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Frage von Volker U. •

Frage an Gustav Herzog von Volker U. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

dem Beitrag "Sparen an der Zukunft" S.6 des Handelsblattes vom 16.7.2018 konnte ich entnehmen, daß die Ausgaben des Bundes für die Soziale Sicherung von 1992 i.H.v. 34,6% auf 50,6% in 2016 angestiegen sind. Wie erklären Sie sich diesen Anstieg, insbesondere unter dem Aspekt, daß die von Rot/Grün zu verantwortende Agenda 2010, das genaue Gegenteil hätte bewirken sollen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

volker 'U.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr U.,

besten Dank für Ihre Frage. Die Studie, auf sich der Artikel im Handelsblatt bezieht, wurde von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ in Auftrag gegeben. Dieser Verein hat viel mit Marktwirtschaft, aber fast nichts mit Sozial am Hut. Die „Initiative“ wird von den Arbeitgebern der Metallindustrie finanziert und hat vor allem die Aufgabe, neoliberale bzw. marktradikale Reformforderungen bei Entscheidern in der Wirtschaft, in den Medien und vor allem in der Politik einzuspeisen. Die „Entschlackung“ unserer Sozialsysteme und die Umverteilung der somit eingesparten Gelder in Investitionen, die der Wirtschaft nützen ist eine Kernforderung dieses Vereins – und zwar seit sehr vielen Jahren. Insofern wundert mich keinesfalls, dass die Studie liefert, was der Auftraggeber bestellt hat und dass das Handelsblatt die Zahlen und deren tendenziöse Interpretation unkritisch referiert: Sozialausgaben müssen drastisch sinken, staatliche Investitionen drastisch steigen.

Doch nun zu den Fakten. Es ist richtig, dass die Ausgaben des Staates im Sozialbereich in absoluten Zahlen gestiegen sind. Es ist übrigens genauso richtig, dass der Anteil der Sozialausgaben des Bundes am Bruttoinlandsprodukt seit 2010 gesunken ist. Wir sind ein wohlhabendes Land mit einer starken, weiter wachsenden Wirtschaft. Da ist es für mich selbstverständlich, dass der Staat die Sozialsysteme gut ausstattet. Eine politische Diskussion über die Verwendung der Gelder im Sozialbereich – also welche Impulse man beispielsweise setzen will – ist sicher wichtig. Eine Diskussion über eine vermeintlich zu hohe Summe ist aber allein im Interesse von Parteien, Verbänden und „Think Tanks“, die sich dem Neoliberalismus verschrieben haben.

Zu den Ausgaben des Bundes im Sozialbereich: Diese sind vor allem durch den demographischen Wandel in Deutschland, das Altern der Gesellschaft insgesamt und die damit einhergehende Notwendigkeit höherer Ausgaben im Bereich Rente zu erklären.

Wie der Website des Bundesfinanzministeriums (https://www.bundeshaushalt-info.de ) zu entnehmen ist, stiegen die Ausgaben des Bundes für die Allgemeine Rentenversicherung von 72.659.400 Euro (Stand 2013) auf 82.275.249 Euro (Stand 2017).
Die Rentenausgaben sind auf herkömmlichem Wege (also rein beitragsfinanziert) nur noch schwer zu finanzieren, weshalb zusätzlich zu den Rentenbeiträgen der Arbeitnehmer und -geber auch noch ungefähr 90% der Einnahmen aus der EEG-Umlage (die „Öko-Steuer“) zur Finanzierung der Renten ausgegeben werden.

Auch hat man die s.g. „versicherungsfremden Leistungen“ aus der Beitragsfinanzierung rausgenommen und in die Steuerfinanzierung überführt. Das ist gerecht, da mit diesen Leistungen gesamtgesellschaftliche Aufgaben auch von der Gesamtheit (und nicht nur von den Beitragszahlern der Gesetzlichen Kranken– und Rentenversicherung) gezahlt werden.

Die Ausgaben des Bundes im Bereich Arbeitsmarkt belaufen sich wiederum nicht nur auf das Arbeitslosengeld II (Hartz IV), sondern auf viele Bereiche, die man unter den Überbegriffen Arbeitsförderung, Arbeitsbefähigung, Sozialer Arbeitsmarkt, Qualifikation, Eingliederungszuschüsse u. ä. zusammenfassen kann. Der Staat fördert in großem Umfang und ich freue mich, Sie jetzt schon „warnen“ zu können: Mit dem gerade vom Bundeskabinett verabschiedeten s. g. Teilhabechancengesetz werden die Sozialausgaben des Staates weiter steigen – und weit über 100.000 Langzeitarbeitslose einen sozialversicherungspflichtigen Job bekommen!

Mit freundlichen Grüßen,

Gustav Herzog