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Harald Terpe
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Frage von Stephan H. •

Frage an Harald Terpe von Stephan H. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Terpe,

Sie empfehlen den Krankenkassen nach dem letzten entdeckten Organspendeskandal, auf Werbung für Organspende und dem Versand der Ausweise "in nächster Zeit" zu verzichten.
Ist Ihnen nicht klar, daß sämtliche Organspendeskandale, so wie jeglicher Schwarzhandel, Ausdruck einer Mangelwirtschaft ist? Die Skandale sollten ganz im Gegenteil Anlaß zu intensivierter Werbung für die Organspende sein unter Verweis auf die gefährliche Mangelsituation. Es mag ja ganz nett sein, daß niemand gedrängt werden soll, in eine Spendenbereitschaft einzuwilligen. Aber es ist meiner Meinung nach nicht nur legitim, sondern auch geboten, jedem klarzumachen, daß er jederzeit plötzlich ein Spenderorgan brauchen könnte und daß es nicht angehen kann, die Bereitschaft zu spenden zu verweigern, aber im Notfall ein Organ zu beanspruchen.
Warum arbeiten Sie dagegen? Sind Sie selbst Spender? Und wenn nein: Sind Sie absolut sicher, daß Sie nie ein Ersatzorgan benötigen?
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Hestermann

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Sehr geehrter Herr Hestermann,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.

Zunächst: Die Vorstellung, dass der Mangel an Organen allein aufgrund von rechtlichen Vorgaben oder Öffentlichkeitsarbeit behoben werden könnte, ist in höchstem Maße realitätsfremd. Die Transplantationsmedizin wird immer ein Bereich sein, in dem die Nachfrage nach Organen höher ist als das Angebot. Das hat zum einen damit zu tun, dass es zusätzliche Indikationen geben wird, bei denen Ärztinnen und Ärzte eine Organtransplantation in Erwägung ziehen. Auf der anderen Seite ist - mit Ausnahme der Lebendspende - zwingende Voraussetzung einer Transplantation, dass bei dem Spender der Hirntod eingetreten ist. Jährlich versterben allerdings nur vergleichsweise wenige Menschen auf diese Art, und noch weniger dieser Menschen sind als Organspender geeignet.

Ich stimme Ihnen außerdem nicht zu, dass die bekannt gewordenen Manipulationen Ausdruck dieser "Mangelwirtschaft" seien. Wie in der Presse berichtet ( http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/transplantation-mindestens-60-auffaellige-organvergaben-in-goettingen-a-877157.html ), wurden beispielsweise auch Transplantationen an PatientInnen durchgeführt, denen aus rein medizinischer Sicht mit einem solchen Eingriff gar nicht geholfen werden konnte. Es wird vermutet, dass vielmehr ein Vergütungssystem über Bonuszahlungen oder die Aussicht, durch eine Erhörung von Fallzahlen den Ruf der Klinik oder das eigene Renommee steigern zu können, Motiv für viele der Manipulationen waren.

Im Übrigen möchte ich den Vorwurf zurückweisen, dass ich "gegen die Organspende" arbeite. Ich bin kein Gegner der Transplantationsmedizin und habe selbst an der Erarbeitung des von Ihnen erwähnten Gesetzes mitgewirkt. Wenn der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber allerdings beschließt, bei den Menschen zukünftig für mehr Organspenden zu werben, muss er auch dafür sorgen, dass das System, in dessen Hände sich die (potentiellen) Spender begeben, sauber ist und es gerecht zugeht. Solange wie jetzt ständig neue Missstände aufgedeckt werden, kann dies nicht sichergestellt werden. Meine Fraktion hat unter meiner Federführung deswegen als erste Fraktion im Bundestag einen Antrag eingebracht, in dem wir den aus unserer Sicht bestehenden Reformbedarf benennen (Sie finden ihn unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/113/1711308.pdf ). Ich arbeite also nicht gegen, sondern für eine gute Transplantationsmedizin in Deutschland. Wenn diese Änderungen umgesetzt sind, kann man den Menschen auch wieder guten Gewissens einer Organspende zuraten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Harald Terpe

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