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Heidemarie Wieczorek-Zeul
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Frage von Manfred K. •

Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Manfred K. bezüglich Wirtschaft

Verehrte Frau Wiezcorek-Zeul,

Fiskalpakt und ESM übersteigen die Vorstellungsvermögen der Bürger und Ihrer Wähler, einschließlich des Unterzeichners. Unserer Hausbank sage ich immer, dass ich keine Wertpapiere kaufe, deren Sinn und Funktion ich nicht verstehe. Genauso verhält es sich mit Fiskalpakt und ESM. Niemand kann dazu schlüssige Antworten geben. Alle bisherigen Rettungsmaßnahmen für den EURO sind bisher gescheitert. Deshalb: Stoppen Sie mit Ihrer Stimme die weitere Haftung unseres Landes für die Schulden anderer Staaten. Sprechen Sie mit Ihren Wählern.

Mit freundlichen Grüssen
Manfred Kern, Wiesbaden

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kern,

selbstverständlich spreche ich regelmäßig mit den Wählerinnen und Wählern in meinem Wahlkreis! Dass die Maßnahmen, die in den letzten Monaten zur Beherrschung der Finanzkrise entwickelt wurden, das Vorstellungsvermögen übersteigen, kann ich gut verstehen – und schließlich nimmt sich ja auch das Bundesverfassungsgericht zwei Monate Zeit, um die Vereinbarkeit von ESM und Fiskalpakt mit dem Grundgesetz auch nur soweit zu prüfen, um eine Entscheidung über den Eilantrag treffen zu können. Das Gericht hat dabei ähnliche Abwägungen vornehmen müssen wie zuvor auch wir Abgeordnete. Ich selbst habe meine Entscheidung am 29. Juni mit „Ja“ zu stimmen, nicht leichten Herzens getroffen. Ich habe deshalb zu dieser Abstimmung eine schriftliche Erklärung nach § 31 GO abgegeben, die ich Ihnen anfüge, und die ich auch auf meiner Homepage öffentlich gemacht habe.
Meine Verantwortung als Bundestagsabgeordnete gilt selbstverständlich unserem Land und seinen Menschen, und als größtes und wirtschaftlich stärkstes Land in der Mitte Europas haben wir das allergrößte Interesse am Erhalt des Euro und dem Zusammenhalt der Europäischen Union. Deshalb prüfen wir – und auch ich – sorgfältig und genau die Vorlagen der Bundesregierung, z.B. in der Hilfe für die spanischen Banken.
Die aktuelle Diskussion darf im Übrigen nicht ablenken von der eigentlichen Verantwortung der Banken und des Finanzsektors an der Krise, die trotz des angerichteten Desasters ungeniert weitermachen, als sei nichts geschehen. Dass eine britische Großbank offensichtlich als „Dienstleister“ für Drogendealer und Geldwäscher fungiert, und dass am vielbeschworenen Finanzplatz London organisierte Zinsmanipulation Usus war, macht mehr als deutlich: der Finanzsektor braucht dringend eine wirksame Kontrolle und Regulierung, wenn nicht ganze Volkswirtschaften unter solchen empörenden Missständen leiden sollen.
Mit freundlichen Grüßen
Heidemarie Wieczorek-Zeul

Erklärung der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, MdB, nach § 31 GO
zum Permanenten Stabilitätsmechanismus und zum Fiskalpakt (TOP 50) am
29. Juni 2012

1. Ich halte den Permanenten Stabilitätsmechanismus für notwendig, um die
Europäische Währungsunion vor den Auswirkungen von Spekulationen zu schützen. Deshalb werde ich bei dieser Abstimmung mit „Ja“ stimmen.
2. Der Fiskalpakt geht von der falschen Annahme aus, dass die Verschuldung der
europäischen Länder eine Konsequenz übermäßiger Staatsausgaben sei, während – bis auf Griechenland – für alle EU-Staaten gilt, dass ihre gewachsene Verschuldung Ergebnis der Rettungsaktionen der europäischen Staaten für die Finanzmärkte 2008/2009 ist. Insofern wäre er als alleiniges Instrument angesichts der marktradikalen Politik einer Reihe von nationalen EU-Regierungen eine falsche Weichenstellung der Austeritätspolitik.
Er lässt ein vergleichbares Rechtsinstrument vermissen, das eine aktive
makroökonomische Politik festlegt, die auf Beschäftigungswachstum setzt.
Er ist ein zwischenstaatlicher Vertrag, der praktisch die EU-Institutionen und auch das Europäische Parlament aushebelt.
3. Angesichts dieser falschen Grundorientierung war es wichtig, die grundlegenden
Fehler zu korrigieren.
Das ist der Sozialdemokratischen Partei, das ist den Ländern in zähen Verhandlungen in wichtigen Bereichen gelungen:
- Endlich wird es eine Finanztransaktionssteuer geben, für die ich mich bereits
- vor 10 Jahren stark gemacht habe – damals noch als „exotische“,
- unrealistische Position diffamiert. Und von der CDU noch im letzten
- Bundestagswahlkampf vehement bekämpft.
- Die Initiative dieser „willigen“ europäischen Staaten muss dazu beitragen,
- endlich diejenigen zur Kasse zu bitten, die die Finanzmarktkrise verursacht
- haben.
- Gleichzeitig wird es auch angesichts der politischen Veränderungen in
- Frankreich Festlegungen auf einen „Pakt für nachhaltiges Wachstum und
- Beschäftigung“ geben, verbunden mit einem Sofortprogramm gegen
- Jugendarbeitslosigkeit.
- Damit kann endlich ein Kurswechsel in der verfehlten Austeritätspolitik - - - -
- eingeleitet werden.
4. Ungelöst ist nach wie vor der Umgang mit den sogenannten „Altschulden“.
Notwendig ist die gemeinschaftliche Sicherung für einen Teil der Anleihen der
Eurostaaten.
Eine gemeinschaftliche Währung hätte ansonsten keine dauerhafte Zukunft angesichts der fortdauernden Spekulationen gegen den Euro. Der Erhalt und die Sicherung des Euro ist aber sowohl unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Arbeitsplätze bei uns als auch aus politischen Gründen für Deutschland von zentraler Bedeutung.
Schließlich ist es notwendig, endlich die erforderlichen Schritte zu einer wirklichen Finanzmarktregulierung voran zu bringen. Hier besteht noch maßgeblicher Handlungsbedarf.
5. Meine Abwägung bei der Entscheidung zur Ratifizierung des Fiskalpaktes sieht so aus:
Bei einer Ablehnung würde die 2/3 Mehrheit im Bundestag scheitern. Eine Phase der massiven Instabilität in der Europäischen Union wäre die Folge. Die würde auch gerade den Euro als Gemeinschaftswährung destabilisieren, dies könnte die Europäische Union gefährden. Eine derartige Entwicklung darf niemand riskieren, dem die EU in der globalen Entwicklung und für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung seiner Bürger und Bürgerinnen am Herzen liegt. Darum werde ich mit „Ja“ stimmen.
Wichtig ist es aus meiner Sicht, diese Instabilität zu verhindern die angesichts der Situation in Griechenland und Spanien ohnehin eine Gefahr ist und durch sie noch vergrößert würde.
Statt dessen sollten Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen in Europa enger zusammenarbeiten, politische Mehrheiten schaffen, auch in Deutschland, um das nachzuarbeiten, was in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen ist, nämlich eine wirkliche Politische Union, eine wirkliche Wirtschafts- und Sozialunion aufzubauen.
„Die EU neu zu begründen“, das ist notwendig, wenn die Politische Union geschaffen werden soll. Derartige europäische Pläne müssten einem Volksentscheid unterliegen.
Für einen Volksentscheid zum „Maastricht-Vertrag“ bin ich übrigens schon zu Beginn der 90er Jahre eingetreten.