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Hans-Peter Friedrich
CSU
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Frage von Ulrich P. •

Frage an Hans-Peter Friedrich von Ulrich P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Friedrich,

Ihre Antwort auf die Fragen von Herrn Frank bezüglich des Mehrheitswahlrecht kann nicht unkommentiert bleiben.
Die Stärke der "Linken", welche von allen Parteien gemieden werden, macht eine Mehrheit im jetzigen Wahlsystem fast unmöglich. Wollen Sie dieses System weiter favorisieren, wenn Sie Hessen betrachten, wo die Opposition die Gesetze macht und der amtierende Regierungschef nur noch unterschreiben muss, was er nicht will? Halten Sie die Kritik des Bundespräsidenten für richtig, dass Reformen ausbleiben? Warum wird die Koalitionsvereinbarung nicht einmal im Ansatz umgesetzt?Ist es richtig, dass die Koalitonsparteien eine solch große Mehrheit haben, dass Sie alles durchsetzen könnten?
Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie riesige Defizite einräumen. Woher kommt dies. Ist es nicht so, dass immer eine Regierungspartei eine andere Auffassung hat, und sinnvolle Gesetze blockiert? Ist es nicht so, dass es dadurch unmöglich wird für den Wähler festzustellen, für was die einzelnen Parteien stehen?

Die Abgeordneten auf diesem Portal nehmen eindeutig Stellung, warum es keine sinnvolle Reformen geben kann. So wird von "parteitaktischen Kalkülen, lobbyistischer Widerstand" oder von "den kleinen gemeinsamen Schnittstellen" berichtet usw. Man muss sich dies mal vor Augen führen: Die 2 weitaus (damals) größten Partei setzen sich zusammen und verabschieden ein Regierungsbündnis. Sie haben alle Macht. Und im Regierungsalltag gibt es nur Krach und Zwist und jeder denkt kleinkariert an seine vermeintliche Vorteile. Das Gemeinwohl bleibt außen vor. Mir bleibt noch Platz um auf einige unerledigte wichtige Punkte der Koalitions- vereinbarung hinzuweisen: alle junge Menschen die gleiche Chance für Bildung, Energiepreisanstieg begrenzen durch Wettbewerb, Steuersystem vereinfachen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Prävention im Gesundheitswesen usw. Alles kein Thema mehr. Wenn man das richtige Wahlsystem betrachtet, sollte man daher mehr sich nach der Praxis richten.

MfG
Ulrich Parth

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Parth,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 08.08.2008, in dem Sie sich zum Thema Wahlrechtsreform und zu meiner Antwort auf die Frage von Herrn Frank vom 07.08.2008 äußern.

Die gegenwärtige Ausgestaltung des Bundeswahlrechts zur Wahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages geht in seinen Grundzügen auf eine Wahlrechtsreform von 1956 zurück. Seit der Bundestagswahl 1961 waren in der Folge immer nur 3 bis 5 Fraktionen im Bundestag vertreten. Das bedeutet, dass die Bundespolitik seit nunmehr bald 50 Jahren auf den gleichen Wahlrechtsgrundsätzen basiert und dabei eine außerordentliche Stabilität bewiesen hat.

Eine parlamentarische Mehrheit ist nicht dazu da, sich selbst ein passendes Wahlrecht zu schneidern. Wenn eine Regierung nach Belieben das Wahlrecht ändert, wird eine Demokratie ad absurdum geführt.
Das Wahlrecht besitzt stattdessen genau die gegenteilige Aufgabe, nämlich den Modus festzulegen, in dem der Souverän - die Wähler - die Zusammensetzung des Parlaments bestimmen. Dem Parlament kommt die Aufgabe zu, nach freiheitlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen die Regierungsarbeit in ihren Grundzügen zu bestimmen und vor allem zu kontrollieren.
Diesem Mechanismus haben wir unsere Freiheit, Rechtstaatlichkeit und unseren Wohlstand in Deutschland zu verdanken. Die gegenseitige Kontrolle verschiedener Institutionen und Parteien sowie der freie Wettbewerb der Parteien erhöhen die Transparenz und Effektivität des politischen Handelns.

Zu Ihrem Argument mit der SED-Nachfolgepartei: Ich bin davon überzeugt, dass die Ideologie der Linken für Deutschland niemals eine ernsthafte Alternative zur seriösen Regierungspolitik der übrigen gegenwärtig im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien darstellen kann.

Für die Auseinandersetzung mit den radikalen Parteien gibt es nur einen richtigen Weg, nämlich sich diesen Parteien im Wettbewerb mit belastbaren Argumenten zu stellen und die hohlen Versprechungen zu enthüllen. Nur so können wir Wähler mobilisieren und von unseren Politikkonzepten überzeugen.

Derzeit verfügt die Große Koalition über eine 2/3-Mehrheit. Dabei darf es jedoch nicht überraschen, dass, wenn durch die Wähler wie 2005 geschehen, keine eindeutige Richtung vorgegeben wird, dann umso größere Kompromisse durch die Regierungsparteien eingegangen werden müssen.

Einerseits wird den im Bundestag vertretenen Parteien oft haltlos vorgeworfen, sie wären profillos und inhaltsleer. Wenn jedoch andererseits die Unterschiede der Problemlösungsansätze der Parteien im tagtäglichen Politikprozess deutlich werden, wird von "Krach" und "Zwist" gesprochen. Egal ob es sich um eine Partei handelt, die in Regierungsverantwortung steht oder sich in der Opposition befindet: die Bürger haben ein Recht darauf, die Positionen der Parteien öffentlich zu allen Sachfragen zu erfahren. Nur auf diesem Weg kann sich jeder Wähler ein Bild von den betreffenden Parteien machen.

Ihrer Einschätzung, dass sich auf längere Sicht nur noch die befürchtete Parteienzersplitterung einstellen wird, widerspricht die Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl vom 21.08.2008, in der die Union zusammen mit der FDP auf 50% kommen würde. Die Hochrechnung zeigt, dass Mehrheiten nach wie vor im personalisierten Verhältniswahlrecht mit einer klaren Linie realisierbar sind. Dieser Trend könnte umso stärker werden, je mehr die Wähler ein deutlicheres Profil der Parteien in der Bundespolitik sehen wollen. Am Ende kann allein der Wähler entscheiden.

Trotzdem stehen wir vor der großen Herausforderung, das Bundeswahlrecht an die Erfordernisse, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, anzugleichen. Dabei geht es im Kern darum, die verfassungswidrige Ausgestaltung der Überhangmandate zu beseitigen. Unter gewissen Konstellationen kann sich bisher landeslistenübergreifend ein Plus an Wahlstimmen für eine Partei negativ auswirken. Dem Änderungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts werden wir nach sorgfältiger und nicht überhasteter Beratung Rechnung tragen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Peter Friedrich MdB

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