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Helge Lindh
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Frage von Jürgen M. •

Frage an Helge Lindh von Jürgen M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wie stehen Sie zu den Wünschen des Hauses Hohenzollern zur Entschädigung enteigneter Werte?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Michels,

vielen Dank für ihre Frage. Als Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien betreue ich diese Angelegenheit als Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion federführend. Einleitend darf ich auf meine Rede im Plenum des deutschen Bundestags am 16. Januar 2020 verweisen:

https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7414014#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NDE0MDE0&mod=mediathek

Es gibt in meinen Augen zwei maßgebliche Dimensionen zu berücksichtigen: Eine rechtliche, und eine geschichtspolitische.

1. Rechtlich müssen die Gerichte aufgrund des Ausgleichsleistungsgesetzes in Brandenburg darüber befinden, ob die Vorfahren der Hohenzollern, maßgeblich Wilhelm von Hohenzollern, dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet habe. Die Bewertung müssen die Gerichte letztendlich auf Basis der vorliegenden historischen Gutachten treffen. Meine persönliche Einschätzung ist, dass diese Entscheidung nicht zugunsten der Hohenzollern-Familie ausgehen wird und sollte.
2. Geschichtspolitisch bedenklich ist die Vorgehensweise der Hohenzollern. Es geht in der gesamten Auseinandersetzung nicht darum, die Familie im Nachhinein zu demütigen. Aber man muss die Entschädigungsforderungen im Kontext von zahlreichen Opfergruppen sehen, deren legitimen Forderungen seit Jahrzehnten mehr oder weniger ausgesessen werden. Ich würde mir persönlich eine deutlich andere Positionierung der heutigen Hohenzollern-Familie wünschen: Als pro-demokratische Kraft, die ein modernes Verständnis ihrer Rolle erarbeitet und bewusst mit dem belasteten Erbe ihrer Vergangenheit umzugehen weiß. Ihr Verhalten gegenüber Teilen der Historiker ist zudem inakzeptabel. Jede Form der Einschüchterung verbietet sich.
Darüber hinaus halte ich eine geschichtspolitische Aufarbeitung der Netzwerke der Hohenzollern, die zum Teil durchaus fragwürdig erscheinen, für dringend geboten. Im Sinne einer angemessenen Rekonstruktion der Rolle der Hohenzollern und des preußischen Hochadels im Vorfeld und während des Dritten Reichs benötigen wir weitere Forschungsarbeiten. Hier halte ich eine tiefgehende Analyse für dringend geboten. Zu viel ist heute noch weitgehend unbekannt bzw. nur in wenig bekannten Veröffentlichungen und Quellen dokumentiert.

Die Art und Weise, wie die Hohenzollern Journalisten und Wissenschaftler mit Klagen unter Druck setzen, verdient massiven Widerspruch. Zudem halte ich die Benennung des Sachverständigen der CDU-Fraktion zu dieser Causa für skandalös und der Aufklärung der Sachverhalte nicht dienlich.

Ich hoffe, ihre Frage mit dieser Antwort zufriedenstellend beantwortet zu haben. Entschädigungszahlungen an die Hohenzollern sind mehr als kritisch zu sehen. Als Vertreter einer Partei, die maßgeblich unter der Machtergreifung der Nationalsozialisten gelitten hat, ist diese Angelegenheit auch für mich von besonderer Bedeutung. Ein großer Teil der Verantwortung liegt nun in Händen der Gerichte.

Mit freundlichen Grüßen

Helge Lindh, MdB

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