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Gustav Herzog
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Frage von Dieter L. S. •

Frage an Gustav Herzog von Dieter L. S.

Guten Tag Herr Herzog,

warum sind Sie für Fracking in Deutschland? Sie haben gegen ein Fracking Verbot gestimmt? Gefällt es Ihnen wenn Deutschland, Ihre Heimat, bis in tiefste Schichten mit Chemikalien voll gepumpt und damit vergiftet wird?

Sind Ihnen die Beispiele aus USA nicht schon genug?

Muss man das auch für Deutschland machen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schlick,

besten Dank für Ihre Frage zu meinem Abstimmungsverhalten am 28. April zu dem Gesetzentwurf der Grünen und dem Antrag der LINKEN zu Fracking. Ich freue mich sehr, dass Sie mir mit Ihrer Frage die Gelegenheit geben, differenziert meine Position zu Fracking darzulegen und auch auf das meiner Meinung nach politisch unseriöse Verfahren der besagten Abstimmung einzugehen:

Fracking und der Gesetzentwurf dazu aus dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium sind eine ziemlich ernsthafte und für Mensch und Umwelt wichtige Angelegenheit, um deren bestmögliche Regelung seit langem gerungen wird. Seit die Regierungsentwürfe (welche s. g. konventionelles Fracking deutlich stärker als bisher einschränken und reglementieren und das s. g. unkonventionelle Fracking nach US-Vorbild sogar faktisch verbieten!!) im Bundestag eingebracht sind, haben wir als SPD-Fraktion mit dem Koalitionspartner noch weitere Verbesserungen erreichen können und wir arbeiten z. B. aktuell daran, dass auch nach Verabschiedung des Gesetzespaketes der Bundestag klare Rechte in Sachen Fracking in der Hand behält: Wir müssen im Umgang mit unkonventionellem Fracking das letzte Wort haben (Parlamentsvorbehalt) und keine Expertenkommission, die lediglich eine Beratungs- und Beurteilungsfunktion einnehmen soll.
Nach dem Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ (der einem Thema wie Fracking absolut angemessen ist!) ist also das Gesetzespaket der Bundesregierung noch nicht vom Bundestag verabschiedet worden. Nun sind aktuell die Oppositionsfraktionen auf den Plan getreten und haben Anträge vorgelegt, die Fracking in egal welcher Form, welchem Umfang und unter welchen Umständen komplett verbieten. Ein solches Totalverbot geht aber an der Realität vorbei, ist rechtlich kaum machbar (z. B. Konflikt mit der Freiheit der Forschung) und politisch unseriös. Trotzdem ist es natürlich legitim, solche Forderungen zu stellen und wichtig, dann aber auch dazu zu diskutieren. Das hat im Bundestag aber nicht stattgefunden. Die Anträge wurden von den Antragstellern bewusst ohne Debatte in den Bundestag eingebracht und die Namentliche Abstimmung fand statt, ohne dass das Pro und Contra öffentlich diskutiert werden konnte. Warum? Ganz einfach- es ging den Antragstellern nicht um das inhaltliche Ringen um bestmögliche Regelungen, sondern allein um das „Bloßstellen“ der Abgeordneten, die mit ihrem NEIN vermeintlich (!!) für Fracking sind. Ich bedaure das sehr- nicht, weil ich deshalb jetzt Fragen wie die Ihre beantworten muss, sondern weil ich finde, dass solche Aktionen das Ansehen des Parlamentarismus nicht gerade heben.

Doch nun etwas mehr zu dem Thema Fracking an sich. Ich habe mich dafür entschieden, Ihnen als Bürger das gleiche zu schreiben, was ich dem Präsidenten des Deutschen Bundestages als Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten geschrieben habe. Hier der Wortlaut:
„Zu meinem Abstimmungsverhalten bei den am 28. April 2016 auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestags stehenden Tagesordnungspunkten 30 a) („Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) und 30 b) („Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zum Antrag LINKE „Verbot von Fracking in Deutschland“):

Nach gewissenhafter Prüfung folge ich den Beschlussempfehlungen der federführenden Ausschüsse. Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und Antrag der LINKEN lehne ich ab.

Die Ablehnung der Anträge ist damit zu begründen, dass beide Anträge ein vollständiges Verbot von Fracking vorsehen. Diese Position haben die Mitglieder der SPD-Landesgruppe Rheinland-Pfalz nie vertreten. Allerdings stellen wir auch keinen Freifahrtschein für Fracking aus: Ich bleibe bei den bisherigen Forderungen, dass der Schutz von Trinkwasser und geologischer Integrität, von Gesundheit und Umwelt Vorrang haben muss vor wirtschaftlichen Interessen.

Gefährliche Zusätze in Frac-Flüssigkeiten gibt es mit mir nicht. Unkonventionelles Fracking muss verboten werden.

Die Zahl der Erprobungsmaßnahmen muss auf das wissenschaftlich notwendige Maß beschränkt werden und eine feste Anzahl an möglichen Probebohrungen vorsehen. Darüber hinaus soll eine Beteiligung der Länder im Rahmen der Probebohrungen angestrebt werden.

Keinesfalls darf eine externe Expertenkommission jemals über Fracking entscheiden. Das Parlament alleine hat hier zu entscheiden. Beide Vorlagen sehen ein vollständiges Verbot von Fracking vor. Dies ist nicht meine Position. Ein Totalverbot ist weder rechtlich machbar noch politisch seriös. Den Menschen vorzumachen, es ginge doch, ist reine Augenwischerei.

Geografische Bedingungen unterscheiden sich von Standort zu Standort, deshalb fordert die Landesgruppe Rheinland-Pfalz eine Einzelfallprüfung für jedes Projekt.

Transparenz ist wichtig. Diese soll auf zwei Arten gewährleistet werden. Ich fordere daher eine gesetzlich verbriefte Bürgerbeteiligung von Anfang an bei eventuellen Verfahren. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, über Eingriffe in die Natur in ihrem Umfeld informiert zu werden und darüber mitzuentscheiden.

Weiter fordere ich die Einrichtung eines bundesweiten Registers, in dem detaillierte Informationen über abgeschlossene und laufende Fracking-Projekte einsehbar sind. Dieses Register soll unter anderem darüber informieren, wer ein Fracking-Projekt verantwortet, in welcher Tiefe es durchgeführt wird und welche Frac-Flüssigkeiten verwendet wurden.

Alle Mitglieder der Landesgruppe Rheinland-Pfalz sehen im Fracking bestenfalls eine Übergangslösung hin zu einer nachhaltigen Energiepolitik, die möglichst ohne fossile Energieträger auskommt. In diesem Sinne muss Fracking auch so reguliert werden, dass daraus keine Belastungen für die Menschen dieser oder künftiger Generationen entstehen.“

Wichtig ist mir noch abschließend, auf die Begrifflichkeiten konventionelles und unkonventionelles Fracking einzugehen, da die Begriffe immer wieder auftauchen, aber meist zusammengeworfen einfach unter „Fracking“ abgelegt werden. Das ist in der Diskussion insofern wenig hilfreich, als es für die beiden Arten unterschiedliche Regelungen gibt bzw. geben wird und zudem bei dem Wort Fracking meist nur an das unkonventionelle nach US-Vorbild gedacht wird.

Da abgeordnetenwatch nicht so gerne Links in Fragen und Antworten sieht, zitiere ich im Folgenden Infos zum aktuellen Gesetzentwurf auf der Seite des Bundeswirtschaftsministeriums:

„Fracking-Verbot in Schiefer- und Kohlflözgestein

Unkonventionelles Fracking in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 Metern soll durch das Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich verboten werden. Um Erfahrungswerte über die Auswirkungen auf Umwelt und Untergrund zu sammeln, werden allerdings wissenschaftlich begleitete Erprobungsmaßnahmen möglich sein, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die verwendete Frackingflüssigkeit nicht wassergefährdend ist. Ab 2018 soll eine unabhängige Expertenkommission bestehend aus sechs Sachverständigen anerkannter Forschungseinrichtungen und Behörden überprüfen, ob kommerzielle Bohrungen genehmigt werden können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Expertenkommission mehrheitlich die grundsätzliche Unbedenklichkeit hinsichtlich der Umweltauswirkungen bestätigt. Ob eine solche Genehmigung letztlich erteilt wird, liegt aber nach wie vor in der Verantwortung der zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. (Anmerkung von mir: an dieser Stelle arbeiten wir wie oben angemerkt am Parlamentsvorbehalt!!)

Konventionelles Fracking in Sandgestein

Bestehende Reglungen werden weiter verschärft. Die Anwendung der Fracking-Technologie bei der konventionellen Gasförderung soll weiterhin erlaubt sein. Allerdings werden auch hier die Anforderungen verschärft und ergänzt. Das Fracking wird in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten, an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung sowie an Wasserentnahmestellen der öffentlichen Wasserversorgung verboten. Den Ländern wird die Möglichkeit eingeräumt, darüber hinaus auch in Einzugsgebieten von Mineralwasservorkommen und von Stellen zur Entnahme von Wasser für Getränke oder in Steinkohlebergbaugebiete Verbote zu erlassen. In Nationalparks und Naturschutzgebieten wird die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt. Die federführenden Bergbehörden müssen bei allen Zulassungen zum Fracking das Einvernehmen der Wasserbehörden herstellen. An die Entsorgung von Rückflüssen und Lagerstättenwasser werden höchste Anforderungen nach dem Stand der Technik gestellt. Lagerstättenwasser darf nur in Gesteinsschichten, in denen Erdöl oder Erdgas vorhanden war oder ist und bei denen eine Gefährdung des Trinkwassers ausgeschlossen werden kann, eingebracht werden. Zurückfließende Frackfluide dürfen nicht untertägig eingebracht werden.

Eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Pflicht) - und damit eine zwingende Öffentlichkeitsbeteiligung für alle Fracking-Maßnahmen bei der Förderung von Erdöl und Erdgas sowie für die Entsorgung von Lagerstättenwasser wird in die UVP-Verordnung Bergbau eingeführt.

Die Beweislast im Hinblick auf mögliche Bergschäden, die von Tiefbohrungen einschließlich Fracking-Maßnahmen stammen können, wird den Unternehmen auferlegt.“

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen umfassenden Informationen weiterhelfen und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog