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Hiltrud Lotze
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Frage von Björn K. •

Frage an Hiltrud Lotze von Björn K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Lotze,

meines Wissens haben bei einer Probeabstimmung am gestrigen Dienstag nur 23 Abgeordnete der SPD gegen die Vorlage zur Autobahnprivatisierung gestimmt. Am morgigen Donnerstag soll die Grundgesetzänderung im Bundestag beschlossen und nur einen Tag später im Bundesrat bestätigt werden.

Meine Fragen:
1.) Werden Sie als Abgeordnete meines Wahlkreises die Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung, deren einziger Zweck es ist mehr privates Kapital in staatliche Infrastrukturen fließen zu lassen, für die Steuerzahlenden ablehnen?

2.) Wie stehen sie zu der vernichtenden Kritik des Bundesrechnungshofs an den sogenannten Öffentlich Privaten Partnerschaften, weil diese in der Regel für uns Steuerzahlende teurer sind, als rein staatliche Finanzierungsmodelle?

3.) Hatten Sie eine Gelegenheit die in letzter Minute erfolgten Änderungen an der Gesetzesvorlage vor dem morgigen Beschluss zu lesen und sich eine eigenständige Meinung zur Sache zu bilden, oder verlassen Sie sich vorrangig auf die Meinung der beteiligten FachpolitikerInnen?

4.) Wie beurteilen Sie die Eile mit der diese Grundgesetzänderung nun durch Bundestag und Bundesrat gehen soll. Entspricht dies ihrem Ideal oder zumindest den Mindeststandards eines demokratischen Meinungsbildungsprozess in der föderalen Bundesrepublik Deutschland.

Vielen Dank

Björn Kunter
(Wustrow)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kunter,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Infrastrukturgesellschaft Verkehr. Ich antworte gerne und möchte dabei auch den Verhandlungsprozess des Gesetzespaketes kurz darstellen.

Ausgangspunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens war eine Einigung zwischen allen 16 Landesregierungen und der Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 über ein Paket von Maßnahmen, die zum Teil Änderungen des Grundgesetzes erfordern, zum Teil einfachgesetzlich geregelt werden. Kernpunkt des Pakets ist die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. 3,5 Mrd. Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird.

Des Weiteren wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn das eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett.

Ein weiteres Element des Paketes sind die Gesetzentwürfe, mit denen Verwaltung und Bau von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen in Deutschland neu geordnet werden. Schon innerhalb der Bundesregierung ist es uns als SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir schon verhindert, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat.

In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun zwei weitere Grundgesetz-Änderungen durchgesetzt.

- Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat.

- Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen.

Nun zu Ihren Fragen:

1) Mit diesen Grundgesetzänderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre bei der Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, ist jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen. Manche Kritiker und manche Kampagne hat absurderweise gerade uns als SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetz-Änderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen. Aus diesem Grund habe ich für das Gesetzespaket gestimmt.

2) Der Bundesrechnungshof (BRH) hat das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet. In seinem Bericht vom 24. Mai 2017 gleicht der BRH die Empfehlungen aus seinen Berichten mit den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen ab und kommt zusammenfassend u.a. zu folgenden Ergebnissen:

„Der Änderungsantrag berücksichtigt in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft. Danach muss das Parlament einem möglichen Rechtsformwechsel der Infrastrukturgesellschaft zustimmen. Darüber hinaus ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen. Die Gründung von regionalen Tochtergesellschaften ist nicht mehr zwingend vorgegeben, sondern steht nunmehr im Ermessen der Infrastrukturgesellschaft. Der Änderungsantrag enthält Regelungen zur Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft, die die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berücksichtigen. So soll auch künftig der Bundesautobahnbau über den Bundeshaushalt finanziert werden. Dazu sollen der Infrastrukturgesellschaft Mauteinnahmen zur Verfügung gestellt werden. Überdies soll der Einfluss des Parlamentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen gewahrt bleiben. Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen. Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden.“

Im Ergebnis haben wir als SPD die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs (Bund ist 100prozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft) mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt.

3) Selbstverständlich lese ich auch kurzfristige Änderungen an Gesetztesentwürfen und bilde mir mein eigenes Urteil. Dies ist auch in diesem Fall geschehen.

4) Über die gesetzlichen Änderungen ist im geordneten und geregelten Verfahren beraten und abgestimmt worden. Es hat kein beschleunigter Ablauf stattgefunden. Sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat hatten somit die übliche Zeit, um dieses Gesetzpaket zu diskutieren. Übrigens haben im Bundesrat auch die Bundesländer zugestimmt, in denen die Grünen und die Linken an der Regierung beteiligt sind.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein Überblick meiner Positionen zu dem Gesetzespaket geben und stehe Ihnen bei weiteren Fragen oder Anliegen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Hiltrud Lotze