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Frage von Volker U. •

Frage an Gustav Herzog von Volker U. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

der örtlichen Tageszeitung "Die Rheinpfalz" konnte ich heute entnehmen, daß Deutschland im europäischen Vergleich mit 24,1 Prozent über den zweithöchsten Niedriglohnsektor-hinter Lettland- verfügt, so eine aktuelle Studie des IAB. Der dort genannte Niedriglohnschwellenwert wird mit 9,54 Euro Stundenlohn beziffert, während die SPD in ihrem Regierungsprogramm lediglich 8,50 Euro als Mindestlohn ansetzt. Dazu habe ich folgende Fragen: 1. Worin sehen Sie primär die Ursachen, die zu dieser negativen Entwicklung des hohen Niedriglohnsektors-ausgerechnet beim Exportweltmeister und der führenden Industrienation Deutschland- führten? 2. Halten Sie den geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro, angesichts des Niedriglohnschwellenwertes von 9,54 Euro nicht für antiquiert?

Vielen Dank für Ihre Antworten und einen erfolgreichen Wahlkampf.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ultes,

vielen Dank für Ihre Frage zum Niedriglohnsektor in Deutschland und zur Höhe eines Gesetzlichen Mindestlohnes.

Für alle LeserInnen unseres Dialoges, die den von Ihnen erwähnten Beitrag in der RHEINPFALZ nicht gelesen haben, möchte ich meiner Antwort voraus schicken, dass man wissenschaftlich unter der Niedriglohnschwelle Zweidrittel eines mittleren Einkommens in einem Land versteht. Diese Schwelle darf also weder wissenschaftlich noch politisch mit der Armutsgrenze verwechselt werden. Die Niedriglohnschwelle ist natürlich in allen 17 europäischen Ländern unterschiedlich und Deutschland liegt mit 9,54 Euro auf Platz 6 von 17.

In Deutschland arbeiten etwa 7 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte unter dieser Grenze. Gut 4 Mio. dieser Menschen verdienen unter 8,50 Euro Brutto pro Stunde, hinzu kommen fast 5 Mio. Menschen in Minijobverhältnissen unter 8,50 Euro pro Stunde, so dass von einem Gesetzlichen Mindestlohn von heute auf morgen 9 Mio. Betroffene profitieren würden!!! Das Eduard Pestel Institut hat im Auftrag von ver.di und der NGG im Juli 2013 ermittelt, dass der Einkommenssprung für diese Betroffenen in ihrer Gesamtheit einen jährlichen Zuwachs an Kaufkraft von 19,15 Milliarden Euro bringen würde.

Was die Höhe des von uns unmittelbar nach einem Regierungswechsel angestrebten Mindestlohnes angeht, so lohnt ein Blick in alle Publikationen der SPD dazu, insbesondere in das Wahlprogramm. Dort steht nämlich immer, dass wir einen Mindestlohn von MINDESTENS 8,50 Euro einführen werden. Und wie vielen Menschen ganz unmittelbar schon mit dieser Mindest-Höhe geholfen wäre, habe ich oben erläutert.

Zu Ihrer Frage, worin ich die Ursachen für den hohen Niedriglohnsektor sehe, stimme ich einigen Schlussfolgerungen des IAB zu. So z.B. der Tatsache, dass es einen Zusammenhang zwischen Tarifflucht und anwachsendem Niedriglohnsektor gibt. Die SPD will daher das bewährte Tarifvertragssystem und Tarifbindungen stärken. Wir treten für das Prinzip der Tarifeinheit ein. Dafür wollen wir die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtern. Die Bedingung, dass mindestens 50 Prozent der Beschäftigten bei tarifgebundenen Arbeitgebern arbeiten, wollen wir durch eine Prüfung des öffentlichen Interesses ersetzen.

In den Betrieben wollen wir außerdem das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Zeit- und Leiharbeiter in der Relation zur Stammbelegschaft einführen. Auch damit wären sofort viele Menschen über die Niedriglohngrenze gehoben, die aktuell noch darunter liegen!

Ein letzter, aber ganz wesentlicher Punkt ist die Tatsache, dass vor allem Frauen im Niedrig- und Niedrigstlohnsektor beschäftigt sind. Mit den oben beschriebenen Maßnahmen (vom Mindestlohn bis zur Stärkung der Tarifbindungen) wäre ganz sicher auch vielen dieser Frauen geholfen, doch sind an diesem Punkt noch weitere Maßnahmen nötig. So wollen wir mit einem Entgeldgleichheitsgesetz die strukturelle Lohnbenachteiligung von Frauen beenden. Außerdem sollen deutliche Verbesserungen bei der Ganztagsbetreuung von Kindern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, den Zugang zu Vollzeitstellen für bislang nur in Teilzeit beschäftigte Frauen erleichtern.

Alles also sehr gute Gründe, die SPD zu wählen!

Mit freundlichen Grüßen

Gustav Herzog