Portrait von Hilde Mattheis
Hilde Mattheis
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hilde Mattheis zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Kristina P. •

Frage an Hilde Mattheis von Kristina P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Mattheis,

Gegenstand meiner Fragen an Sie, als Bundestagsabgeordnete und Parteifreundin der amtierenden Bundesfrauenministerin Frau Dr. Franziska Giffey, sowie der amtierenden Bundesjustizministerin, Frau Christine Lambrecht, sind Femizide.

Im Jahr 2017 gab es in der BRD laut PKS insgesamt 564 versuchte, davon 351 vollendete Tötungsdelikte gegen Mädchen/Frauen. Von den 351 vollendeten Tötungsdelikten an Frauen sind 147 durch sogenannte „Partnerschaftsgewalt“ erfasst (für 2018/19 liegen diese Auswertungen noch nicht vor).

Femizide sind sowohl politisch, kulturell, religiös als auch geschlechtsbedingt motiviert und stellen in ihrer Häufigkeit zwischenzeitlich einen systemisch bedingten Angriff auf große Teile der Bevölkerung, die Mädchen und Frauen, dar.

Im Grundgesetz der BRD ist in Art.2 (2) das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als Grundrecht verankert.

Die Bundesregierung Deutschland hat zudem die, seit 1. Februar 2018 in Kraft getretenen, Istanbul-Konventionen ratifiziert.

Die Bundesregierung Deutschland hat darüber hinaus die UN Menschenrechts-Charta und damit das unter Artikel 3 verankerte Grundrecht auf Leben ratifiziert.

Dennoch fanden und finden im Rechts- und Sozialstaat Deutschland, einer der reichsten Industrienationen weltweit, an jedem 2. bis 3. Tag Femizide statt:

Wie ist es zu erklären, dass beide Ministerinnen die kontinuierlich steigende Anzahl an Femiziden in der BRD ohne nennenswertes Engagement billigend hinnehmen?

Wie ist zu rechtfertigen, dass Frauen damit der gesetzlich verankerte Schutz vor sexualisierten Verbrechen und der Zugang zu Recht, den die Ministerinnen laut nationaler und internationaler Gesetze gewährleisten müssen, verwehrt wird?

Wie ist die Verletzung der nationalen Gesetzgebung, aus der sich der jeweils eigene Arbeitsauftrag der Ministerinnen ableitet, sowie die der internationalen Verträge, zu deren Einhaltung sich die BRD verpflichtet hat, zu rechtfertigen?

MfG
Kristina Wolff

Portrait von Hilde Mattheis
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. W.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich widerspreche Ihrer These, dass die amtierende Bundesregierung und dabei insbesondere die Bundesministerinnen für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Bundesjustizministerin das Thema Gewalt an Frauen bis hin zu Mord und Totschlag billigend hinnehmen.

Jede Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist unentschuldbar, jedes Opfer von Gewalt ist ein Opfer zu viel. Bei Betrachtung der Polizeilichen Kriminalstatistik der letzten Jahren ist zu erkennen, dass die Zahl der weiblichen Ofer mit Todesfolge (d.h. durch Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge) unglücklicherweise gleich hoch bleibt. Wir verzeichnen keinen Anstieg der Gewalt, aber sie sinkt auch nicht. Daher besteht Handlungsbedarf aller staatlichen Institutionen, inklusive der Bundesregierung gegen Gewalt an Frauen im Allgemeinen und Femizide im Speziellen vorzugehen.

Das Bundesfrauenministerium hält verschiedene Angebote für Frauen in Gewaltsituationen bereit, um diesen zu helfen. Dabei wird insbesondere auch das Thema Gewalt in Partnerschaftsbeziehungen beleuchtet, wo es sehr wahrscheinlich eine hohe Dunkelziffer an Gewalttaten gibt. Schon seit vielen Jahren werben das Ministerium, Abgeordnete, NGOs und andere Stellen für das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen unter der Nummer 0800 116 116.

Darüber hinaus hat Bundesministerin Franziska Giffey im November 2018 einen runden Tisch von Bund, Ländern und Kommunen zu dem Thema Gewalt gegen Frauen einberufen, um konkrete Maßnahmen vor Ort zur Gewaltprävention und Hilfe in Not umsetzen zu können. Der Bund wird dafür auf Vorschlag der Bundesregierung in den kommenden drei Jahren pro Jahr mindestens 30 Millionen Euro zur Sanierung, Aus- und Neubau von Frauenhäusern sowie zur Förderung von Präventionsangeboten sowie Modellprojekten zum Gewaltschutz vor Ort bereitstellen. Die Haushaltsberatungen beginnen im September im Bundestag, die Summe wird wahrscheinlich noch erhöht.

Auch gesetzgeberisch sind und waren diese und die vorherige Koalition auf Initiative der SPD tätig. 2016 ist es gelungen, das Sexualstrafrecht nach dem Grundsatz „Nein heißt Nein!“ zu verschärfen. Ebenso ist auf Grundlage des Bundesjustizministeriums ein Gesetz zur einfacheren Verfolgung und Bestrafung von Stalking verabschiedet worden.

Das bedeutet nicht, dass die getroffenen Maßnahmen bereits ausreichen und sich die Bundesregierung, der Bundestag bzw. die Landesgesetzgeber auf den getroffenen Maßnahmen ausruhen können. Verschiedene Stakeholder wie bspw. der Deutsche Juristinnenbund haben klargemacht, welche weiteren Schritte nötig sind, um die Istanbul Konvention vollständig umzusetzen. Dazu zählt u.a. eine unabhängig Monitoring Stelle, die die Umsetzung überwacht. Weitere Reformen im Strafrecht und Schulungen bzw. Weiterbildungen der Justiz- und Polizeikräfte sind nötig genauso wie eine stärkere Forschung zum Thema Femizide, da auch von wissenschaftlicher Seite noch Unklarheiten bestehen, bspw. listet die WHO unterschiedliche Definitionen des Begriffs Femizide auf. Ich erwarte von der Bundesregierung weitere Anstrengungen zur Umsetzung dieser und anderer Maßnahmen zum Strafverfolgung, Schutz und Prävention.

Mit freundlichen Grüßen
Hilde Mattheis, MdB