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Frage von Arman F. •

Frage an Gustav Herzog von Arman F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Herzog,

wie ich aus den Nachrichten entnommen habe, haben die Regierungsparteien die staatliche Parteienfinanzierung neu geregelt. Was genau ändert sich durch eine solche Neuregelung?

Welche Gesetze sind betroffen? Was sind die Vor- und Nachteile dieser Neuregelung?

Vielen Dank im Voraus.

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Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank für Ihre Frage über die Neuregelung der Parteienfinanzierung, mit der Sie mir Gelegenheit geben, einige Missverständnisse klarzustellen, welche u. a. auch durch die mediale Berichterstattung der letzten Wochen entstanden sind.

Zuerst möchte ich erläutern, wie die staatliche Parteienfinanzierung funktioniert. Das Parteiengesetz besagt, dass die Parteien staatlich bis zu einem gewissen Grad finanziell unterstützt werden. Der Maßstab, an dem sich diese staatliche Teilfinanzierung richtet, bildet vor allem die Verankerung der jeweiligen Partei in der Bevölkerung, d.h. die Anzahl ihrer Wähler, ihrer Mitglieder, usw.. Näheres dazu finden Sie im Parteiengesetz (PartG.): https://www.gesetze-im-internet.de/partg/ .

§ 18 Abs. 3 S. 2 PartG. besagt, dass Parteien für die ersten vier Millionen von ihnen gültig erzielten Stimmen je einen Euro erhalten. Ab dieser vier Millionen-Marke erhalten sie sowohl für jede für sie abgegebene Erst- als auch Zweitstimme je 83 Cent (§ 18 Abs. 3 S.1).

Diese Regelung bevorteilt kleine im Bundestag vertretene Parteien, denn sie erhalten im Verhältnis zu allen für sie abgegebenen Stimmen mehr Geld als große Parteien.

Die staatliche Teilfinanzierung soll gewährleisten, dass Parteien ihrer in Art. 21 Abs. 1 GG. verfassungsgemäß festgelegten Aufgabe, nämlich bei der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, unabhängig von großen Spendern, nachkommen können. Damit die Parteien aber auch unabhängig vom Staat agieren können, wurden der staatlichen Teilfinanzierung im PartG. zwei verschiedene Obergrenzen gesetzt.

Eine der beiden Obergrenzen ist die „relative Obergrenze“. Sie besagt, dass die staatlichen Zuschüsse an eine Partei die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Beträge durch Mitgliederbeiträge, Spenden, usw., nicht überschreiten darf (§ 18 Abs. 5 PartG.). In anderen Worten, Parteien müssen sich mindestens zu 50% selbst finanzieren.

Die andere Obergrenze ist die „absolute Obergrenze“ (§ 18 Abs. 2 PartG.). Sie legt die Summe der Beträge fest, die in einem Jahr an alle Parteien in Deutschland maximal gezahlt werden darf. Ab 2013 wurde diese Summe automatisch jährlich erhöht, da wegen der Inflation auch die typischen jährlichen Ausgaben einer Partei stiegen. Sie betrug 2017 rund 165 Millionen Euro.

In den letzten Jahren stiegen allerdings nicht nur die typischen jährlichen Ausgaben einer Partei. Parteien müssen immer neuere Aufgaben bewältigen, um ihren im Grundgesetz festgelegten Auftrag erfüllen zu können. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten des Meinungs- und Informationsaustausches, die wir nutzen müssen, um im Meinungswettbewerb weiterhin aktiv und relevant sein zu können. Präsenz in Internetforen, z.B. Facebook und Twitter, gehört zu diesen Möglichkeiten. Zudem müssen wir uns und unsere Parteimitglieder vor Hackerangriffen und Falschmeldungen auf besagten Internetforen effektiv schützen können.

Wir Sozialdemokraten setzen außerdem vermehrt auf die Meinung unserer Basis. Wir wollen die Vorstellungen, Wünsche, Interessen, Befürchtungen und Bedenken besser kennenlernen, um unser Programm besser auf die Basis abstimmen zu können. Deshalb veranstalteten wir die beiden Sonderparteitage in Bonn und Wiesbaden und fragten per Mitgliederbefragung um die Meinung zum Regierungseintritt. Das allein kostete uns zusammen rund vier Millionen Euro. Wir wollen auch in Zukunft besser über die Basis Bescheid wissen, weshalb ein Anheben der „absoluten Obergrenze“ zur ausreichenden Finanzierung der Parteien durchaus sinnvoll wäre. Ich kann natürlich nicht für anderen Parteien sprechen; bei uns Sozialdemokraten fließen die staatlichen Zuschüsse jedenfalls nicht in die Taschen einiger weniger hoher Parteimitglieder, sonder dienen einzig und allein zur Bewältigung der oben genannten (neuen) Aufgaben, denen sich die Partei als Ganzes zu stellen hat.

Das Anheben der „absoluten Obergrenze“ ist übrigens kein „Raub am Steuerzahler“, wie es so schön bei einigen Angstmachern heißt. 2017 stünden den Parteien gemäß den Berechnungen nach § 18 Abs. 3 PartG. ungefähr 188 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu.

Dieser starke Anstieg im Gegensatz zu 2016 lässt sich vor allem durch die hohe Wahlbeteiligung in den Bundestagswahlen 2017 erklären, die 76,2% betrug. In den Bundestagswahlen 2013 betrug die Wahlbeteiligung grade mal 71,5%. Mit der FDP und AfD sind außerdem zwei Parteien in den Bundestag eingezogen, die gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 1. Hs PartG. Anspruch auf staatliche finanzielle Zuschüsse, berechnet nach § 18 Abs. 3 S. 1 PartG. , also nach Wählerstimmen und Höhe der Spenden, haben. Sowohl die Spender als auch die Höhe der Spenden sind übrigen ganz transparent auf der Website des Bundestages in den jährlichen Rechenschaftsberichten einzusehen: https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/parteienfinanzierung/rechenschaftsberichte/rechenschaftsberichte/202446 .

Diese den Parteien zustehende Summe von 188 Millionen Euro kann jedoch wegen der „absoluten Obergrenze“ nicht ausgezahlt werden. Sie wird gemäß § 19a Abs. 5 PartG. auf rund 161 Millionen Euro gekürzt, was einen Verlust von 27 Millionen Euro darstellt.

Wie Sie sehen, stellt die Anhebung der „absoluten Obergrenze“ nur sicher, dass die Entscheidung der Wähler auch in der staatlichen Parteienfinanzierung unverfälscht abgebildet wird.

Was die Verfassungskonformität der Gesetzesänderung angeht, sind verschiedene Verfassungsexperten, darunter Prof. Dr. Michael Brenner, Lehrstuhlinhaber an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Prof. Dr. Bernd Grzeszick, Lehrstuhlinhaber an juristischen Fakultät an der Universität Heidelberg, davon überzeugt, dass die Gesetzesänderung vollkommen vereinbar mit dem GG. ist.

Kritik bekommt die Änderung vor allem auch wegen dem Verfahren, mit dem die Änderung beschlossen wurde. Unter Angstmacherkreisen wird von einer geheimen Nacht und Nebel Aktion im Deckmantel der Fußball-WM gesprochen, in der FAZ-Sonntagszeitung wird sogar ein Vergleich mit einem Banküberfall gezogen („Nahles‘ Überfall“, FAZ-Sonntagszeitung, 10.06.2018, S.10, von Peter Carstens). In der Öffentlichkeit wurde jedoch ausreichend über das Änderungsvorhaben berichtet, auch durch solche Artikel wie den oben genannten. Der Änderungsvorschlag wurde in Ausschusssitzungen ausführlichst diskutiert, unter anderem unter Zuhilfenahme der oben genannten Professoren. Beide Plenumsdiskussionen und die Beschlussfassung wurden Freitag in der Prime Time (8 bis 10 Uhr) auf Phoenix übertragen und sind mittlerweile Internet zu finden.

Zusammenfassend gesagt, finde ich die Gesetzesänderung angemessen und sinnvoll.

Mit freundlichen Grüßen,

Gustav Herzog