Portrait Harald Ebner mit blauem Hemd vor grünem Hintergrund. Lächelnd.
Harald Ebner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sebastian L. •

Frage an Harald Ebner von Sebastian L. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Ebner,

ich habe eine Frage zum Thema Produktkennzeichnung. Können Sie mir erklären warum es für die Konsumenten immer schwieriger wird, aus der Produktkennzeichnung verbraucherrelevante Informationen herauszulesen ? Die Informationen sind entweder nicht vorhanden (Herstellungsland/Ort) oder so unübersichtlich / kompliziert (Inhaltsstoffe/Zusammensetzung), dass man ohne Lexikon nicht weiterkommt oder wichtige Informationen gar nicht findet.

Ein Beispiel : Mich, als sozial engagiertem Konsumenten, interessiert es u.a. sehr, wo ein Produkt hergestellt wurde. Eine, im Rahmen der Globalisierung, für mich wichtige Frage. Ich möchte keine Hersteller unterstützen, die aus Gewinnstreben in armen Ländern produzieren lassen um die hiesigen Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze zu umgehen. Von den Lohnkosten ganz zu schweigen.

Bitte erklären Sie mir warum Ihre Partei das so möchte, oder ggf. was Sie dagegen unternehmen.

Mit freundlichem Gruß,

Sebastian Lindemann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lindemann,

vielen Dank für Ihre Frage. Wir Grüne teilen Ihre Forderung nach einer genaueren und leicht verständlichen Kennzeichnung und wollen dabei bestehende Lücken schließen. Hier einige Beispiele dafür:

Wir Grüne fordern die Kennzeichnung tierischer Produkte, wenn sie mit gentechnisch veränderten Futtermitteln (z.B. Soja aus Lateinamerika) erzeugt werden. Der Gen-Soja-Anbau auf riesigen Flächen in Argentinien, Brasilien und Paraguay führt dort zu massiven Umwelt- und Gesundheitsproblemen und vertreibt Kleinbauern von ihrem Land. Bislang gibt es als Alternative (neben Bioprodukten) nur Produkte mit der freiwilligen Positivkennzeichnung mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“, dessen Förderung die Bundesregierung aber im aktuellen Haushalt für 2012 gestrichen hat.

Die Haltungsform von Legehennen sollte auch bei verarbeiteten Produkten, die Eier enthalten, erkennbar sein. Im Gegensatz zu Frischeiern im Einzelhandel dominieren bei Nudeln und Gebäck noch die Käfigeier, ohne dem Verbraucher bewusst zu sein. Weitere Defizite sind die englischsprachigen Inhaltsstoffangaben bei Kosmetik- und Drogerieartikeln und täuschende, aber bislang legale Werbeaussagen auf Verpackungen. So sind in vielen als gesund geltenden bzw. beworbenen Produkten wie z.B. Müsli häufig viel Zucker und Fett enthalten.

Angesichts des stark wachsenden Problems von Fehlernährung und Übergewicht bereits im Kindesalter haben wir uns zusammen mit Verbraucherzentralen, Kinderärzten und Krankenkassen für die sogenannte Ampelkennzeichnung eingesetzt; mit der hohe Zucker-, Salz- und Fettgehalte in Lebensmitteln mit rot, mittlere Werte mit gelb und geringe Mengen mit grün gut sichtbar auf der Verpackung gekennzeichnet werden. So ein System erleichtert eine gesunde Ernährung auch für Menschen ohne großes Ernährungswissen, die nicht viel Zeit beim Einkauf zum Studieren der Nährwertangaben haben. Die jetzt auf EU-Ebene beschlossene industriefreundliche GDA-Kennzeichnung ist dagegen kompliziert und häufig irreführend, da sie sich auf unrealistisch kleine Portionen bezieht. Leider konnten wir uns bei der Ampelkennzeichnung bislang politisch nicht durchsetzen, werden uns aber weiter auch auf EU-Ebene dafür einsetzen.
Wir Grüne unterstützen seit je her die Förderung von Produkten aus ökologischer Erzeugung und aus fairem Handel, weil für deren Produktion klar festgelegte Sozial- und Umweltstandards gelten. Wir begrüßen sehr, dass die Vertreter beider Bereiche immer öfter zusammenarbeiten und Produkte anbieten, die beide Kriterien (bio+fair) erfüllen; diesen Trend wollen wir politisch fördern.

Leider ist das Angebot von Produkten mit klaren Umwelt- und Sozialstandards im konventionellen Einzelhandel teilweise noch sehr begrenzt oder gar nicht vorhanden; insbesondere im Bereich Textilien. Auch im Bereich der Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Dienstleistungen, Elektronik/IT und Baumaterialien fehlen bislang vergleichbare Standards weitgehend bzw. führen ein Nischendasein – dies wollen wir ändern. Zunehmend betreiben Unternehmen und Handelsketten zur eigenen Imageaufbesserung zudem sogenanntes „Greenwashing“ mit eigenen Siegeln und Gütezeichen, denen deutlich schlechtere oder gar keine klaren Standards zugrundeliegen. Dieser Form der Verbraucherirreführung wollen wir durch die Stärkung der glaubwürdigen Alternativen entgegenwirken.

Eine denkbare Lösung könnte ein umfassendes Nachhaltigkeits-Siegel sein, das alle Kriterien wie Sozial- und Bio-Standards, Klimaschutz, Ressourcen- und Energieverbrauch bei Herstellung und Transport, Recycling-Fähigkeit etc. vereint. Hierbei gibt es aber zahlreiche offene Fragen und Probleme. Aufwand und Kosten zur Ermittlung dieser Werte und für den Zertifizierungsprozess sehr groß, so dass kleine Anbieter dies nicht leisten können und vom Markt verdrängt würden – dabei sind gerade unter den kleineren Unternehmen oft Vorreiter für ökologische und faire Produkte. Zunächst ist es daher wichtig, die seriösen aussagekräftigen Siegel bzw. entsprechende Anbieter (Ökoverbände, Bio-Siegel, Fairtrade) zu stärken. Dies könnte z.B. durch Entwicklung und Etablierung eines übergreifenden Meta-Siegels erreicht werden, das ergänzend zu den bewährten Siegeln verwendet wird und auf deren Standards beruht.
Wir setzen uns für eine bessere Orientierung der Verbraucher im vorhandenen „Label-Dschungel“ ein, damit sie nicht durch „Pseudo-Siegel“ getäuscht werden. Transparenz ist hier oberstes Gebot. Dies kann z.B. durch die Institution eines Marktwächters für Produktnachhaltigkeit, angesiedelt bei den Verbraucherzentralen, geschehen, der die Standards verschiedener Siegel auf dem Markt miteinander vergleicht und daraus verständliche Vergleichsübersichten für Produktkategorien erstellt und Informationen über die wesentlichen Unterschiede der Siegel vermittelt.

Am 21. Oktober 2011 hat die GRÜNE Bundestagsfraktion ein Fachgespräch zum Thema Nachhaltigkeitssiegel veranstaltet; einen zusammenfassenden Bericht und die Vorträge der Expertinnen und Experten finden Sie unter:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/verbraucherschutz/dok/395/395189.nachhaltigkeitssiegel_zur_staerkung_des.html .

Die Förderung der Regionalvermarktung und regionalen Qualitätserzeugern bzw. die Ausgestaltung von Regionalsiegeln mit strengen Vorgaben für Herkunft und Qualität der Produkte ist Thema eines Antrages der Grünen Bundestagsfraktion, der zu finden ist unter der Internetadresse
http://www.cornelia-behm.de/cms/default/dokbin/392/392403.antrag_regionalvermarktung.pdf .

Neben besseren Kennzeichnungsvorgaben sind in vielen Bereichen des Verbraucherschutzes weitere Maßnahmen wie wirkungsvolle gesetzliche Regelungen und eine (finanzielle) Stärkung der unabhängigen Beratungsarbeit durch die Verbraucherzentralen notwendig.

Auf Homepage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter
http://www.gruene-bundestag.de/cms/verbraucherschutz/rubrik/4/4814.verbraucherschutz.html
finden Sie noch viele weitere Informationen und GRÜNE Initiativen zum Thema Verbraucherschutz, z.B. zu sicherem Spielzeug, ein besseres Verbraucherinformationsgesetz und besseren Verbraucherschutz bei Finanzprodukten und –dienstleistungen.

Politik kann nicht nur im Parlament, sondern auch mit dem Einkaufskorb gemacht werden, wie die weitgehend erreichte Verbannung von Käfigeiern aus den Supermarktregalen und die steigende Beliebtheit von Bio- und Fairtrade-Produkten beweist. Unter den folgenden Links finden Sie ergänzend Bezugsadressen und Informationen zu nachhaltigen Produkten, die nicht auf Kosten von Mensch und Umwelt produziert wurden.
http://www.ecotopten.de/start.php
http://www.nachhaltig-einkaufen.de/
http://www.fairtrade-deutschland.de/produkte/fair-einkaufen/
http://www.faire-woche.de/der-faire-handel/einkaufen/

Mit freundlichen Grüßen

Harald Ebner

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