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Frage von Valérie W. •

Frage an Henning Hintze von Valérie W. bezüglich Wirtschaft

Nach der Lektüre von Naomi Klein "Schock Strategie" scheint es mir, daß wir auch in Deutschland an der Kommerzialisierung zu vieler Lebensbereiche - Privatisierungen - und einer skrupellosen Finanzspekulation mit der Jagd nach immer höheren Profiten - Mangel an Mindest-Ethik - leiden und uns dringend für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligungen engagieren müssen. 19 % Mehrwertsteuer sind nicht akzeptierbar, denn die Grundbedürfnisse der Bürger sollten mehrwerttsteuerfrei sein, dafür könnte es eine Luxussteuer geben für alle Konsumgüter, die man nicht unbedingt braucht. Das verstehe ich auch unter sozialer Gerechtigkeit. Es ist ein Skandal, daß es in diesem Land mehr und mehr gedemütigte Arme und mehr und mehr schamlos Reiche gibt. Was meinen Sie dazu?
Meinen sie nicht auch, daß die derzeitige Regierung dringend abgelöst werden muß von wesentlich intelligenteren und ehrlich engagierten Politikern, deren Arbeit sich an den Bedürfnissen der Bürger dieses Landes orientiert, und denen das Wohl der Menschen wirklich am Herzen liegt. Ich freue mich auf Ihre Antwort, Valérie Wollner

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Wollner,

vielen Dank für Ihre Fragen. Die Zahl der Menschen unseres Landes, die nicht mehr akzeptieren wollen, daß ethische Mindestnormen von Politikern der CDU/CSU, SPD, FDP und leider auch den Grünen verletzt werden (z.B. Bruch des Völkerrechts), ist viel größer, als die uns Regierenden ahnen. Die Jagd nach immer höheren Profiten ist grundsätzlich ein Merkmal der Marktwirtschaft, aber seit die von Gerhard Schröder geführte SPD an die Macht kam, hat die von ihm geführte rot-grüne Koalition mit einer Reihe von Deregulierungen Chancen für Risikokapital gesetzlich eröffnet, die es nie zuvor gegeben hat. Die auf das Scheitern von Schröder folgende schwarz-rote Koalition unter Angela Merkel hat nichts davon zurückgenommen sondern weitere Deregulierungen durchgesetzt. Dagegen nehmen sich CDU-Kanzler wie Adenauer, Erhard und selbst Helmut Kohl rückblckend beinahe wie Waisenknaben aus.

Ich freue mich sehr darüber, daß Sie die Demütigung von Menschen ansprechen, die in die Kategorie Hartz IV abgeschoben worden sind. Daß sich Sozialdemokraten bereitgefunden haben, dieses demütigende System einzuführen, ist ein Fehler, für den sie mit Wahlniederlagen teuer bezahlen werden. Da sich Steinmeier und Müntefering weiterhin zu Hartz IV bekennen, wird die SPD bei den bevorstehenden Bundestagswahlen nochmals einbrechen.

An unseren Informationsständen erfahre ich immer wieder, daß Menschen, die jahrzehntelang die SPD gewählt haben, sagen, sie würden jetzt zum ersten Mal für DIE LINKE stimmen. Ich wage die Voraussage, daß die Tage Steinmeiers und Münteferings bei einer Wahlniederlage der SPD gezählt sein werden, denn schon jetzt rührt sich in ihrer Partei viel Unmut darüber, daß traditionelle sozialdemokratische Werte weitgehend geopfert worden sind. Das eröffnet Chancen, daß die SPD sich dann doch wieder von ihrem Rechtskurs seit Schröder abwendet. Langfristig wird es sich eine SPD unter neuer Führung nicht leisten können, eine Zusammenarbeit mit meiner Partei, einer demokratischen Linkspartei, wie es sie in fast allen europäischen Ländern gibt, kategorisch auszuschließen. Ich zähle allerdings zu denjenigen, die DIE LINKE lieber in der Opposition sehen, als daß sie in grundsätzlichen Fragen wie Hartz IV, Privatisierung öffentlicher Dienste, Börsengang der Bahn oder der Ablehnung des Afhanistan-Einsatzes der Bundeswehr Kompromisse macht.

Wir wollen aber auch nicht vergessen, daß CDU und CSU als Parteien, die sich christlich nennen und die Kanzlerin stellen, nicht das geringste getan haben, um diese Politik der sozialen Kälte abzubauen. Im Gegenteil: Die CDU sagt ja in aller Offenheit, daß sie am liebsten eine Koalition mit der marktradikalen FDP bilden würde. Unter einer solchen Koalition würden wir bei den Massenentlassungen, die bald nach der Wahl folgen werden, in eine soziale Eiszeit eintreten, wie unser Land sie noch nie erlebt hat. Und - ein anderer wichtiger Punkt - die Laufzeiten für Atomkraftwerke würden mit der FDP verlängert.

In einem Punkt bin ich anderer Meinung als Sie: So sehr ich eine Erhöhung der Steuern für wirklich Reiche befürworte (nicht für die Eigentümer von Einfamilienhäusern), so halte ich eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf "die Grundbedürfnisse" angesichts der Schuldenlast, die die Regierungen seit Schröder verursacht haben, nicht für machbar. Womit sollten dann Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser und die dringend erforderliche Verbesserung der Pflegesituation in Altersheimen - noch finanziert werden?

Am 27. September können wir dazu beitragen, daß es die nächsten vier Jahre wieder gerechter in unserem Land zugeht.

Mit freundlichen Grüßen

Henning Hintze