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Hans-Martin Haller
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Frage von Klemens A. •

Frage an Hans-Martin Haller von Klemens A. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Haller,

wie ist Ihre Meinung zur geplanten Privatisierung der Gerichtsvollzieher?

Mit freundlichen Grüßen

Klemens Armborst

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Armborst,

dass der Staat weiter Bier braut, aber den Gerichtsvollzug privatisiert, halte ich fast schon für irrwitzig.

In einem Parlamentsantrag hat meine Fraktion bereits Mitte 2003 die heiklen Aspekte der Privatisierungspläne benannt: Die Gerichtsvollziehern übertragenen Aufgaben sind zu einem großen Teil hoheitliche Befugnisse im Sinne des Artikels 33 Absatz 4 unseres Grundgesetzes. Die entsprechenden Befugnisse übt ein Gerichtsvollzieher in Wahrnehmung des staatlichen Gewaltmonopols aus; im Rahmen seiner Zuständigkeiten ist er u. a. befugt, Wohnungen zu durchsuchen und – in der Regel mit polizeilicher Unterstützung – Gewalt anzuwenden.

Vor diesem Hintergrund ist das, was landläufig unter „Privatisierung“ verstanden wird, schlicht verfassungswidrig. Dieser Aspekt ist natürlich auch dem Landesjustizministerium gegenwärtig. Und an dieser Stelle wird es deshalb kompliziert: Die Privatisierung, die das Landesjustizministerium betreibt, sieht vor, dass Freiberufler Gerichtsvollziehertätigkeiten vornehmen, die hierfür mit entsprechenden hoheitlichen Befugnissen „beliehen“ werden sollen. Auch diese Konstruktion erscheint mir verfassungsrechtlich fragwürdig – andere haben da weniger Bedenken. Aber selbst Herr Oettinger hat – zumindest noch vor seinem Amtsantritt als Ministerpräsident – verfassungsrechtlichen Klärungsbedarf gesehen.

Zudem gibt es weitere Fragwürdigkeiten, die mich skeptisch stimmen:

In ihrer Stellungnahme zum erwähnten Antrag meiner Fraktion hat die Landesregierung den Negativsaldo zwischen den Landeseinnahmen aus der Vollstreckungstätigkeit und Ausgaben des Landes für die Gerichtsvollzieher auf rund 24 Mio. Euro im Jahr 2002 beziffert. Auf diese Summe hat die Landesregierung den Entlastungseffekt für den Landeshaushalt durch eine Privatisierung beziffert. Im gleichen Atemzug hat die Landesregierung allerdings darauf hingewiesen, dass „freiberufliche“ Gerichtsvollzieher auf die Erzielung eines angemessenen Gewinns über die Deckung ihres Lebensunterhalts angewiesen wären.

Die Beteuerung der Landesregierung, bei einer „Privatisierung“ dennoch nicht den Weg der Gebührenerhöhung, sondern den der „Aufgabenerweiterung“ der Gerichtsvollzieher gehen zu wollen, erinnert mich beinahe schon an eine fiskalische Milchmädchenrechnung.

Sehr geehrter Herr Armborst, Klagen namentlich aus der Wirtschaft über mangelnde Effizienz im Gerichtsvollzug nehme ich ernst. Der einzelne Gerichtsvollzieher kann m. E. am wenigsten für Unzulänglichkeiten: Gerade in konjunkturell schwierigen Phasen ist schlicht und ergreifend die Arbeitsbelastung des einzelnen riesig. Dass einige bei diesen Gegebenheiten mit Schlagworten wie der „Privatisierung“ und dem „Bürokratieabbau“ als „Patentrezepten“ hausieren gehen, ärgert mich. Weil der Teufel in wesentlichen Details sitzt, worüber nicht mit vermeintlich populären Modeworten hinweggegangen werden kann.

Im übrigen sind geänderte Bundesgesetze Voraussetzung für die Privatisierung der Gerichtsvollzieher. Soweit ich informiert bin, gibt es zwar entsprechende Bund-Länder-Arbeitsgruppen, aber noch keine Beschlüsse.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Martin Haller