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Heinz-Joachim Barchmann
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Frage von Stana K. •

Frage an Heinz-Joachim Barchmann von Stana K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Barchmann,

ich sorge mich sehr wegen der offenen Grenzen in Europa. Besonders die Sache mit den offenen Grenzen nach Rumänien und Bulgarien macht mir zu schaffen. Wieso lassen Sie und Ihre Partei zu das Tausende vermeintliche Fachkräfte aus diesen Ländern nach Deutschland kommen? Wäre es nicht sinnvoller die in Deutschland bereits vorhandenen Arbeitslosen zu Fachkräften auszubilden? Und werden die Fachkräfte nicht in Runmänien und Bulgarien fehlen, wenn Sie sie hier rein lassen? Ich meine, verliert en Land wie Rumänien 1000 Ärzte oder Handwerker ist das doch eine Katastrophe, oder nicht? Soweit ich weiß sind die doch schon ziemlich arm dran dort drüben; die brauchen die Fachkräfte doch dringender, oder? Und außerdem..., wer sagt uns denn das es tatsächlich Fachkräfte sind die da kommen? Was wenn es vor allem Leute sein werden, die bloß kommen um unseren Sozialstaat auszunutzen? Ich frage mich ob Ihnen und Ihrer Partei das alles bewusst ist; ich meine Sie als Besserverdiener müssen ja dann nicht mit den Leuten die da kommen im selben Haus wohnen, oder? Aber ich habe das Gefühl das von so 100.000 Leuten die kommen etwa 5.000 Fachkräfte sein werden (die dann in ihrer Heimat [nicht nur] WIRTSCHAFTLICH schmerzlich vermisst werden) und bestimmt an die 95.000 Armutseinwanderer, die nur Harz IV wollen... Und ich habe das Gefühl das es unseren Politikern egal ist, weil die ja nicht mit diesen Armutsflüchtlingen zusammen leben müssen. Wie richtig liege ich mit meinem Gefühl?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Katic,

vielen Dank für Ihre Nachricht auf Abgeordnetenwatch.de zur Frage der offenen Grenzen in Europa. Sie sprechen in ihrem Brief ein Thema an, das gerade in den letzten Wochen in allen Medien ungeheuer viel diskutiert wurde. Ihr Brief und auch die öffentliche Diskussion von Themen wie Zuwanderung und Migration zeigen, dass diese Fragen einen großen Teil der Bevölkerung umtreiben.

Die Probleme, die in einigen deutschen Städten wie Duisburg, Berlin oder Dortmund aufgetreten sind, weil diese Städte besonders viele Zuwanderer in recht kurzer Zeit aufgenommen haben, sind der Politik bekannt und sie müssen auch von allen Beteiligten ernst genommen werden. Integration ist nicht immer leicht und sie muss sowohl von den Zuwanderern als auch vom Aufnahmeland gewollt sein, damit sie beiden zugutekommt. Dies ist leider nicht immer der Fall und deshalb verstehe ich auch ihre Besorgnis bei diesem Thema.

Dennoch möchte ich ein paar Punkte, die Sie in Ihrer Nachricht nennen, richtigstellen und einige Punkte festhalten, die ich als Sozialdemokrat für ganz besonders wichtig halte.

Für mich steht fest, dass die Freizügigkeit von EU-Bürgerinnen und Bürgern eine der größten Errungenschaften der europäischen Einigung darstellt. Von den europäischen Regeln der Freizügigkeit profitiert jeder Einzelne von uns, wenn es in den Urlaub geht oder wenn der Weg zur Arbeit in eines unserer Nachbarländer führt. Deutsche Firmen können ihre Waren in ganz Europa verkaufen ohne Zölle zahlen zu müssen und auch eine Bank-Überweisung innerhalb der EU ist ohne Kosten möglich. Wer freut sich nicht, dass er auf dem Weg in den Urlaub nicht stundenlang an der Grenzkontrolle warten muss!?

Deshalb macht mich populistische Rhetorik wie der „Wer betrügt, der fliegt“-Ausspruch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer auch sehr betroffen. Wir können doch nicht selbst von der Freizügigkeit in Europa profitieren, anderen dieses Grundrecht aber absprechen.

Europäische Integration beruht auf einem Paket von Grundprinzipien. Als Einwanderungsland hängen gerade in Deutschland vom Prinzip der Freizügigkeit und den damit verbundenen Möglichkeiten der innereuropäischen Mobilität viele Arbeitsplätze ab. Deshalb profitiert insbesondere die deutsche Wirtschaft in hohem Maße von der Zuwanderung qualifizierter und arbeitswilliger Unionsbürger.

Ich finde es darum auch ausgezeichnet, dass sowohl die Wirtschaft als auch die Gewerkschaften eine eindeutige Reaktion auf Seehofers Äußerungen gefunden haben und sie in aller Form zurückweisen. Dies zeigt auch, dass in deutschen Unternehmen weiterhin eine hohe Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften gibt, die ohne Zuwanderung nicht befriedigt werden kann. Stellt man Zuwanderer unter einen Generalverdacht und wirft ihnen pauschal vor, das deutsche Sozialsystem auszunutzen, dann wirkt dies abschreckend auf einwanderungswillige EU-Bürger und schadet Deutschland ungemein. Einwanderinnen und Einwanderer sind ein Gewinn für Deutschland und unsere Wirtschaft. Ich darf Ihnen sagen, dass ich auch als Abgeordneter des Bundestages nicht in abgehobenen Verhältnissen wohne und Nachbarn aus verschiedensten Nationen in meinem Umfeld wohnen.

Die vorliegenden Zuwanderungszahlen zeigen deutlich, dass eine Pauschalisierung nicht angebracht ist. Die sogenannten „nicht-aktiven Zuwanderer“ machen statistisch gesehen nur einen Anteil von 0,5 – 1 % aller Migranten aus. Der allergrößte Teil der Zuwanderer geht sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen nach und trägt damit sogar als Nettozahler zu einem funktionierenden Sozialsystem bei. Nur ein kleiner Teil (über den zugegebenermaßen viel in den Medien berichtet wird) nutzt sie aus.

Wir sollten uns deshalb mit Vorurteilen gegenüber Zuwanderern zurückhalten und das Problem des Missbrauchs von Sozialleistungen grundsätzlich angehen. Dieser Missbrauch zieht sich nämlich quer durch die Gesellschaft. Auch Steuerbetrug gehört zu diesem Missbrauch. Wer Probleme nur auf Zuwanderer schiebt, der betreibt „Stammtisch-Geschwätz“ und gefährdet wichtige Errungenschaften der Europäischen Integration von denen gerade die Freizügigkeit essentiell für Deutschlands Erfolg ist. Und seien wir doch mal ehrlich: Irgendwann im Leben ist jeder von uns einmal irgendwo Zuwanderer.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Bedenken ein wenig ausräumen.

Mit freundlichen Grüßen,

Achim Barchmann