Harald Wolf
Harald Wolf
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Harald Wolf zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Tom M. •

Frage an Harald Wolf von Tom M. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Wolf

Die Verschuldung der Stadt beträgt nun mittlerweile stolze 63 Mrd. Euro. Geld welches der Stadt und Ihren Menschen fehlt, ob für soziale Projekte oder die Stadtentwicklung. Nun frage ich mich natürlich, wie diese Schulden entstanden sind und wer den Berg abtragen darf. Vor allem, wie lange würde es dauern, bis wir als Stadt diese Last geschultert haben. Deshalb explizit

- Was hat uns der "Berliner Bankenskandal" ( http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Bankenskandal ) gekostet, bzw. mit wieviel belastet er noch immer den Haushalt und wie wurde er von Ihrer Partei aufgearbeitet?

- Wie können Schulden in solchem Umfang getilgt werden, wenn man bedenkt, dass selbst die Zinszahlung je Jahr und Bürger bei etwa 700 Euro liegen dürften?

- Wieviele soziale Projekte und wieviel Stadtentwicklung wäre möglich, würden diese Schulden nicht in dem Maße bestehen? Hierbei interessiert mich insbesondere, wie Sie den Verlauf der Berliner Schulden ohne die Sonderbelastung durch Bürgschaften, für die Rettung der Bankgesellschaft Berlin sehen

Die Frage nach den Profiteuren möchte ich hier aussen vor lassen, jedoch fragen ich mich, ob nicht die Verluste sozialisiert und vom Steuerzahler getragen werden müssen, während wir für die verbleibenen Anteile nur einen Bruchteil dessen erhalten haben, was die Rettung gekostet haben dürfte.

Mit freundlichen Grüßen

Tom Meyer

Harald Wolf
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Meyer,

die hohe Verschuldung Berlins ist eine Erblast aus Zeiten der CDU-geführten Großen Koalition. Ursache dafür war eine hemmungslose Schuldenaufnahme nach der Wende im Vorgriff auf eine illusorische Entwicklung Berlins mit bis zu 6 Mio. Einwohnern. Zu berücksichtigen ist, dass der Haushalt West-Berlins vor der Wende zu mehr aus 50 Prozent vom Bund finanziert wurde. Diese Mentalität des Ausgebens setzte sich in den 90er Jahren fort. Der rasante Abbau der Berlin-Förderung lief dem zuwider. Hinzu kam eine in der Bundesrepublik einmalige teure Subventionierung des Wohnungsbaus, die allein mit einer Summe von mehr als 12 Mrd. € Ausgaben bisher zu Buche geschlagen hat. Das waren die Gründe für die rot-rote Koalition, 2002 die Haushaltsnotlage zu erklären und vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um Unterstützung von Bund und Ländern einzufordern. Sie wissen sicherlich, dass diese Klage Berlins nicht erfolgreich war. Berlin muss also allein mit seinem Schuldenberg umgehen. Allerdings gibt es nach dem Bundesgesetz über Konsolidierungshilfen bis 2019 unter bestimmten Bedingungen eine jährliche Konsolidierungshilfe in Höhe von 80 Mio.€ für Berlin. Gleichzeitig muss Berlin in den Konsolidierungsfonds einzahlen, was einen Nettobetrag von 56 Mio.€ pro Jahr zugunsten Berlins ausmacht. Berlin hat unter der SPD/Linke-Regierung die Haushaltsanstrengungen forciert, um aus der Schuldenfalle herauszukommen. Seit 2001 hat Berlin insgesamt die Ausgaben um nur 2,3 % jährlich gesteigert, im Gegensatz dazu haben Länder wie Saarland, Niedersachsen und andere ihre Ausgaben um über 20% erhöht. Der haushaltsmäßige Effekt dieser Konsolidierungspolitik ist, dass der Anstieg des Schuldenberges nicht wie noch von der Diepgen-Regierung geplant auf 90 Mrd.€ in diesem Jahr erfolgte, sondern auf 63 Mrd.€. das ist immer noch eine gewaltige Last, über deren Abbau ab dem Jahr 2020, vielleicht etwas früher, im Rahmen einer weiteren Förderalsimusregelung nachgedacht werden muss.

- Was hat uns der "Berliner Bankenskandal" ( http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Bankenskandal ) gekostet, bzw. mit wieviel belastet er noch immer den Haushalt und wie wurde er von Ihrer Partei aufgearbeitet?

Die Darstellung auf Wikipedia ist richtig. Berlin hat 2001 einen direkten Zuschuss an die Bankgesellschaft in Höhe 1,7 Mrd. € gezahlt und eine Riskoübernahme bis zu 21,6 Mrd. € beschlossen. Inzwischen wurde die Bankgesellschaft als eine Auflage der EU veräußert. Aus dem Verkaufserlös wurde eine Sonderrücklage gebildet, aus der bisher die Verpflichtungen zu Miet- und Kreditgarantien bezahlt wurden. Die skandalösen Immobilienfonds wurden als Berliner "Bad-Bank" bei der Berlin Immobilien Holding BIH zusammengefaßt und werden dort gemanagt. Außerdem hat die Koalition beschlossen, die Anteile an den Immobilienfonds nach und nach zurückzukaufen, um die Fonds letztlich aufzulösen. Ein Kompaktverkauf der BIH scheiterte 2010 an dem fehlenden Transparenzwillen der Investorengruppe. Die Linke hat sowohl im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Bankenskandals als auch in ihrer Regierungsbeteiligung immer an der Minimierung der Belastungen des Landes gearbeitet. Inzwischen gehen Schätzungen von einem Gesamtvermögensschaden von ca. 7-8 Mrd. € aus. Letztendlich kann die Gesamtschadensbilanz erst erstellt werden, wenn alle Fonds abgelöst sind.

- Wie können Schulden in solchem Umfang getilgt werden, wenn man bedenkt, dass selbst die Zinszahlung je Jahr und Bürger bei etwa 700 Euro liegen dürften?

Die Strategie der Haushaltskonsolidierung ist zunächst darauf gerichtet, die laufenden Ausgaben aus den laufenden Einnahmen zu bestreiten. Hierbei ist Berlin weit voran gekommen und hat inzwischen mehrere Jahre einen so genannten positiven Primärhaushalt. 2007 und 2008 gelang sogar eine Tilgung von Altschulden. Gegenwärtig leistet Berlin ca. 2,4 Mrd. € Zahlungen an Zinsen für Altschulden. Deshalb sind alle Anstrengungen darauf gerichtet, nicht noch mehr Schulden aufzunehmen. Für die nächsten Jahre ist geplant, die Ausgaben stabil zu halten und mögliche Einnahmesteigerungen zum Abbau der Altschulden zu verwenden. Das ist eine Konsolidierung durch Wachstum. Ein weiteres Absenken der Ausgaben lehnt DIE LINKE ab, da weitere Streichungen die soziale Balance in Berlin gefährden, aber auch Wachstum abdrücken würden.

- Wieviele soziale Projekte und wieviel Stadtentwicklung wäre möglich, würden diese Schulden nicht in dem Maße bestehen? Hierbei interessiert mich insbesondere, wie Sie den Verlauf der Berliner Schulden ohne die Sonderbelastung durch Bürgschaften, für die Rettung der Bankgesellschaft Berlin sehen.

Diese Frage ist natürlich zu weiten Teilen spekulativ. Als Linke würden wir gern mehr und schneller Geld für die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur, insbesondere von Schulen und KITAS ausgeben, dem kommunalen Wohnungsbau, die energetische Sanierung der landeseigenen Gebäude vorantreiben, die Freien Träger auskömmlich finanzieren und zwar zu besseren tariflichen Bedingungen als zur Zeit und Projekte des öffentlichen Beschäftigungssektors ausweiten, um den Betroffenen eine tarifliche und sozialversicherte Beschäftigung zu ermöglichen und damit die Langzeitarbeitslosigkeit in Berlin deutlich zu senken.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Wolf