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Heidrun Dittrich
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Frage von Bernd F. •

Frage an Heidrun Dittrich von Bernd F. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Dittrich,

sicher ist Ihnen der offene Brief zahlreicher deutscher Ökonomen bekannt (Aufruf an Bürger/Innen vom 5.7.12 - www.faz.de).
Meine Frau und ich sind strikt gegen den ESM und den Fiskalpakt und sehen unsere Argumente in diesem offenen Brief bestens formuliert.
Auch im Namen meiner Frau erlaube ich mir die Frage an Sie, wie Sie zu ESM/Fiskalpakt stehen. Können Sie die möglichen negativen Folgen der Brüsseler Beschlüsse für die Bürgerinen und Bürger unseres Landes reinen Gewissens vertreten?

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Fischer

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Fischer,

vielen Dank für Ihre Frage. So wie Ihre Frau und Sie lehne ich den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ab. Die Fraktion DIE LINKE war die einzige Fraktion im Bundestag, die geschlossen gegen den ESM abgestimmt hat. Daran wird deutlich: Die einzige wirkliche Oppositionskraft im Bundestag ist DIE LINKE.

Mit dem ESM werden den europäischen Steuerzahlern gigantische Risiken aufgebürdet. Die 700 Mrd. haftendes Kapital können durch einen Beschluss des Gouverneursrats (leitendes Gremium des ESM) und der Zustimmung der Mitgliedsländer jederzeit ausgeweitet werden. Mit diesen gigantischen Summen werden keine Hilfskredite finanziert, die unmittelbar der Bevölkerung zugutekommen, sondern es werden vor allem die Zins- und Tilgungszahlungen der Staaten an ihre Gläubiger sichergestellt. Das Beispiel Griechenlands zeigt: Von den 73 Milliarden Euro, die aus dem ersten „Hilfspaket“ an Griechenland ausgezahlt worden sind, flossen seit April 2010 rund 70 Milliarden direkt in die Hände von Banken, (Lebens-)Versicherungen, Pensionsfonds und anderen privaten Gläubigern. Da die Kredite der EU an Kürzungsprogramme geknüpft sind, musste die griechische Bevölkerung für ihre angebliche „Rettung“ teuer bezahlen. Resultat: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent und die Wirtschaft ist inzwischen um rund 20 Prozent eingebrochen. Ein sinnloses Opfer, denn durch Rezession und gesunkene Steuereinnahmen ist die Verschuldung des griechischen Staates seit den „Hilfskrediten“ und Kürzungsdiktaten um weitere 60 Milliarden Euro gestiegen.

Auszahlungen aus dem ESM sind nur an Länder möglich, die vorher den Fiskalvertrag ratifiziert haben. Dieser Vertrag wiederum zwingt die Mitgliedstaaten - in erster Linie über Ausgabenkürzungen - zu einem Schuldenabbau und einem Neuverschuldungsverbot. Der ESM kann weder von nationalen oder dem europäischen Parlament, noch von der Öffentlichkeit ausreichend kontrolliert werden. Alle Mitarbeiter des ESM unterliegen der Schweigepflicht und genießen Immunität. Europa braucht aber nicht weniger, sondern mehr Transparenz und Demokratie. Als völkerrechtlicher Vertrag ist der ESM wie der Fiskalvertrag unkündbar und damit für jede gewählte Regierung bindend. Der ESM-Vertrag kann selbst mit einer verfassungsändernden Mehrheit im Parlament nicht mehr geändert werden.

Die Alternative von DIE LINKE lautet: Keine Bankenrettungen mehr zulasten der breiten Bevölkerung. Um das zu erreichen, muss die Finanzierung der öffentlichen Haushalte von der Abhängigkeit der Finanzmärkte befreit werden. Es ist mehr als überfällig, dass die Staaten in der Eurozone zu denselben Konditionen Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten können, wie es die Geschäftsbanken heute bekommen. Dies ließe sich ohne Vertragsveränderung und innerhalb weniger Tage über die Errichtung einer europäischen Bank für öffentliche Anleihen organisieren, die sich über die EZB refinanziert. So verlieren Ratingagenturen und Finanzmärkte ihr Erpressungspotenzial. Werden aufgrund von Abschreibungen im Bankensystem staatliche Rekapitalisierungen notwendig, dann müssen diese mit einer Vergesellschaftung der entsprechenden privaten Großbanken einhergehen und die dadurch verursachten Kosten sozial gerecht durch eine einmalige Vermögensabgabe finanziert werden. Damit in Zukunft Finanzkrisen verhindert werden, ist außerdem eine strikte Regulierung – auch der vergesellschafteten Großbanken – notwendig.

Ich hoffe, ich habe Ihre Frage angemessen beantwortet und stehe Ihnen für weitere Fragen gerne zur Verfügung!

Mit freundlichen Grüßen
Heidrun Dittrich