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Helga Kühn-Mengel
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Frage von Andreas W. •

Frage an Helga Kühn-Mengel von Andreas W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kühn-Mengel,

als BA meines Wahlkreises entscheiden Sie mit über Gesetzesvorhaben, die uns alle betreffen.
Der Minister H. Maas hat nun mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz eine Gesetztesvorlage eingebracht, die es ermöglichen soll, Netzbetreiber bei Strafe zu verpflichten "unliebsame" Netzinhalte zu entfernen. Hier wird das gute Kind des Artikel 5GG: " Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." mit dem Bade ausgeschüttet, weil es nach meinen Informationen ohne richterlichen Beschluss und ohne Anzeige von ggf. Betroffenen erfolgen soll.
Wie sehen Sie dieses Gesetzesvorhaben und wie begründen Sie ggf. ihre Entscheidung dafür oder dagegen?

Vielen Dank und Gruß
Andreas Waitz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Waitz,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die ich gerne beantworte.

Das Recht auf Meinungsfreiheit ist in einer Demokratie ein hohes, schützenswertes Gut. Die Meinungsfreiheit aber endet dort, wo strafbare Hetze oder Verleumdung beginnt. Gerade im Netz und in den sozialen Netzwerken ist festzustellen, dass diese Phänomene immer stärker werden.

Ich mache mir Sorgen um all die Bürgerinnen und Bürgern, die im Netz unterwegs sind: um den freiwilligen Flüchtlingshelfer, der beleidigt und eingeschüchtert wird, um die ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin, die beschimpft und bedroht wird, um die Jugendlichen, die im Netz in krimineller Weise gemobbt werden.

Hass-Reden beschädigen unser Zusammenleben, unsere Debattenkultur und letztlich auch die Meinungsfreiheit. Wenn strafbare Bedrohungen und Einschüchterungen im Internet nicht entfernt werden, dann werden sich viele Bürgerinnen und Bürger aus Online-Diskussionen zurückziehen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist daher kein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Die größte Gefahr für die Meinungsfreiheit ist ein Zustand, in dem ohne Konsequenzen bedroht, beleidigt und eingeschüchtert werden darf. Hass und diese Hetze im Netz – das sind für mich die die wahren Feinde der Meinungsfreiheit!

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll die Rahmenbedingungen schützen, die für die freie Meinungsäußerung im Netz unerlässlich sind, nämlich ein Mindestmaß an Respekt und Anstand im Umgang mit Andersdenkenden.

Beispiele kennen wir zu genügend. So gehören Verleumdungen, Bedrohungen, Mordaufrufe und hasserfüllte Postings fast schon zur Tagesordnung.

Wenn sich aber Nutzer bei ihren sozialen Netzwerken beschweren, bekommen sie viel zu oft die Antwort: das verstößt nicht gegen die Gemeinschaftsstandards unseres Unternehmens. Aber bereits auf Grundlage des geltenden Rechts, insbesondere der e-Commerce-Richtlinie, dürfen soziale Netzwerke nach einer konkreten Beschwerde strafbare Inhalte nicht ignorieren, sondern müssen handeln. Der Maßstab dafür, was erlaubt ist und was nicht, den legen nicht die sozialen Netzwerke fest. Der Maßstab sind einzig und allein die Strafgesetze, die der Deutsche Bundestag demokratisch beschlossen hat.

Um die sozialen Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere von Nutzerinnen und Nutzer über Hasskriminalität und anderer strafbarer Inhalte anzuhalten, sollen durch den Entwurf gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke eingeführt werden. Diese Regeln sollen also dafür sorgen, dass bereits bestehende Verpflichtungen der sozialen Netz-werke endlich auch eingehalten werden.

Vorgesehen sind eine gesetzliche Berichtspflicht für soziale Netzwerke über den Umgang mit Hass-kriminalität und anderen strafbaren Inhalten, ein wirksames Beschwerdemanagement und die Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Verstöße gegen diese Pflichten können mit Bußgeldern gegen das Unternehmen und die Aufsichtspflichtigen geahndet werden.

Um die Meinungsfreiheit im Netz nicht zu beeinträchtigen, stellen die Koalitionsfraktionen in der Gesetzesbegründung klar, dass Bußgelder nur verhängt werden, wenn soziale Netzwerke kein taugliches Verfahren zur Löschung von Hasskommentaren, Beleidigungen oder Straftaten einrichten.

Die rechtliche Einschätzung von Kommentaren in Einzelfällen führt nicht zu Bußgeldern, wenn die Beurteilung vertretbar begründet ist. Meine Fraktion will verhindern, dass soziale Netzwerke im Zweifel zu schnell löschen, um den hohen Bußgeldern zu entgehen. Zudem ist der Anwendungsbereich des Gesetzes genau beschränkt: Es werden nur soziale Netzwerke ohne Themenvorgabe erfasst. Auf Maildienste wie gmx und Web.de, auf berufliche Netzwerke wie LinkedIn und Xing und auf Dienste wie WhatsApp ist das Gesetz nicht anwendbar.

Im weiteren parlamentarischen Verfahren ist für meine Fraktion entscheidend, den Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten auf schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu begrenzen und mit einem Richtervorbehalt zu versehen. Wir sind auch für weitere Änderungsvorschläge im parlamentarischen Verfahren offen.

Wir stehen heute an einem Scheideweg: Nehmen wir weiter hin, dass die digitale Revolution den Rechtsstaat und unsere demokratische Streitkultur massiv in Frage stellt? Oder machen wir endlich Ernst mit dem Anspruch, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, dass auch online nicht erlaubt ist, was offline verboten ist?

Das Recht ist ein wichtiger Garant unserer Freiheit. Auch der Meinungsfreiheit.

Mit freundlichen Grüßen

Helga Kühn-Mengel, MdB

P.S. Noch ein Hinweis: im Internet finden Sie unter https://youtu.be/02kIvr4QOUw einen Livestream-Mitschnitt der Fachkonferenz "Hate Speech & Co. Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verbessern" vom 18.05.2017 aus dem Fraktionssaal der SPD-Bundestagsfraktion.