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Frage von Henning L. •

Frage an Ingrid Heckner von Henning L. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Abgeordnete

vielen Dank zunächst für die rasche Reaktion. Ich habe mich aber offenbar missverständlich ausgedrückt, da es gar nicht um eine Ruhestandsversetzung ging. Es geht mir um eine Stufe davor. Zwar trägt Art. 65 BayBG die Überschrift „Ruhestand“, nur wird diese Vorschrift auch für andere Zwecke genutzt, eine Begründung erfolgt nicht (siehe Absch 5 Zif 3 VV-BeamtR, eingeschränkte Dienstfähigkeit).

Wie Ihnen sicher bekannt ist, herrscht auch im öffentlichen Dienst - volkstümlich - die Haifischmentalität, es menschelt eben. Ein Vorgesetzter ist aber nach den gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften ohne irgendeine Begründung berechtigt, und dies wird durchaus auch gemacht, eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen. Bereits verletzt die Persönlichkeitsrechte des Beamten jedoch in erheblichem Maße ein, die auch nicht mehr durch einen späteren Rechtsbehelf geheilt werden können. Die Daten sind zu diesem Zeitpunkt quasi bereits auf dem Markt und will der Dienstvorgesetzte sowieso etwas ganz anderes erreichen, wird es zu einem solchen Verfahren nie kommen.

Ich frage unter diesen Gesichtspunkten noch einmal anders:

1. Überschreitet die Verwaltungsvorschrift und die Verwaltungspraxis, dass eine amtsärztliche Untersuchung entgegen der Intention des Art. 65 BayBG nicht nur für Ruhestandsversetzungen eingesetzt wird, den rechtlichen Rahmen?

2. Was spricht dagegen, dass der Vorgesetzte schlüssig und nachvollziehbar darzulegen hat, warum er einen Beamten für dienstunfähig (-eingeschänkt) hält? Warum soll eine solche Anordnung nicht im Wege der verfassungsrechtlich unbeschränkten Rechtswegegarantie angreifbar sein?

3. Sind Sie der Ansicht, dass der öffentliche Dienst anders als die freie Wirtschaft vor Willkürakten von Vorgesetzten geschützt ist?

4. Wenn nein, wie kann sich ein Beamter gegen einen Willkürakt der amtsärztlichen Untersuchung, der gar nicht auf die Ruhestandsversetzung abzielt und gegen seinen Willen erfolgt, effektiv zur Wehr setzen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Lesch,

vielen Dank für Ihre erneute Nachricht vom 16.8.2011. Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Verwaltungspraxis habe ich das Bayerische Staatsministerium der Finanzen um eine Stellungnahme gebeten, die auf Grund der Ferienzeit und noch eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Bis dahin bitte ich Sie einstweilen um Geduld. Ich werde baldmöglichst auf Ihre Anfrage zurückkommen.

Mit freundlichen Grüßen,
Ingrid Heckner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Lesch,

für Ihre Nachfrage vom 16.8.2011 danke ich Ihnen. Zwischenzeitlich liegt mir die Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vor, so dass ich Ihre Nachfrage wie folgt beantworten kann:

1. Nach Art. 65 Abs. 2 BayBG kann der Dienstvorgesetzte bei Zweifeln über die Dienstunfähigkeit den Beamten anweisen, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Auch bei einer begrenzten Dienstfähigkeit gemäß § 27 BeamtStG liegt partiell eine Dienstunfähigkeit vor, sodass auch hier Zweifel über die Dienstunfähigkeit im Sinne des Art. 65 Abs. 2 BayBG bestehen. Die amtsärztliche Untersuchung dient insofern dem Zweck festzustellen, ob der Beamte vollständig oder nur teilweise dienstunfähig ist. Abschnitt 7 Ziff. 3.2. der VV-BeamtR hält sich offensichtlich in diesem Rahmen. Im Übrigen ist auch in Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BayBG i.V.m. § 21 Abs. 2 UrlV vorgesehen, dass bei vorübergehender Dienstunfähigkeit auf Anordnung des Dienstvorgesetzten das Zeugnis eines Amtsarztes beigebracht werden muss.

2. Die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) eine unselbständige Verfahrenshandlung. Über die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zu einer amtsärztlichen Untersuchung ist demgemäß im Regelfall erst im Rahmen des Rechtsschutzes eines sich gegebenenfalls anschließenden Verfahrens (z.B. Zwangspensionierungsverfahren nach Art. 66 BayBG, Verfahren zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit, Verfahren wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst oder Disziplinarverfahren) - mittelbar - zu befinden. Damit ist für den betroffenen Beamten nach der Rechtsprechung des BayVGH in der Sache ausreichender Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet. Einzelne unselbständige Verfahrenshandlung unabhängig vom Endergebnis gerichtlich zu überprüfen ist nicht sachgerecht, weil dies zu einer Potenzierung der Zahl der Gerichtsverfahren ohne konkreten Rückbezug zum möglichen Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht führen würde.

3. Den Beamten steht nach § 54 BeamtStG der Verwaltungsrechtsweg offen. Zudem können sie gemäß Art. 7 BayBG Beschwerden vorbringen; der Beschwerdeweg bis zur obersten Dienstbehörde steht offen. Gegen Willkürentscheidungen bestehen damit wirksame Rechtsschutzmöglichkeiten. Gegen die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung kann sich der Beamte zusammen mit der darauf aufbauenden Entscheidung, etwa der Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit, wehren.

Sehr geehrter Herr Lesch, ich danke Ihnen nochmals für Ihre Anfrage und hoffe, dass ich Ihnen diese nun ausreichend beantworten konnte. Ich bitte jedoch auch um Verständnis, dass ich unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen keinen Handlungsbedarf von Seiten des Gesetzgebers sehe.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Heckner, MdL
Vorsitzende des Arbeitskreises für Fragen des öffentlichen Dienstes
der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag