecht hat, wenn auf der Webseite der Organisation zu lesen ist, dass die Jungenbeschneidung mit bestimmten Formen der Mädchenbeschneidung durchaus vergleichbar ist und dass somit der Gesetzentwurf der Regierung abzulehnen ist:
http://frauenrechte.de/online/index.php/presse/aktuelle-presseinformationen/1058-regierung-legt-gesetzesentwurf-zur-beschneidung-vor-terre-des-femmes-kritisiert-vorhaben-04-10-2012.html

Ich danke Ihnen für Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen,

Manfred Lein

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lein,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Vor einigen Monaten hatte ich dafür plädiert, eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion zu führen und nicht vorschnell zu Lasten des einen oder anderen Grundrechtes zu entscheiden. Mir war es wichtig, das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten zu suchen, alle Argumente abzuwägen und auszuwerten, alle möglichen Blickwinkel einzunehmen und auch die Konsequenzen zu berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. In den vergangenen Monaten habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag auf verschiedenen Ebenen diese Gespräche gesucht und geführt. In einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion und in verschiedenen Einzelgesprächen habe ich mich umfassend informiert.

Nach wie vor ist es für mich wichtig, dass muslimisches und jüdisches religiöses Leben in Deutschland weiterhin möglich sind. Gleichzeitig müssen wir aber auch sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden.

Das Bundesjustizministerium hat einen Entwurf vorgelegt, der aus meiner Sicht in die richtige Richtung geht. Ich finde es richtig, eine Regelung im Familienrecht zu treffen und nicht im Strafrecht. Die Beschneidung von Jungen halte ich nicht mit der Beschneidung von Mädchen für vergleichbar.

Hinsichtlich der Beachtung des Kindeswillens gibt es allerdings Verbesserungsmöglichkeiten. Ich meine, dass einsichts- und urteilsfähige Jungen selbst in die Beschneidung einwilligen müssen. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung ist, dass der betroffene Junge vor der Beschneidung umfassend durch denjenigen über den Eingriff aufgeklärt wird, der den Eingriff vornimmt. Äußert sich der Junge ablehnend gegenüber dem bevorstehenden Eingriff, darf die Beschneidung nicht durchgeführt werden. Damit das Kindeswohl optimale Berücksichtigung finden kann, ist weiterhin erforderlich, dass auch ein Junge, der noch nicht im Rechtssinne einsichts- und urteilsfähig ist, seine Beschneidung ablehnen kann.

Vor allem aber halte ich den im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausnahmezeitraum, wonach in den ersten sechs Monaten nach der Geburt auch nichtärztliche Beschneiderinnen und Beschneider eine Beschneidung durchführen dürfen, für zu lang. Diese dürfen, anders als Ärztinnen oder Ärzte, keine Narkosemittel einsetzen. Sie arbeiten mit schmerzlindernden Salben und Zäpfchen. Das Narkoserisiko ist nach ärztlicher Auskunft gerade in den ersten vierzehn Tagen nach der Geburt eines Kindes sehr hoch, so dass bei der Beschneidung in dieser Zeit grundsätzlich keine Narkosen erfolgen. Nach Ablauf von vierzehn Tagen kann nur noch ein Arzt oder eine Ärztin die Abwägung zwischen Narkose- und Schmerzrisiko vornehmen. Deshalb halte ich es für richtig, die Frist für die Tätigkeit nichtärztlicher Beschneiderinnen und Beschneider auf vierzehn Tage nach der Geburt des Kindes zu begrenzen.

Ich habe deshalb dem Änderungsantrag Nr. 17/11816 zugestimmt und mich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung enthalten.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Hönlinger