Portrait von Günther Ramsauer
Günther Ramsauer
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Günther Ramsauer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Annette H. •

Frage an Günther Ramsauer von Annette H. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Ramsauer,

ich arbeite u.a. als pädagogische Fachkraft an einer Hauptschule im Ganztagsschulbereich und habe als (Schul)Mediatorin relativ viel Einblick auch in andere (Ganztags)schulen im pfälzischen Bereich. Leider erlebe ich in der Realität überwiegend den Betreuungscharakter dieses Modells und sehr wenig den überall so propagierten Bildungscharakter, selbst wenn ich von einem ganzheitlichen Bildungsbegriff ausgehe (was im Bereich Schule meiner Erfahrung nach sowieso eher weniger der Fall ist). Und selbst der Betreuungscharakter ist ja letztendlich nur halbherzig, denn in den insgesamt ca. 12 Wochen Schulferien findet keine GTS statt. Wer also betreut dann die Kinder, wenn ein normaler Arbeitnehmer/ eine normale Arbeitnehmerin i.d.R. max. 6 Wochen Urlaub hat?

Gerade weil ich auch in vielfältiger Weise im Schulbereich arbeite und sehr dicht auch an den Einzelschicksalen und -hintergründen der Schüler und Schülerinnen bin, wünsche ich mir eine anderes Ganztagsschulkonzept - nicht dieses additive, sondern viel mehr im Sinne des Konzeptes der Gesamtschule, wie sie ja z.B. in Lu - Oggersheim praktiziert wird. Warum wird dieses Konzept nicht stärker favorisiert, greift es doch auch viel eher die Ergebnisse der PISA-Studie auf, nach der es sehr sinnvoll zu sein scheint, die Schüler und Schülerinnen bis in die 9. Klasse gemeinsam zu unterrichten (und innerhalb dieser Klassengemeinschaft zu differenzieren)?

Mit freundlichen Grüßen
Annette Heinemeyer (Dipl. Mediatorin)

Portrait von Günther Ramsauer
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Heinemeyer,

Danke für Ihre Anfrage. Grundsätzlich verfolgt die Ganztagsschule in der neuen Form sicher nicht das Ziel, eine bloße Betreuungsinstitution für den Nachmittag zu sein. Dem ist auch nicht so. Allein schon die Tatsache, dass die Hausaufgabenhilfe zum integralen Bestandteil eines Ganztagsschulkonzepts gehören muss, zeigt, dass diese Form der Schule den Schülerinnen und Schülern Unterstützung bietet, um das am Vormittag Erlernte zu vertiefen. Gleichzeitig bieten die zahlreichen Kooperationen der Schulen mit außerschulischen Partnern aus den unterschiedlichsten Bereichen die Möglichkeit der Wissenserweiterung, wie sie im „normalen“ Schulalltag nicht möglich wird.

Dass es Ganztagsschulen gibt, die diesem Anspruch in unterschiedlichem Maße gerecht werden, ist zweifelsohne der Fall. Und das wir mit der 2001 eingeführten Ganztagsschule einen wichtigen ersten Schritt gemacht haben, ist ebenso unbestritten. Aufgrund der überwiegenden Nachfrage nach der Ganztagsschule möchten wir das Angebot in den kommenden Jahren daher ausbauen und gleichzeitig die inhaltliche Ausgestaltung des Konzepts weiterentwickeln.

Sie haben Recht, wenn Sie anmerken, dass in den Ferien ein Nachmittagsangebot nicht stattfindet und somit eine Lücke vorhanden ist. Diese Lücke kann meines Erachtens jedoch nicht von der Schule selbst gefüllt werden. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler sind auf eine Erholungszeit angewiesen, auch Lehrkräfte haben einen Anspruch Urlaubszeit, der im Übrigen nicht selten zur Vorbereitung auf den kommenden Unterricht dient. Wichtig ist, dass das Ferienbetreuungsangebot der Kommunen ausgebaut wird. Das Land hat hierfür die Kommunen in nicht unerheblichem Maße unterstützt und wird die künftig auch weiter tun.

Zu Ihrer Ansicht, dass Sie sich Ganztagsschule nicht in additiver, sondern in verbundener Form wünschen, also mit einer ausgewogenen Mischung aus Unterricht und Förderangeboten verteilt auf Vor- und Nachmittag, kann ich Ihnen folgendes sagen: Die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule in verbundener Form zum jetzigen Zeitpunkt würde bedeuten, dass der Angebotscharkater nicht mehr bestünde. Die SPD ist bei der Einführung der Ganztagsschule damals bewusst diesen ersten Schritt gegangen, d.h. die Ganztagsschule den Kindern und ihren Eltern als Angebot zu unterbreiten. Eine Ganztagsschule auf freiwilliger Basis kann demnach nicht in der rhythmisierten Form, also auch mit Unterricht am Nachmittag angeboten werden, da es eben noch viele Eltern gibt, die ihre Kinder nur vormittags in die Schule schicken.

Tatsächlich aber ist die rhythmisierte Form der Ganztagsschule der Idealtyp von Ganztagsschule. Wichtig ist aber, dass wir die Schulen, die Eltern und die Schülerinnen und die Schüler mitnehmen müssen auf dem Weg hin zur dieser Form der Ganztagsschule. Alle Beteiligten müssen überzeugt sein und in die gleiche Richtung wollen. Das braucht viel Überzeugungsarbeit -- ich denke, da sind wir seit 5 Jahren erfolgreich dabei! -- und es braucht viel positive Erfahrung. Danach braucht es dann den Schneeballeffekt und die Mund-zu-Mund-Propaganda.

Zu ihrer Frage nach Gesamtschulen: Auch hier möchten wir den Angebotscharkater wahren. Eltern, die für ihre Kinder eine längere gemeinsame Lernzeit wünschen, können dieses Angebot der Gesamtschule wahrnehmen. Auch wenn die PISA- Studie eine eindeutige Sprache bezüglich der Vorteile integrierter Schulsysteme in anderen Ländern spricht, so beabsichtigt die rheinland-pfälzische SPD jedoch nicht, in eine erneute Schulstrukturdebatte einzusteigen. Diese Debatten werden zu emotional und leider immer noch ideologisch geführt. Sie kostet uns zudem Zeit, über die wir nicht verfügen. Wir möchten uns in unserem bildungspolitischen Ansatz daher lieber auf Dinge konzentrieren, die jetzt machbar sind. Dazu gehört die Ganztagsschule, dazu gehört die Stärkung des Prinzips der individuellen Förderung, dazu gehören die Investitionen in die Sprachförderung in den Kindertagesstätten sowie die Reform der Lehrerinnen- und Lehrerbildung.

Günther Ramsauer