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Hans-Joachim Otto
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Frage von Anouschka P. •

Frage an Hans-Joachim Otto von Anouschka P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Otto,

wie stehen Sie zu der kurzfirstig geplanten, gesetzlichen Regelung der religiösen Beschneidung?

Dieser Eingriff in die Arbeit der Judikative erscheint mir im höchsten Maße bedenklich und wird von vielen Bürgern und der Presse, völlig unabhängig von der Sache, als eine Krise der Gewaltenteilung empfunden.

Vielen Dank,
A. Peterberg

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Peterberg,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
Beschneidungen mit religiösem Hintergrund von Jungen sind in der Tat, gerade für einen Liberalen, ein sehr heikles Thema, da verschiedene Grundrechte abgewogen werden müssen.

Zu berücksichtigen sind bei dieser Diskussion die Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung.

Auf der Sondersitzung im Bundestag in der letzten Woche wurde mit großer Mehrheit ein Antrag beschlossen, der die Bundesregierung auffordert sicherzustellen, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig sein soll. Auch ich habe diesen Antrag mit meiner Stimme unterstützt.

Ich möchte an dieser Stelle jedoch darauf hinweisen, dass es sich bei dem gestrigen Antrag lediglich um eine Resolution handelt, die sich für eine Erlaubnis des Eingriffs ausspricht und die Bundesregierung zu weiteren Schritten auffordert.

Daher schätze ich es sehr, dass sowohl unser Gesundheitsminister Daniel Bahr als auch unsere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die rechtlichen Unsicherheiten beenden wollen, um die durch das Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit zu schützen.
Nachdem die Diskussion in den letzten Tagen große Ausmaße angenommen hat, erscheint es mir notwendig, in dieser Fragestellung schnellstmöglich Rechtssicherheit zu schaffen.

Bezugnehmend auf Ihren Hinweis bezüglich der Judikative möchte ich Sie darauf hinweisen, dass auch der Deutsche Richterbund die gestrige Resolution des Bundestages begrüßt. Der Vorsitzende, Christoph Frank, spricht sich in den Medien wie folgt zu der aktuellen Situation aus:
"Vordringlich ist eine strafrechtliche Neuregelung, damit Wertungswidersprüche ausgeräumt werden und Rechtssicherheit bei Betroffenen, Strafverfolgungsbehörden und Gerichten hergestellt wird." Frank fordert zudem eine Prüfung, wie eine konkrete Ausnahmeregelung für die Beschneidung von Jungen im Strafrecht geschaffen werden kann.

Wie Sie sehen, fordert sogar die Judikative ein Eingreifen der Legislative, um Rechtssicherheit zu schaffen. Exakt dies ist die Aufgabe des Parlamentes und der Regierung.

Einen Eingriff in die Arbeit der Judikative kann ich demnach nicht erkennen. Das Urteil des Kölner Landgericht wird demnach durch die Legislative nicht angefochten. Dennoch handelt es sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung. Die Schaffung des bereits beschriebenen und nötigen Rechtsrahmen über den zukünftigen Umgang mit Beschneidungen liegt jedoch ganz klar im Aufgabenbereich der Legislative.

Zu meiner persönlichen Entscheidung zur gestrigen Resolution und der inhaltlichen Abwägung möchte ich noch ergänzend feststellen, dass es in meinen Augen keine ausreichenden Gründe gibt, um in Deutschland eine Praxis zu verbieten, die weltweit üblich ist. Hierbei möchte ich aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich diese Argumentation auf die Beschneidung von Jungen unter medizinisch fachgerechten Umständen bezieht. Dies ist in keiner Weise mit der vorsätzliche Verstümmelung weiblicher Genitalien in einigen Kulturen zu vergleichen. Leider werden diese Themen in der aktuellen Debatte immer wieder vermischt. Diese Praxis wird auch in dem gestern verabschiedeten Antrag kategorisch abgelehnt.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto